Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.
„So wie es bleibt/Ist es nicht!“ (Heiner Müller)
Drei Einschübe von Katrin Eissing zum Thema Bergarbeit:
Komisch, dass es immer über Tage oder unter Tage heisst, wo dazwischen ist der Tag?
Die Sonne geht ewig auf, wenn man ihr im Flugzeug entgegen fliegt und so auch wenn man sich vor ihr in der Erde verbirgt.
Hohe Hallen an denen an langen Schnüren Klamotten neben einander hängen. Kleidung von Männern, die weit unter eben dieser Halle zur selben Zeit tief im Dunkeln an den Wänden hacken die ihren Raum umgeben, bis sie einstürzen. Die Sachen hängen dort oben weil die Männer wenn sie ganz schwarz und staubig wieder aufgestiegen sind, sich erst einmal in Entfernung der Tagessachen waschen müssen. Sonst wäre bald alles schwarz, Tag und Nacht, Innen und Aussen, Unten und Oben.
Mir „fällt zu Bergbau“ nichts „ein“, ausser Enge oder Bilder wie Wasserfälle: Mein Reverenzraum ist der Himmel am Meer. Die Gedanken ziehen wie Wolken…
Berge und ihr Inneres. Wie unheimlich dies feste Dunkel auch nur ernsthaft zu denken. „Das kalte Herz“!
Die schmalen Schlitze der Katzenaugen machen einen Horizont, dahinter fremde Kontinente. Eine Geburt: in das Innere der Erde blicken, oder andersherum ins All, denn die ganz kleinen Babys mit ihren Allieenauren geben zu denken, dass es verschiedene Welten gibt, heillos ineinander verschachtelt die nicht in eine bestimmte Richtung kippen, sondern sich auch noch in alle Richtungen verteilen. Ja auch Bücher öffnen sich zu fremden Welten. Und Dichter halten sich manchmal für unterirdisch, dazu später.
In Bolivien und nicht nur dort buddeln kleine Kinder in engen Gaengen, in schwarzer Erde in die nur Kinder hineinpassen nach Metallen für Handys. Sie erzählen sich während dessen, dass das Weltall draussen auch dunkel und unendlich ist, wie ein umgestülptes Bergwerk. Darin wie von grossen Händen gehalten, schweben unendich viele Sterne. Sie haben die Namen von Planeten im Fernsehen, in dem nichts zu sehen ist als graues Rauschen, gehört. Venus Mars Jupiter, Saturn, Uranus. Diese Namen und wie viele Planeten es überhaupt gibt, all das würden die Kinder in der Schule noch richtig lernen. So träumen sie beim Hacken. Dieselben Kinder sieht man später in einem schmutzigen Raum auf Holzbänke gequetscht. Sie schlafen nach dem stundenlangen Marsch durch schroffe, kalte Berge in denen sie eben noch drinsteckten fast ein. Ein bitterer Mensch verhindert das mit einem Stock. Es ist der einzige freie Tag der Kinder aus den engen Schächten. Sie wollten noch Fussball spielen aber eben vorher unbedingt zur Schule um etwas über die Planeten lernen. Dann schlafen sie nach dem langen Weg zurück in die Hütte vor dem kaputten Fernseher. Dies hab ich auf 3Sat, Dokumentarfilmredaktion Inge Claasen in der Reihe „Fremde Kinder“ gesehen.
Die sowieso schon schwarzen, fremden Kinder im Kongo, die für Macbooks Tantal auswaschen, werden dabei dann mit einer metallisch schwarzen Schicht ganz und gar überzogen. Sie glänzen wie Wolframfäden. Schulen, egal welcher Art kennen sie nicht. Sie sterben bevor sie jemand nach den Planeten fragen können.
oben ganz oben: im Gaffelrigg stehen. Um Kap Horn herum mit fast abgefrorenen Fingern die harten Segel reffen. Seefahrt die not tut. 39 Männer aus Böhmen. Nach Norwegen zum Silberschürfen angeworbene gute Bergleute trafen vor sechshundert Jahren in Kongsgaard mit einem schönen Dreimaster im Hafenbecken ein. Sie waren zwar Spezialisten darin unterirdische Gänge zu bauen, aber konnten nicht schwimmen. Keine Zehn Meter. Und ertranken als sie an Land wollten im Hafenbecken von Kronsgaard.
Die erste Raumsonde, die Planetary Resources in diesem Frühjahr ins All geschickt hat, heisst Arkyd (wie Acarde Fire-die Band). Sie ist so gross wie ein Fussball und soll mit einem Teleskop Asteroiden aufspüren, die reich an Resourcen, also Platin, Tantal, Lithium, Nickel, Gold: Metallen, die für Raumschiffe und Computer gebraucht werden, sind. Die Abraumstationen docken dann später an diesen Monden oder Astoreiden an und stellen, um die manchmal denkende Besatzung lebensfähig zu halten, Wasser aus Licht her. Wenn der Kapitalismus gewinnt, werden Kinder dann direkt auf dem Flug in Plastikflaschen herangezogen. Beim Ankommen sind sie arbeitsfähig, aber noch nicht zu groß für die kleinen Schächte und Geräte. Sie brauchen keine zerlumpten, besorgten Mütter, die selbst nicht genug zu essen haben, obwohl sie den ganzen Tag Kokapaste rühren und im Dreck wühlen, so wie heute noch. Die brauchen keine verraschelten Satelitenbilder im Schrottfernseher für sie anstellen, damit die Kinder „wissen wie die Planeten heissen und noch mehr von der Welt lernen“. Sie brauchen keine Bauernschlaflieder singen, von denen sie nur noch den Refrain können Die Kinder, auf dem Weg zu den asteroiden Bergwerken brauchen ihr Leben auch nicht in Clubs absichtlich zerstören, weil sie keine Sehnsucht mehr nach Abenteuern oder Koks haben. Wenn sie nicht mehr können sind sie tot, wie hier, aber ohne aufwändige Umwege. Sie werden am immer währenden Morgen im All nach der Arbeit müde sein und es gibt auch keinen Platz um Fussball zu spielen.
Derzeit befindet sich „Arkyd“ noch an Bord der „Internationalen Raumstation“ (ISS). Im letzten Dezember 2015 hat „Planetary Resources“ die zweite Sonde gestartet. Sie ist mit einem Infrarotteleskop ausgestattet, mit dem sich die Temperaturen von Asteroiden messen lassen.
„Manche Autoren vergleichen ihre Arbeit mit Arbeit im Bergwerk. Aus tiefen Schaechten Schaetze holen.“ „?“ Es geht um die Metapher.“ „Du meinst Leichen im Keller…“
Dichter die sich mit Bergleuten vergleichen, auf Schürfsuche der Wahrheit hinterher. Dann holen sie sie mit viel Mühe hoch und was bleibt ihnen: ein Stein. 2. Bergbau im Weltall
In Berlin wo Kinder spielen, Handys und Computerspiele besitzen, wegen derer andere Kinder ihr Leben lang nicht spielen können, sondern nach Tantal graben, dass eben für diese Handys gebraucht wird, sind jede tiefe, dunkle Nacht bergeweise Jugendliche unterwegs. Sie suchen ihre verlorenen Abenteuer sehnsuchtsvoll in Autolichtkegeln, auf den Strassen und Eingaengen von Clubs die Sysiphos oder Berghang oder Bergwerk heissen. Manche tanzen, manche schlafen, manche sind auf Toiletten, in dunklen Räumen, in die früher die Bewohner der Stadt vor Bombenangriffen flohen. Wo es voller Kinderleichen war tanzen die Kinder wie in den Computerspielen in denen sie auch schon mal Planeten bereisen. Die hellen Gesichter der Maedchen aus Vorstaedten in Miniroecken leuchten. Sie pusten manchmal bevor sie benutzt werden aus Versehen weisses wertvolles Pulver in die Luft und werden dafür wie aus Versehen getreten.
Draußen war Schneesturm. Ich stand lange auf der Autobahnauffahrt. An den Füßen hatte ich schon große, weiße Schneeklumpen. EinFamilienvolvo mit Kindersitzen mit Mann mit dichtem Bart am Steuer hielt an. Der Schnee schmolz in der Autoheizungsluft und meine Füße taten beim Auftauen weh. Ich fing an zu lesen und wie alle damals als ich 16 war und obwohl uns „natürlich klar war, das Tolkien Faschist ist“ las ich: Zwerge sind stark und stolz. Sie haben eine höhere Feuerresistenz als alle anderen Rassen. Sie sind Bergleute und finden glitzernde Schaetze in den Gebirgen von Mittelerde. Zwerge kämpfen mit Äxten. Zwerge schätzen die Gegenwart von Hobbits. Es gibt wesentlich weniger Zwerginnen als Zwerge. Auch die sind stark und stolz. Viele Zwerge tragen Bärte. Sie kämpfen mit den Orks.
Der Mann hielt den Wagen an, drehte das Zündschloss, der Wagen ging aus. Er sass lange schweigend neben mir. Dann stieg er aus und ging in irgendeine Huette in der Landschaft, die ich vorher nicht gesehen hatte. Er fragte ob ich mitwolle. Dann kam er zurück setzte sich wieder neben mich. Ich dachte jetzt faehrt er ja wohl mal endlich weiter. Ich war gerade mitten in einer Schlacht, als er fragte ob er mich küssen könne. Ich sah kurz, wahrscheinlich komplett verwirrt hoch, „Of course not!“ las weiter. Er sprach in mehreren Sprachen. Ich las. Die Zwerge mussten sich in den Gaengen ihrer Bergwerke verstecken, die Orks zuendeten vor den Ausgaengen grosse Feuer. Ohne Sprache, aber aus Lügen einen Luftschacht bauen. Damit die Wahrheiten sich mit dem Ein und Ausatmen langsam selbst können, oder eingeschlossen, begraben sein, still warten bis jemand das Klopfen hört. Ein lebensrettender Zustand, auf Entschlüsselung angewiesen.
„Ich ersticke.“: ist die Wirklichkeit an der die Erwachsenen mit ihren Schachtaufzügen vorbeifahren.
Der baertige, grosse Familienvater griff mir mit der einen riesigen Hand übers Ohr an den Hinterkopf, die andere legte er auf meine geflickte Hose.
Ich atmete erschrocken ein…. Die Vögel oder Hunde, die mit in die Schächte genommen werden um das Umschlagen des Wetters bzw. fehlenden Sauerstoff an fernen Flözen anzuzeigen. Jugendliches Durchdrehen: Wartet in einem Notschacht aus notwendigen Lügen. Kommunikation, die die Chance hat wirklich so verstanden zu werden wie sie gemeint ist….warf mein Buch hoch und schrie: Ich ersticke!“ auf deutsch. Riss dann die Tuer auf und fiel in den Schnee. Lief, verlor die Schuhe. Es war eiskalt, einsame, felsige Gegend und Jacke und Tasche noch im Auto. Er wartete, hielt die Tür auf und rief: Sorry Blah blah blah, entschuldigte sich. Blah blah Blah. Es war zu kalt. Ich musste irgendwann zurück. Er startete den Wagen, drehte die Heizung auf, Musik an, fragte nach meinem Alter. Weil ich meinen 16. Geburtstag hatte, kaufte er an der nächsten Raststätte Kuchen. Fuhr nach Göteborg direkt zur Fähre. Es war nur noch sehr wenig hell, die Fähre riesiggross und weiss.
Als wir auf das offene Meer kamen, wurden die Wellen sehr hoch. Starker Sturm. Innen, in der Fähre nach Kiel rutschten Leute auf der runden,silbernen Discotanzfläche nach „Gimme gimme a man after midnight“ herum. Vor den Fenstern kreuz und quer: der dunkle Himmel, das schwarze Meer. Ich ging nach draussen an Deck, ganz nach oben und stellte mich auf die Reeling. Es fühlte sich grossartig und frei, wie Fliegen an. Plötzlich wurde ich von einer fluchenden, angeleinten Person in Uniform von hinten am Anorak gegriffen und Gesicht zu Gesicht, Auge in Augen voller Umsicht sehr fest gehalten und auf schwedisch ausgeschimpft. Dann gab es noch eine zornige Lautsprecheransage. Die Person hielt mich ganz fest und brachte mich zurück in die silberne Disco. Auf der Spitze eines schwankenden Barhockers ließ ich die Nacht über die Holzschuhe schlackern. Zum Lesen war es ein wenig dunkel. BergZwerge sind in jedem Fall sehr feuerresistent und können Erze nur durch ihre Anwesenheit schmelzen. Ich ass sehr viele Salzlakritzen und las. Alle kotzten. Mittelerde war am Olsokai gerettet.
(Fortsetzung folgt: Einlagern von Radioaktivem Abfall. Penetration, /Mutter/Erde als missbrauchter Körper…Arkade fire:
Someone told me not to cry.
Now that I´m older,
that it was a lie.“)
Die Analogue Zone ist ein Langzeit-Filmkunstprojekt über analoge Filmarbeit, bei dem über 40 Filmemacher_innen, Künstler_innen und Amateur_innen aus Ägypten, Deutschland und Griechenland teilgenommen haben. Die Filme wurden in den unterschiedlichen Laboren in Berlin: Labor Berlin!, Kairo, Athen selbst entwickelt. Viele so entstandene Filme waren mit bewegten Projektoren gleichzeitig zusammen in einem dunklen Raum projiziert. In der Mitte der Zuschauergruppe spielten zwei Leute Bass. Jeder Projektor wird bei der Präsentation von einem Mensch gehalten. Das Licht flackert über die Gesichter der Filmemacher, als hielten sie Fackeln. Tatsächlich aber wird das Licht zu Bildern die sich bewegen, die springen. Ja klar: Filmemachen, wie konnte ich zweifeln?
Irische Bergarbeiter fahren aus einem Bergwerk in Virginia auf.
Völlig anders als der heute in Göttingen lebende Arztsohn Vesper schreibt der einst in Märkisch-Buchholz lebende s udetendeutsche Arbeitersohn Franz Fühmann über den Bergbau und das gesellschaftliche Drumherum in seinem unvollendeten B ericht „Im Berg“. „ Wenn meine Mitschüler sich in die Prärie oder die Südsee sehnten oder zu Karl May ins wilde Kurdistan, so ich mich in die grauen Fabriken, die ich von meinem Zimmer aus sah; die Welt der Anderen, die andere Welt.“ Sein Text aus dem Nachlaß handelt von den Kupfergruben im Mansfeldischen, in die Fühmann ab 1973 studienhalber einfuhr. Das Buch darüber wollte er 1992 veröffentlichen – und das geschah auch, er selbst war jedoch schon 1984 gestorben – ähnlich wie Werner Bräunig a m Alkohol . In seinem Testament beklagte er, mit seiner Arbeit gescheitert zu sein, auch „in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, wie wir sie alle einmal erträumten.“ Die parteiergebenen Schriftsteller-Kollegen Hermann Kant und Dieter Noll bat er, seinem Begräbnis fern zu bleiben. Sein vergrübeltes Buch „Im Berg“ enthält mir inzwischen zu viel „Philosophisches“ und zu wenig „Beobachtetes“, u.a. kommt er immer wieder auf die problematische Kluft zwischen den Kopfarbeitern – den Künstlern – und den Handarbeitern – de r Arbeiterklasse – zurück, über die er tagsüber Unter Tage und Nachts in seinem Hotelzimmer räsoniert . Fühmann hat es sich nicht leicht gemacht. 1958 begann er bereits mit den ersten „Arbeitsaufenthalten“ – bei der Volkspolizei, in LPGs, im Kalibergbau. „’Wer bezahlt’n dir denn dein Hotelzimmer?‘ – das war eine der ersten Fragen, die mir die Kumpel im Kali stellten ; sie sahen mich als getarnten Zeitnehmer.“ 1959 Warnow-Werft, 1961 machte er seinen „Schweißerpaß“, 1963 Baustelle Guben (vom Chemiefaserwerk), 1964 „Brief an den Kulturminister zu Schaffensproblemen“, 1967 Zweite Riesengebirgsreise, 1968 längerer Aufenthalt in der LPG Wustrau und im Reglerwerk Teltow, Redaktion der Teltower Werkschronik, 19 7 3 im Mansfeldischen Kupferbergwerk.
Hier in Sachsen-Anhalt wie auch in den anderen Betrieben fallen dem Schriftsteller, es Sergej Tretjakow und dessen Kolchos -Faktographie „Feld-Herren“ nachtuend, sofort Verbesserungen ein: „ Wir fahren auch diese Woche wieder ins Nordfeld. 75 Minuten hin, 75 Minuten zurück, die als Arbeitszeit gelten, doch wir würden lieber die volle Schicht häuen. Als täglich zweieinhalb Stunden dösend in einem Waggon zu sitzen.,,Der Wagen rumpelt und so manches Mal habe ich mir gedacht, vorne in der Lok sitze einer und erzähle Geschichten, und ein Zugfunk übertrage sie in alle Waggons. Einen Zugfunk könnte man unschwer einrichten…Natürlich gedachte ich mich um dieses Amt zu bewerben, und natürlich würde ich Bergmannsgeschichten erzählen: ‚Die Bergwerke zu Falun‘ nach E.T.A.Hoffmann; ‚Der Alte vom Berge‘ nach Ludwig Tieck; die Bergszenen aus „Heinrich von Ofterdingen“ von Novalis; ‚Unverhofftes Wiedersehen‘ nach Johann Peter Hebel; ‚Die vier Norweger‘ nach Henrik Steffens -: Der Bergmann war eine Schlüsselgestalt der Romantik; ich hatte über dieses Thema kürzlich in der Gewerkschaftsbibliothek gesprochen, ebenso über die Bedeutung der Geologie als Leitwissenschaft einer Umbruchzeit.“.
„Mein Quartier [das Hotel „Zur Kaiserpfalz“] war vorsorglich gesichert; Montag ging es los, zum Wochenende würde ich die Landschaft über der Grube durchstreifen, mir die Stadt ansehn, Ortsgeschichte lesen, mich mit der Bergmannssprache befasse, dazu müßte es in der Bibliothek etwas geben…“/ Ihm fällt auf, dass in der Galerie der „Arbeitshelden ausschließlich Porträts von Männern“ hängen; „arbeiteten unter Tage nicht auch Frauen? – Kollege Asmus winkte ab. – Schon lange nicht mehr, da sei zu viel passiert. Was denn? – ‚Nun, was schon!‘ antwortete er, und erwähnt dann eine schwangere Journalistin, die vor Ort Platzangst bekommen hätte, „seitdem sei die Grube für Frauen gesperrt.“/ Der Obersteiger geleitete Fühmann zu „seiner“ Brigade unter Tage: „Die Strecke wurde rasch niedriger. – ‚Jetzt brauchen wir uns bloß zu bücken‘, sagte mein Führer, ‚aber bald werden wir watscheln wie die Enten, und dann werden wir kriechen wie die Schlangen!‘ Vor Ort seien die Strecken 80 Zentimeter hoch, da das Kupferflöz, das man gewinne, nur 27 Zentimeter mächtig sei…darüber ein Mergelkalk, der ‚Dachklotz‘, und eine Kalkschicht, die ‚Fäule‘ heißt.“ Strecke, Strebe, Stollen sind waagerecht, Schächte senkrecht. „Durch den Schacht vollzieht sich der Stoffwechsel der Grube.“/ „Zum Anhaltinischen hin wird Kupfer, dem Thüringischen zu Kali gebrochen…“
In der Bergmannskneipe, u.a. mit dem Grubenarzt und einigen anderen zusammensitzend, stolpert ihnen ein Volltrunkener entgegen, die anwesenden Frauen sind empört: Wie kann man sich so gehen lassen? Es ist Dr. Bräuer, Fachmann für Bergbau-Berufskrankheiten, wird Fühmann vom Arzt aufgeklärt, und der hat Grund zum Saufen: „Geschiedene Ehe, rasche Neuvermählung der Frau, dem nun Alleinstehenden wird schon über ein Jahr kein neuer Wohnraum zugewiesen.“ Jetzt muß er ständig mit ansehen und -hören, wie seine ehemalige Frau sich mit ihrem neuen „potenteren Partner“ vergnügt. „Sie begehrte jenes Leben, das, vollkommen im Äußerlichen verharrend, jenen als ‚Leben‘ schlechthin erscheint, die vollkommen in Äußerlichkeiten aufgehn.“ Fühmann erwähnt „Einkauf der Waren des ‚gehobenen Bedarfs‘ im DELIKAT-Laden, gar im INTERSHOP, Partys in einer Neubauwohnung…Ein Dacia oder wenigstens Wartburg de luxe, mattweiß gespritzt, mit einem orangenen Streifen halbhoch rund um die Karosserie, mit einer fünfstufigen Hupe, und rosé oder leopardenen Innenüberzügen…Daß dies Glück schal ist, braucht man nicht zu betonen; es ist schal, denn es quillt nicht aus dem Werden; es bewegt sich im Additiven des Immer-Gleichen, und der Begriff des Fests ist ihm wesensfremd.“ (Darauf folgt eine Definition des Fests.)
Die Redakteurin des „Grubenecho“, der Betriebszeitung des Nappian-Neucke-Schachts („ob unter Tag, ob über Tag, ein jeder es gern lesen mag“) will Fühmann interviewen. Umgekehrt läßt er sich vom Obersteiger August Kuhn dessen Leben erzählen: 1920 geboren, Soldat von Anfang an bis zum Ende, „und dann mußten wir ja aus Schlesien raus“, Heirat, das Mansfeld-Kombinat stellt ihn in Hettstedt als Kraftfahrer ein, danach in Sangerhausen als Häuer, dann seine Laufbahn in Tullroda, „wo er sich ein eigenes Haus baut, mit einem Stück Garten, Obstbäume und Sträucher, er braut einen Kirsch-Johannisbeer-Schnaps…“ Fühmann fragt sich darob: „Kann man von solchen Leben sagen, sie seien mehr Objekt statt Subjekt, mehr gewirkt als selbstbestimmt? In allen entscheidenden Knotenpunkten – die freilich in seiner Darstellung nicht so erschienen – fand sich bei ihm sehr viel mehr Selbstbestimmung als etwa in meinem Leben, und beim Durchdenken all dieser Befunde fand ich mich plötzlich vor der blödsinnig anmutenden Frage, ob ich eigentlich auch zum Volk gehörte. Daß er dazugehörte, daran gab’s keinen Zweifel – unzweifelhaft, dass er zur Arbeiterklasse gehörte, und die gehörte ja in corpore zum Volk…Unzweifelhaft auch, dass zum Begriff des Volkes der Begriff der Arbeit gehörte… Und Unten und Oben, galten diese Begriffe überhaupt noch?“ Und sind „literarische Porträts“ hier und heute nicht überhaupt ein mieses Genre? Trotzdem beschloß Fühmann, „so etwas wie ein sozialistisches Herrscherlob zu inaugurieren…Aber welche poetologischen Mittel taugen für ein ‚Arbeiterlob‘?“ Und dann die Gefahr der „Selbsterhöhung“ darin, die im „Schuldgefühl des Intellektuellen“ wurzelt – „als ein ’nicht physisch Tätiger‘ den körperlich Arbeitenden gegenüber letztlich ein Parasit zu sein.“
„Ein Schlauch führte Wasser bis vor Ort, das Schaufelgut wurde ausgiebig besprengt, der Bergmann hat die Wahl zwischen Staub und Nässe, will sagen: Staublunge und Rheumatismus. – Ich spaltete mit gierigen Blicken die Schiefer, vielleicht stak im Flöz ein Fossil…“/Neben mir hockte der Arbeitsinspektor und bemühte sich, mir nicht aufs Blatt zu sehen…Im Beinstreb, tief unten, die Sprenglochbohrer; mir schien es sinnvoller, dort zuzuschauen, doch beleidigte ich nicht die Brigade, wenn ich, kaum angekommen, mich wieder entfernte?“/ „Und plötzlich begriff ich die Echtheit des Anspruchs, den jeder Häuer auf seiner Stirn trug, den ich überm Portal des Kultursaals gelesen und der mit bislang als Hochmut erschienen: ‚Ich bin ein Bergmann, wer ist mehr!’“
800 Jahre lang wurde im Mansfelder Land zwischen Eisleben und Aschersleben Bergbau betrieben. Über 3000 Schächte gruben die Bergarbeiter dort in die Erde und zweieinhalb Millionen Tonnen Kupfer förderten sie dabei zu Tage. Bis zum Ende der DDR waren im VEB Mansfeld Kombinat und in den umliegenden Betrieben 13.000 Menschen beschäftigt.
2000 heißt es in einer Reportage des „Freitag“ über die Region: „Noch nie in der 800-jährigen Bergbaugeschichte war das Gebiet so tot wie heute. Junge Leute verlassen die Stadt, gehen über den Harz in den anderen Teil Deutschlands. In manchen Monaten beträgt die Arbeitslosigkeit bis zu 50 Prozent.“
2005 schickte dagegen die ARD ihren Altreporter Fritzt Pleitgen ins Mansfelder Land, um dort doch wenigstens einige „Erfolgsgeschichten“ aufzuspüren: „So baut ein Winzer auf einer Braunkohlenhalde ertragreich Wein an. Das Werk MKM mit 1000 Mitarbeitern hat sich die modernste Kupferfertigung der Welt zugelegt. Die Firma gehört nun einer Aktiengesellschaft aus Kasachstan. Mit viel Mut haben ehemalige Kombinatsmitarbeiter eine europaweit einzigartige Reparaturwerkstatt für Dampflokomotiven aufgebaut. Und schließlich die Nonnen des Zisterzienser-Ordens im Kloster Helfta! Sie haben in Luthers Eisleben für ein Comeback der Katholischen Kirche gesorgt, das bei meinem ersten Besuch 1981 niemand auf der Rechung hatte.“
Nach Ende des Ersten Weltkriegs und der Revolution von 1918 fanden hier die heftigsten Klassenkämpfe statt. 1921 schickte die SPD-Regierung Einheiten der gerade neu organisierten preußischen Polizei nach Hettstedt und Eisleben, um den Unternehmern die dortigen Betriebe zu erhalten. Teile der Arbeiterschaft in der Region reagierten darauf mit Streiks und Betriebsbesetzungen. Einen Mittelpunkt bildete das Chemiewerk in Leuna. Die kommunistischen Parteien waren sich nicht sicher, wie sie auf diese Situation reagieren sollten. Unter Druck der Kommunistischen Internationale wurde halbherzig zu einem deutschlandweiten Generalstreik aufgerufen, der nur wenig Resonanz fand. Außerdem wurden einige Funktionäre in die Region entsandt. Auf der anderen Seite schickte die SPD-Regierung Freikorps, in einem kämpfte der spätere SS-Massenmörder Dr. Dirlewanger – insbesondere gegen die Arbeiterwehren, die der herbeigeeilte KAPD-Kämpfer Max Hoelz organisiert und bewaffnet hatte. Diese überzogen laut Wikipedia „die Region um Mansfeld, Eisleben und Hettstedt mit Brandstiftungen, Plünderungen, Bankraub und Sprengstoffattentaten sowie Zugentgleisungen und Sprengungen von Eisenbahnstrecken.“ So kann man das auch sehen – sagen. In den Leunawerken verbarrikadierten sich die Arbeiter gegen die Reaktion.
Der Aufruf zum Generalstreik durch die KPD-Bezirksleitung wurde nach und nach im gesamten Bergbaugebiet Mansfeld-Eisleben befolgt. Nach weiteren Bombenanschlägen gegen Justizgebäude in Dresden, Leipzig und Freiberg sowie blutigen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei in Hamburg verhängte Reichspräsident Friedrich Ebert den Ausnahmezustand. Im mitteldeutschen Industriegebiet verschärften sich daraufhin die Kämpfe, die nun auch auf Halle, Merseburg und Bitterfeld übergriffen. Polizei, Regierungstruppen und Freikorps setzten sich jedoch durch und schlugen die Aufstände blutig nieder. Die Besetzung der Leuna-Werke wurde mit Artilleriebeschuss und der Erstürmung des Werksgeländes beendet. Am 1. April 1921 wurde die letzte, von Max Hoelz geführte Gruppe von Aufständischen bei Beesenstedt zersprengt – und Hoelz wenig später zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, auf Druck der Öffentlichkeit amnestierte man ihn aber 1928, ein Jahr später emigrierte er in die UDSSR, wo er 1933 unter nicht geklärten Umständen starb.
Gegen Ende der Zwanzigerjahre waren die Menschen im Mansfeldischen fast in zwei Lager gespalten: Kommunisten und Nationalsozialisten. Die einen wie die anderen wurden von Inflation und Arbeitslosigkeit bedrückt. Unterdes hatte sich die Sowjetunion zum Haupteinwanderungsland entwickelt: Sie zog Arbeitskräfte aus allen Industrieländern an. Überall entstanden neue Fabriken. In dieser Situation schrieb Otto Brosowski, der Sekretär der KPD-Betriebszelle des Paul- und Vitzthum -Schachtes bei Gerbstedt im Mansfeldischen, der Parteizentrale des Dzierdzynski-Schachtes im ukrainischen Kriwoi Rog einen Brief, in dem er an die Solidarität der Bergarbeiter apellierte. In der Folgezeit entwickelte sich daraus eine gewisse Verbundenheit zwischen den Belegschaften der zwei Schächte. 1929 schickten die Kommunisten des Bergwerkes im Donbass eine reich bestickte rote Fahne nach Gerbstedt. Sie wurde vom kommunistischen Landtagsabgeordneten Karl Schulz aus Neukölln feierlich – mit Reden, Musikzügen und Fackelumzug – an Otto Brosowski übergeben. In den darauffolgenden Jahren wurde die „Rote Fahne von Kriwoi Rog“ bei allen Arbeiterdemonstrationen im Mansfelder Land mitgeführt.
Die Nationalsozialisten waren ebenso scharf auf Symbole wie die Kommunisten. Sie versuchten die rote Fahne aus Kriwoi Rog zu „besiegen“. Am 12. Februar 1933 überfielen SA- und SS-Angehörige eine Arbeiterturnhalle in Eisleben. „In dieser Turnhalle fand gerade eine Jugendweiheveranstaltung – von der Kommunistischen Partei Deutschlands organisiert – statt. Die Männer der SA und der SS gingen mit äußerster Brutalität – teils mit Spaten – gegen die Anwesenden vor. Walter Schneider und Otto Helm wurden erschlagen. Sie verstarben noch in der Turnhalle. Der Bergarbeiter Hans Seidel wurde schwer verletzt. Er verstarb am folgenden Tag im Knappschaftskrankenhaus in Eisleben. Der in der DDR später bekannte KPD-Funktionär Bernhard Koenen verlor ein Auge. Dieser als ‚Eislebener Blutsonntag‘ in die Geschichte eingegangene Überfall forderte 3 Tote und 26 Schwerverletzte. Es war das erklärte Ziel der Mansfelder Nationalsozialisten, die Fahne von Kriwoi Rog in ihren Besitz zu bringen und auf dem historischen Marktplatz von Gerbstedt zu verbrennen. Die Familie Otto Brosowskis wurde von nun an mit Hausdurchsuchungen terrorisiert. Die Fahne aber blieb unauffindbar,“ heißt es auf der Internetseite „www.harz-saale-de“.
1945 eroberten zunächst die Amerikaner das Mansfelder Land. Als dann die Rote Armee einmarschierte, ging ihnen die Familie Brosowski mit der unversehrten „Fahne von Kriwoi Rog“ entgegen. Der Maler Karl Kothe hat diesen historischen Augenblick 1953 im Auftrag des Mansfeldkombinats in einem Gemälde festgehalten. Eine in Keramik gefasste Kopie des Bildes hing bis zur Wende in der Halle des Dessauer Bahnhofs.
Zu Ehren von Otto Brosowski wurde dann der „Paulschacht“ und im Jahre 1971 die Oberschule in Gerbstedt benannt. Der Schacht mußte 1961 stillgelegt werden, die Otto-Brosowski-Oberschule existiert heute noch als Sekundarschule, sie wurde nach der Wende jedoch – ausgerechnet – auf den Namen des Grafen Schenck von Stauffenberg umbenannt. (1) Die „Fahne von Kriwoi Rog“ kam in das „Deutsche Historische Kohl-Museum“ nach Berlin. Das „Kombinat Mansfeld“ wurde in der Wende von der Treuhandanstalt erst in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und dann 1993 aufgelöst. (2)
Bereits 1960 hatte der Arbeiterschriftsteller Otto Gotsche die Fahnen-Geschichte zu einem Roman verarbeitet: „Die Fahne von Kriwoj Rog“. Im selben Jahr machten Inge und Heiner Müller daraus ein „Szenarium“ für das DDR-Fernsehen: „Müller und seine Frau Inge saugten aus dem Gotsche-Dickleiber alles ideologische Geröll heraus und bauten ein durchsichtig-klares Kammerspiel,“ schreibt „Die Welt“….Inszeniert wurde es dann auch von einem Theaterregisseur: von B.K.Tragelehn. Sieben Jahre später wurde der Roman für das Kino verfilmt – von Kurt Maetzig, mit Erwin Geschonnek als Otto Brosowski. Der Roman beginnt 1927, der Film 1945 – als die Brosowskis die Fahne auch noch für kurze Zeit vor den amerikanischen Besatzungstruppen verstecken mußten. (3)
1952 war in der DDR bereits ein sowjetischer Roman – von Alexej Gurejew – erschienen, der „Rote Sterne über Kriwoirog“ hieß. Im Mittelpunkt dieses Aufbauwerks steht die Entwicklung eines südukrainischen Bergarbeiters, der noch zu quasi vorrevolutionären Arbeitsbedingungen – zu Beginn des ersten Fünfjahresplans 1928/29 – in einem Schacht als Pferdeführer anfing – und sich dann durch Selbstschulung und -disziplinierung stetig hocharbeitete. Während des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion kämpfte er als Soldat an der Front, ab 1944 beteiligte er sich am Wiederaufbau der zerstörten Anlagen des „Bergbau-Trusts Kriwoj Rog“. Der Romantitel bezieht sich auf den dortigen Brauch, auf jeden Förderturm einen roten Stern anzubringen, der aufflammt, wenn die Schicht ihre Tagesnorm erfüllt hat.
Die Erzschächte von Krivoi Rog gehörten vor der Revolution zumeist ausländischen Investoren, aus Frankreich u.a.. Im Bürgerkrieg nach 1917 wurde die Region mehrmals von den Weißen eingenommen, und anschließend von den Grünen – den anarchistischen Partisanen um Nestor Machno – zurückerobert. Ihr Hauptquartier Guljajpole befand sich ebenfalls in der Südukraine, 280 Kilometer entfernt von Kriwoi Rog. Gegen Ende des Bürgerkrieges nachdem sie auch noch den von der deutschen Heeresleitung als Führer der Ukraine eingesetzten Ataman Skoropadsky vertrieben hatten, wurden auch die Machno-Truppen besiegt – von den zunächst mit ihnen verbündeten Roten. Machno selbst gelang die Flucht nach Paris, wo er 1934 starb. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten die Sowjets die Schächte, damit sie nicht von den erneut in die Ukraine eingefallenen Deutschen ausgebeutet werden konnten. Diese versuchten einige wieder in Betrieb zu nehmen. Als sie sich jedoch 1944 wieder von dort zurückziehen mußten, sprengten sie diese Schächte und noch so manches andere. Im Jahr darauf mußten deutsche Kriegsgefangene einiges wieder aufbauen.
Seit Maxim Gorki den Schriftstellern in den Zwanzigerjahren vorschlug, Biographien von Fabriken zu verfassen, entstanden in der Sowjetunion eine ganze Reihe von Betriebsgeschichten. Erwähnt sei der während des ersten Fünfjahresplans veröffentlichte und 1952 auf Deutsch erschienene Aufbau-Roman von Mariette Schaginjan: „Das Wasserkraftwerk“. Ferner Anton Semjonowitsch Makarenkos verfilmter Bestseller über den Aufbau einer „Kolonie“ für verwaiste Kinder und Jugendliche: „Der Weg ins Leben“, das sich wesentlich von seinem darauffolgenden Roman „Flaggen auf den Türmen“ unterscheidet, in dem es um die Realisierung seines zweiten Projekts – einem Industrieobjekt für Jugendliche – geht, und das bis in die Sprache bereits ganz von „Planerfüllung“ durchdrungen ist. Dann das Buch „Die Baugrube“ vom sowjetischsten aller sowjetischen Schriftsteller Andrej Platonow, der darin wie auch in seinen anderen Werken schon sehr genau zwischen einem Emanzipations- Projekt und einer -Bewegung unterschied. „Scheißkerl!“ schrieb Stalin an den Rand eines seiner Manuskripte. Außerdem Wassili Ashajews Bestseller über eine sibirische Großbaustelle: „Fern von Moskau“, zu dem Alexander Solschenizyn in seinem Buch „Der Erste Kreis der Hölle“ anmerkte, dass es ein verlogenes Machwerk sei, denn ohne dass es erwähnt wird, ginge es darin um ein Zwangsarbeitslager in Sibirien – „vielleicht sogar von einem Sicherheitsoffizier geschrieben“. Schließlich Fjodor Gladkows Bestseller „Zement“, aus dem Heiner Müller 1972 ein Theaterstück machte. Gladkow hatte sein Werk bei jeder Neuauflage überarbeitet – und dabei aus den Alltags-Dialogen sukzessive Sonntags-Reden, d.h. eine trockene Funktionärssprache, gemacht. Walter Benjamin, der das Buch in den Zwanzigerjahren las, hatte den Autor gerade deswegen gelobt, weil er ihm als der Erfinder eines bolschewistischen Argot galt. Für seine Bühnenfassung gab Heiner Müller daraufhin zusammen mit Fritz Mierau die erste Übersetzung von 1927 noch einmal – quasi heimlich – heraus. Schließlich sei noch der Aufbauroman „Das Sägewerk“ von Anna Karawajewa aus dem Jahr 1927 erwähnt. Kürzlich erschien auf Deutsch ein polnischer Roman von Daniel Odija, der ebenfalls „Das Sägewerk“ heißt. Es geht darin um die Bewohner eines Kolchosdorfes mit einer Kolchosensiedlung, aber seit der Wende ohne Kolchose, dafür jedoch mit einem neuen Sägewerk, das ein Projektemacher (Businessman) aufbaut und womit er einige neue Arbeitsplätze schafft. Er wird mächtig und kann sogar Politikern die Stirn bieten, aber nach einer Reihe von Fehlschlägen geht es bergab. Am Ende zündet er sein Werk an, damit es nicht seinen Gläubigern in die Hände fällt. Es ist keine Werks-Biographie sondern die Geschichte eines Unternehmers im neuen kapitalistischen Polen.
Zum Genre Fabrik-Biographien gehört der Roman „Rote Sterne über Kriwoirog“. Als er 1952 auf Deutsch erschien, begann man in der DDR ebenfalls an die Veröffentlichung von Fabrikbiographien zu denken. Dazu sollten sich die Künstler ab 1959 gemäß des „Bitterfelder Weges“ in die Produktion begeben. Heiner und Inge Müller recherchierten in diesem Zusammenhang ein Jahr lang im Braunkohleveredlungsbetrieb „Schwarze Pumpe“. Das aus dem Berliner Glühlampenwerk hervorgegangene Kombinat Narva veröffentlichte seine Betriebsbiographie, immer wieder erweitert, unter dem Titel „Arbeiter machen Geschichte“, Ähnliches unternahm auch das Bischofferöder Kaliwerk „Thomas Müntzer“. Die Wolfener Filmfabrik ORWO gab eine ganze Schriftenreihe in eigener Sache heraus. Nach der Wende erschien noch ein üppiges Geschichtswerk über das „Eko-Stahlwerk“ in Eisenhüttenstadt und 2015, als das Werk in den Besitz des indischen Stahl-Magnaten Mittal gelangt war, eine „Autobiographie: EKO-Stahl für die DDR – Stahl für die Welt: Kombinatsdirektor und Stahlmanager“
Fabrikbiographien gab es dann auch über den in der Zwischenzeit abgewickelten Westkonzern „AEG“ sowie über dessen einstigen Moskauer „Milchbruder“: „Elektrosawod“ – u.a. von Wladislaw Hedeler. Im Westen bestand dieses Genre zumeist aus Unternehmerbiographien bzw. Firmenwerbung. Erwähnt seien die Geschichten von Siemens, der Deutschen Bank, Hapag-Lloyd und BBC/ABB (von Werner Catrina). Zumeist ließen die Konzerne sie von dafür bezahlten Historikern verfassen. Daneben gab es jedoch auch einige kritische Betriebsgeschichten: u.a. das „Daimler-Benz-Buch“, „Das Glühbirnenbuch“, „Die Aldi-Welt“ und ein von Michael Gromm im Selbstverlag herausgegebenes Buch über die Braunkohleförderung in der Lausitz und den Konzern „Vattenfall“: „Horno – ein Dorf leistet Widerstand“ (von Michael Gromm). Zuletzt erschien noch ein ähnliches Geschichtsbuch über „Heuersdorf“, hierbei hatte jedoch schon der Energiekonzern Vattenfall die Redaktionsführung.
1986 schrieb der Haushistoriker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „überall, auch an den Leitungen, aus denen die Bundesrepublik sowjetisches Erdgas bezieht, kleben das Blut, der Schweiß und die Tränen von Heeren sowjetischer Arbeitssklaven“. Das war zur Begründung des von den USA verhängten „Röhrenembargos“ behauptet – und vulgärantikommunistisch gelogen. Um die Gas-Pipeline zwischen dem sibirischen Gasfeld auf der Halbinsel Jamal und der Ukraine, der Tschechoslowakei sowie der DDR dennoch bauen zu können, verpflichteten sich die sozialistischen Bruderländer, bestimmte Bauabschnitte zu übernehmen. Die DDR übernahm einen Abschnitt in der Ukraine und später auch noch im Ural. Die Arbeitsplätze dort in den Luxuslagern waren „Kampfplätze gegen den Imperialismus“: Statt Blut, Schweiß und Tränen gab es ein fröhliches Lagerleben, mit jede Menge Sondervergütungen und Privilegien daheim. „Einmal Trasse – nie mehr arm!“ So wurde ein Arbeitseinsatz in der Sowjetunion gesehen. „Wenn am Flughafen Schöneberg einer zu mir ins Auto stieg und sagte ‚Einmal Leibzig‘, dann wußte ich: der kommt von der Erdgastrasse.“ So ein Taxifahrer über die „Trassenbauer“. Sie errichteten im Ural ganze Siedlungen, Heizwerke, riesige Fabriken und Verdichterstationen für das Gas. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit sollte sich dann beim Bau des größten „Bergbau- und Aufbereitungskombinats Kriwoi Rog“ in der Ukraine fortsetzen…
Über dieses riesige Projekt gibt es nun ein wunderbares, dickes Buch „Das eiserne Problem des Sozialismus, Ukrainisches Erz zum hohen Preis“ (Schibri-Verlag 2009). In ihm erzählen die am Bau des BAK Kriwoi Rog Beteiligten – vom Kind bis zum Direktor und Minister – die Geschichte ihrer Zusammenarbeit vom Anfang bis zum bitteren Ende – d.h. bis heute. Auf deutscher Seite war das „Mansfeld Kombinat“ in Sachsen-Anhalt für die Durchführung des Projekts zuständig.
(1) Über den vielleicht klügsten aller deutschen Juden- und Kommunistenvernichter Stauffenberg, der den deutschen Krieg mit einem sowjetischen Bürgerkrieg flankieren wollte, schrieb Bertolt Brecht am Tag nach dem Hitler-Attentat in sein Arbeitsjournal: „als etwas über die blutigen vorgänge zwischen hitler und den junkergenerälen durchsickerte, hielt ich für den augenblick hitler den daumen; denn wer, wenn nicht er, wird uns schon diese verbrecherbande austilgen? zuerst hat er dem herrnklub seine SA geopfert, jetzt opfert er den herrnklub, und was ist mit der ‚plutokratie‘? die deutsche bourgeoisie mit ihrem junkergehirn erleidet einen gehirnschlag (die russen marschieren auf ostpreußen.)“
(2) Das „Mansfeld Kombinat Wilhelm Pieck“ bestand aus 19 Werken:
4. Berliner Metallhütten- und Halbzeugwerke,
7. Eisen- und Hüttenwerke Thale,
9. Forschungsinstitut für Metalle Freiberg,
19. Werk für Anlagen- und Gerätebau Eisleben / Hettstedt
Der Betriebsratsvorsitzende des Mansfeld Kombinats erzählte mir nach der Wende, dass sie sich als Vertreter der 13.000 Mitarbeiter noch vor den ersten Massenentlassungen – von der Treuhand „Großflugtage“ genannt – eine Alternative zu den von oben nach unten durchgestellten und dann dort zusammen mit den Betriebsräten exekutierten Entlassungsquoten ausdachten: „Wir entlassen alle Bereichsleiter und die sollen sich mit ihrer jeweiligen Produktion und den dort Arbeitenden selbständig machen.“ Der Betriebsrat fand dafür Unterstützung bei einem der von der Treuhand eingestellten Westgeschäftsführer der nunmehrigen Mansfeld AG. Als sie zusammen die Landesregierung zwecks finanzieller Förderung angingen, stießen sie auf den entschiedenen Widerstand des damaligen FDP-Wirtschaftsministers: „Das ist Marktwirtschaft von oben – und kann so nicht funktionieren!“ Die „Mansfeld-Idee“ konnte sich jedoch trotzdem durchsetzen – und das Aluminium-Werk mit über 200 Mitarbeitern wurde ebenso ausgegründet wie die Kombinats-Schusterei mit 2 Mitarbeitern. Als diese Betriebe nach einem halben Jahr noch immer existierten, veröffentlichte der Wirtschaftsminister unter seinem Namen ein Buch mit dem Titel „Das Mansfelder Modell“. Der Betriebsratsvorsitzende meinte zu dieser Sauerei bloß: „Der Erfolg hat eben viele Väter.“
Die Bergbaubetriebe der Region wurden nach 1945 als erstes zum Kombinat Mansfeld zusammengefaßt. In Kriwoi Rog entstand zur gleichen Zeit im dortigen Hüttenkombinat der größte Hochofen der Welt. Ringsum wuchsen die Abraumhalden im Laufe der Zeit auf einige Milliarden Tonnen an. 1969 beschloß man, ein Aufbereitungskombinat dafür zu bauen. Mehrere RGW-Länder sollten sich daran beteiligen, ihre Bauleistungen sollten mit Eisenerz bezahlt werden. 1983 unterzeichneten vier Länder die Verträge. Obwohl bis dahin nie mit einem solchen Exportprojekt befaßt, wurde das Kombinat Mansfeld – wegen Brosowski und der roten Fahne – verpflichtet, den DDR-Teil des RGW-Vorhabens „BAK Kriwoi Rog“ zu steuern. Es gründete dazu in Berlin den „VEB Mansfeld Generallieferant Metallurgie“ (MGM).
Im Prinzip war dies ein ähnliches Gemeinschaftsprojekt wie die Gastrasse von Sibirien in die DDR, nur dass um die „Druschba“-Abschnitte, die zu bauen die DDR übernommen hatte, jede Menge Propaganda gemacht wurde, während das „BAK“ großenteils geheim war, zudem liegt Kriwoi Rog im Oblast Dnjepropetrowsk, der für Ausländer gesperrt war. Es arbeiteten dann auch viele Leute von der Gastrasse auf der BAK-Baustelle. Zunächst wurde jedoch erst einmal ein Bauarbeiterdorf in Dolinskaja 50 Kilometer entfernt von Kriwoi Rog errichtet. Zusammen mit dem „Definitivbau“ ergab das dann ab Mitte der Achtzigerjahre die größte Baustelle der Welt.
Das BAK ist jedoch heute noch nicht fertig. Erst verschwanden die Vertragspartner Sowjetunion und DDR, an ihre Stelle traten Ukraine und BRD. Dann galten plötzlich Weltmarktpreise, an denen gemessen das aufbereitete Eisenerz zu teuer wurde, so dass sich die BRD nach Abwicklung des Mansfeld Kombinats 1992 aus Kriwoi Rog zurückzog. Die ukrainische Notverwaltung des halbfertigen BAK schöpfte zwar Hoffnung, dass weiter gebaut werden würde, als die Stahlpreise ab 2002 stiegen. Die Kiewer Regierung verhandelte bereits mit dem größenwahnsinnigen Inder Lakshmi Mittal, der schon Nova Huta erworben hatte. Aber mit der Wirtschaftskrise sanken nun die Chancen zum Weiterbau wieder gegen Null. Dafür hat jetzt einer der DDR-Baustellen-Dolmetscher, Rolf Junghanns, u.a. mit Geldern der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine der wunderbarsten Industrieprojekt-Geschichten über das „BAK Kriwoi Rog“ veröffentlicht: Über 80 ehemalige Kollegen, russische Partner, westdeutsche Abwickler, Frauen und Kinder aus Dolinskaja kommen darin zu Wort. Seitdem Maxim Gorki die Idee verbreitete, Biographien von Fabriken zu schreiben, hat es so ein interessantes (und dickes) Buch noch nicht gegeben – und das, obwohl die Fabrik noch nicht einmal in Betrieb ist.
(3) Von Otto Gotsche gibt es auch noch die Geschichte „Zeche Pluto“, die von einem Vorkommnis Unter Tage im Mansfeldischen handelt, und im „Magazin für Alle“ 1933 erschien, sie wurde 1980 im Sammelband 1 „Wir sind die Rote Garde“ wiederveröffentlicht. Darin findet man an Bearbeitungen des Themas „Bergarbeiter“ außerdem noch: 1. das Gedicht „Bergarbeiter“ von Kurt Barthel (Kuba) – zuerst veröffentlicht in „Das Wort“ (1938). Der gebürtige Chemnitzer war ab 1933 Reporter der „Roten Fahne“ im tschechoslowakischen Exil, als DDR-Schriftsteller bekam er später mehrmals den Nationalpreis. 2. ein Gedicht von Hanns Vogt: „Nachtschicht“ („…Unsere Grubenlampe ist unsre Sonne. Wir haben sie in die Zähne geklemmt…Grubenpferde sind wir..Es hat keinen Sinn – Dies Leben ohne die Sonne… Zehn Jahre schon Nachtschicht.“). Vogt veröffentlichte 1928 das „revolutionäre Drama“ vom Kampf der Ruhrarbeiter gegen die französische Besatzungsmacht: „Streikbrecher“, wofür er einen Preis von der „Linkskurve“ erhielt. Das Gedicht „Nachtschicht“ veröffentlichte er 1930 in der „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ (AIZ). 3. eine Erzählung von Hermynia zur Mühlen: „Was die Kohle erzählt“. Die Autorin schloß sich 1921 der proletarischen Kulturbewegung an, veröffentlichte mehrere sozialkritische Romane mit „parteilichem Gehalt“ und ging 1933 in englische Exil, wo sie bis zu ihrem ‚Tod 1951 blieb. In ihrer Kurzgeschichte unterhalten sich einige kleine Kohlestücke über ihr Woher und Wohin, sie wurde 1921 in „Der Junge Genosse“ veröffentlicht.
Der „rasende Reporter“ der AIZ, Egon Erwin Kisch, ist in dem Sammelband mit einem kurzen Sozialreportage über „Belgiens Kohlenland“ (1929) vertreten. Es geht darin um die Ausbeutung und die Unglücke der Bergarbeiter in den Schächten der wallonischen Kohlegruben. Der „Spiegel“ schrieb 1978: „ Die Kohleförderung sank [dort] um 90 Prozent, die Zahl der Kumpel um 91 Prozent; das Pro-Kopf-Einkommen, 1955 noch fünfmal so hoch wie das eines Süditalieners, erreicht nur noch knapp das Doppelte: Belgiens Südregion Wallonien, einst Quelle von Reichtum und Macht des kleinen Königreichs, ist unproduktiv geworden und verfällt… Aber a us Walloniens Provinzen, deren sterbende Gruben und Stahlwerke von Monat zu Monat den fast drei Millionen Wallonen immer weniger Arbeit bieten können, rekrutiert sich die Klientel der belgischen Sozialisten, die seit einem Jahr mit Premier Leo Tindemans Christlich-Sozialen in einer Koalition sitzen. Und jeden Versuch, den Subventionsstrom für die maroden Industrien Walloniens auf ein vernünftiges Maß zurückzustutzen, würden Belgiens verarmte Südstaatler mit Rebellion beantworten.“
Seitdem es mit der einst reichen Bergbau- und Industrie-Region Wallonien bergab geht, und der flämische Teil Belgiens immer wohlhabender wird, versuchen diese sich von den armen Wallonen staatlich abzutrennen; „euronews.com“ meldet desungeachtet : „ Die belgische Region Wallonien ist offiziell – wie die Toskana in Italien – einer von zwei kreativen Distrikten Europas. Hier ist die Modernisierung einer traditionellen Industrie gelungen. Mittlerweile gibt es eine echte Dynamik. Sie erlaubt innovativen Unternehmen sich weiterzuentwickeln, auch auf der internationalen Ebene.“ Im Klartext: Die wenigen neuen postindustriellen Arbeitgeber können dort jetzt noch ungehemmter Niedriglöhne zahlen und Sicherheitsauflagen für die von ihnen geschaffenen Arbeitsplätze ignorieren.
Das Deutsche Historische Museum von Helmut Kohl schrieb über seine Ausstellung „Bilder der industriellen Welt“: „ Seit Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts thematisierten Schriftsteller die soziale Realität in den belgischen Industrieregionen. Auch bildende Künstler entdeckten das ‚schwarze Land‘ und machten die Gestalten der Arbeiter zum Thema. Sie stehen symbolisch für die Hoffnung auf Erneuerung der Zivilisation durch einfache, unverdorbene Werte.“ Gut 100 Jahre später gibt es Beihilfen von der E U für Wallonien , dann versucht man es mit dem Tourismus, 2015 w urde die Hauptstadt de r Region Hennegau Mons „Kulturhauptstadt Europas“, daneben wird auch Lüttichs „Offenheit und Kreativität“ immer wieder gerne gelobt. Derweil beschlossen die Bürger im flämischen Gent, einen „fleischlosen Tag“ in der Woche einzuführen.
Über die Bergwerke in der derzeit umkämpften Region Donbass schrieb die Heidelberger Osteuropa-Historikerin Tanja Penter ein Buch: „Kohle für Stalin und Hitler. Arbeiten und Leben im Donbass 1929 bis 1953“. Auf „hsozkult.de“ findet sich eine Rezension: „Ausgehend von einem Verständnis der Region als „Wirtschafts-, Kultur- und Erfahrungsraum“ untersucht die Autorin Herrschaftspraktiken, Alltag, Erfahrungen und Verhalten der Bewohner des Donbass. Anhand der sinnvoll gewählten Untersuchungskategorien „Loyalität“ und „Disloyalität“ versucht Penter den Zusammenhang von herrschaftlicher Durchdringung und gesellschaftlicher Akzeptanz zu ergründen. Beide Herrschaftssysteme werden einander in demselben räumlichen Kontext gegenübergestellt, um stalinistische und deutsche Herrschaft aus erfahrungsgeschichtlicher Perspektive miteinander zu vergleichen.
Nach Einleitung und einem kurzen Prolog, in dem die Entwicklung des Bergbaus und die Herausbildung einer lokalen Gesellschaft kurz skizziert werden, erzählt das Buch in drei chronologisch aufeinanderfolgenden Teilen von den vielen Katastrophen, die seit Ende der 1920er-Jahre in regelmäßigen Abständen in Form von Hungersnöten, Terror, Verfolgung, Zwangsarbeit, Deportationen, Zerstörung und Massenmord über die Menschen hereinbrachen. Das alltägliche Leben, das Penter anschaulich und auf breiter Quellenbasis beschreibt, war sowohl unter sowjetischer als auch unter deutscher Herrschaft ein Leben voller Elend und Entbehrungen.
Für die sowjetische Führung war der Donbass seit Anfang der 1920er-Jahre die zentrale Bergbau- und Modernisierungsregion. Er sollte zum Vorzeigeobjekt bei der Industrialisierung des Landes avancieren und eine Vorreiterrolle bei der Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft und Kultur einnehmen. Von den Propagandalosungen vom Donbass als „Schaufenster des Sozialismus“, vom „gesamtsowjetischen Kesselhaus“ oder gar von der „mütterlichen Fürsorge der Partei“ (S. 159f.) war in der Wirklichkeit jedoch wenig zu spüren. Obwohl die Region einen Sonderstatus bei der Versorgung mit Lebensmitteln innehatte und von der Hungersnot 1932/33 deutlich weniger betroffen war als andere Teile des Landes, lebten die Menschen in elenden Verhältnissen, die mitunter noch schlechter waren als in der Zarenzeit. Sie erfuhren die Jahre der Industrialisierung als eine Zeit des permanenten Mangels. Überhöhte Planvorgaben setzten Grubenleitungen und Bergleute unter enormen Druck und konnten auch mit Zwang und unter Vernachlässigung von Arbeitssicherheit und materieller Versorgung kaum erreicht werden. Eindrücklich schildert Penter den tristen Alltag der Bevölkerung. Genauso wenig wie es zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse kam, wurde die Schaffung einer homogenen Arbeitergesellschaft und „Neuer Menschen“ erreicht. Eine breite Masse von Bergarbeitern meist bäuerlicher Herkunft behielt ihre alten Lebensgewohnheiten bei und interessierte sich kaum für die Ziele von Bergwerksleitungen und Sowjetmacht. Während der großen Säuberungen der Jahre 1937/38 wurden die verhassten Ingenieure und Stoßarbeiter als „Volksfeinde“ und „korrupte Saboteure“ denunziert. Vom Großen Terror wurde der Donbass stärker als alle anderen Gebiete der Ukraine heimgesucht, die Säuberungen forderten hier besonders viele Opfer.
Angesichts solcher Erfahrungen hielt sich das Entsetzen über das scheinbare Ende der sowjetischen Herrschaft 1941 zunächst in Grenzen. Anfangs verbanden viele Bewohner des Donbass mit der deutschen Besatzung die Hoffnung auf ein besseres Leben, die jedoch schnell durch brutale Herrschaftsmethoden zunichte gemacht wurde. Das oberste Ziel der Besatzer bestand in der rücksichtlosen Ausbeutung von Kohlevorkommen und einheimischen Arbeitskräften. Die Arbeit unter Tage wurde nach der Wiederinbetriebnahme der von der Roten Armee bei ihrem Rückzug zerstörten Bergwerke unter Aufsicht deutscher „Spezialisten“ fortgesetzt, wobei das sowjetische Rationisierungssystem in Form von höheren Löhnen für gute Arbeitsleistungen beibehalten wurde. Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren der Bergwerke war die Mitarbeit einheimischer Ingenieure und Techniker, die – entgegen sowjetischen Nachkriegsmythen – kaum Widerstand leisteten, und sich wie manch andere Funktionsträger freiwillig in den Dienst der Deutschen stellten. Zu Recht weist Penter darauf hin, dass sowohl aktive Kooperation wie auch Widerstand eher Randphänomene waren und die Reaktion der meisten Einwohner in einer „Grauzone“ dazwischen lag.
Die Alltagserfahrungen unter deutscher Besatzung waren durch ein überraschend hohes Maß an Kontinuität gekennzeichnet, denn Mangel, Zwangsarbeit und eingeschränkte persönliche Freiheitsrechte gehörten zur „normalen“ Erfahrung der Menschen. Und auch die gewaltsame Hierarchisierung der Gesellschaft war nichts Neues, nur dass die deutschen Besatzer in rassistischen Kategorien dachten. Ukrainer wurden zur Mitarbeit aufgefordert und ihnen ein Überleben auf niedrigem Niveau ermöglicht, wohingegen viele Russen, sowjetische Kriegsgefangene, Kommunisten und Juden nicht ernährt oder ermordet wurden. Die Landbevölkerung wurde aufgrund ihrer Bedeutung als Nahrungsmittellieferant besser als vor dem Krieg versorgt, die Städte hingegen wurden gezielt ausgehungert. Der brutale Terror und die massenhafte Vernichtung von Menschen innerhalb kürzester Zeit erreichten qualitativ und quantitativ ungekannte Dimensionen und waren eine neue Erfahrung für die Bewohner des Donbass, wie die Erinnerungen der von Penter befragten Zeitzeugen belegen.
Zeit, sich von den Schrecken der deutschen Herrschaft zu erholen, hatten die Menschen nach der Rückeroberung des Donbass durch die Rote Armee nicht. In der unmittelbaren Nachkriegszeit gehörten für die „armen Sieger“ (S. 357) Hunger, Zwangsarbeit und Repressionen weiter zum Alltag, die Versorgungslage war oft schlechter als im Krieg. Um zu überleben und Kräfte zu sparen, griffen viele auf bewährte Überlebensstrategien zurück: Flucht auf das Land, Schwarzmarkthandel, Verlassen des Arbeitsplatzes, Verkürzung der Arbeitszeit. Um die dieses Mal von den Deutschen zerstörten Bergwerke wieder in Gang zu bringen, setzte die sowjetische Führung ein Heer von Zwangsarbeitern ein, die die Förderleistungen wieder auf das Vorkriegsniveau bringen sollten.
Anschaulich zeichnet Penter nach, wie das Regime versuchte, mit dem alten Rezept von Repression und Mobilisierung die Bevölkerung wieder unter Kontrolle zu bringen. Diesmal scheiterte es aber, weil sich die Menschen durch die Kriegserlebnisse verändert hatten, neue Erfahrungen besaßen und über Vergleichsmöglichkeiten verfügten. Aus der deutschen Besatzungspresse hatten die Bewohner vom ganzen Ausmaß des Terrors in der Vorkriegszeit erfahren. Die sowjetische Führung reagierte auf diesen Loyalitätsverlust mit einem Generalverdacht gegen alle, die während des Krieges Kontakt mit den deutschen Besatzern hatten. Viele unter ihnen wurden als „Vaterlandsverräter“ stigmatisiert und blieben ein Leben lang Bürger zweiter Klasse ohne soziale und berufliche Aufstiegschancen. Der Herrschaftswechsel stellte also keine Befreiung, sondern die Fortsetzung von Gewalt und Terror, von Elend und Hunger unter veränderten politischen Vorzeichen dar. Das führt das Buch von Tanja Penter eindrucksvoll vor Augen.“
Die Kohlegruben im nördlichen Ural waren unter den Deutschen besonders berüchtigt, weil viele als Kriegsgefangene dort arbeiten mußten. Dementsprechend gibt es eine ganze Reihe von Büchern über Workuta. 1951 wurde der junge Schriftsteller Horst Bienek in Ostberlin verhaftet und wegen angeblicher Tätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt. Etwa vier Jahre verbrachte er in Workuta, nördlich des Polarkreises, bis er 1955 nach Westdeutschland entlassen wurde. Schon sehr früh verarbeitete er diese existenzielle Erfahrung in seinen Werken, u.a.im »Traumbuch eines Gefangenen« (1957) und in seinem Roman »Die Zelle« (1968).
„Erst sehr viel später, bereits von der AIDS-Krankheit gezeichnet, hat Bienek kurz vor seinem Tod seine Erinnerungen an Workuta in szenischen Rückblicken aufgezeichnet. Darin beschreibt er die lange Untersuchungshaft mit unzähligen Verhören und seine Verurteilung. Ebenso schildert er die lange Reise in den Ural und vor allem die unmenschlichen Verhältnisse im Arbeitslager. Bienek starb 1990, ohne seine Aufzeichnungen abgeschlossen zu haben.“
Über eine Lesung aus seinen Werken schrieb Bienek: „…Es war still im Saal. Keiner wagte weiter zu sprechen. Nun stand ein Mann auf. Er sagte: Sie haben viele Bücher geschrieben, haben wir gehört. Warum haben Sie nicht über Workuta geschrieben? Ich schwieg. Ich wußte nicht zu antworten. Diese Frage hatte mir auch noch keiner gestellt. Ich habe in vielen Städten, auch im Ausland, aus der Zelle gelesen, und die Zuhörer sagten manchmal, wie schrecklich, wo haben Sie diese Zelle erlebt, und wie haben Sie das überstanden. Aber nach Workuta hat bisher keiner gefragt. Ich bin nach Haus gefahren. Ich habe mich an den Schreibtisch gesetzt. Es waren 35 Jahre seitdem vergangen. Und seit 35 Jahren war mir das nicht mehr so nahe gewesen. Ja, jetzt war es vor mir, als sei es erst gestern geschehen. Ich wußte, jetzt muß ich darüber schreiben.“
Es gibt so viele dort. Die Bergleute waren erst Zwangsarbeiter dann d oppelt Entlohnte, mit frühem Rentenanspruch und Billigflügen auf die Krim. Berühmt wurden die im Silberbergwerk arbeitenden Gefangenen, ich glaube im Altai, wohin man die „Dekabristen“ – eine Verschwörung von f rankreichbegeisterten Offizieren gegen Zar Nikolaus I. 1825, von denen laut Wikipedia 600 nach Sibirien verbannt wurden. Noch berühmter wurden deren (adlige) Frauen, die ihren Männern freiwillig in die Verbannung gefolgt waren. Der Dichter Nekrasow hat sie 1872 in seinem schönen Poem „Russische Frauen“ verewigt, wobei er sich namentlich auf die Fürstin Trubetzkaja und die Fürstin M. N. Wolkonskaja bezog. Letztere reiste mit einem Klavier auf dem Schlitten ihrem Mann – General Fürst Sergej Grigorjewitsch Wolkonski – hinterher, ihr soziales und kulturelles Aufbauwerk machte aus dem damaligen Kaff Irkutsk eine ansehnliche Stadt, in der die Dekabristen bis heute besonders verehrt werden. Seit 1989 machen vor allem die streikenden sibirischen Bergarbeiter von sich reden, weil sie bei Irkutsk immer wieder die Schienen des Transsib-Expresses blockieren. 1990 weitete sich ihr Streik – von den Bergarbeitern in Kemerowo ausgehend – zu einem landesweiten Bergarbeiterstreik. Der Spiegel titelte damals: „ S owjetunion Eis gebrochen. In Sibirien traten Tausende Bergarbeiter in den Streik. Das Sowjet- Fernsehen machte den Arbeitskampf landesweit bekannt.“ Die Irkutsker Gewerkschaftszentrale gilt inzwischen als besonders kämpferisch. Ich muß gestehen, nur die Memoiren von Maria Wolkonskaja gelesen zu haben und in Irkutsk interessierten mich vornehmlich einige Atomphysiker, die im nahen Baikalsee „Neutrinos“ angelten, wie sie die Funktion ihrer gigantischen Unterwasser-Konstruktion aus Photomultipliern nannten, mit denen sie die nahezu masselose Teilchen „einzufangen“ versuchten. Sie durchströmen uns und alles andere zu Millionen, aber den Wissenschaftlern geht es nur um die Neutrinos, die beim Urknall entstanden. Wenn zwei davon kollidieren, strahlen sie einige Photonen aus, die man mit dem Unterwasser-Detektor registrieren kann (siehe dazu meinen Bericht im Buch „Neurosibirsk“ – 2004).
2014 berichtete „sputniknews“ über die heutigen Bergarbeiter in Sibirien: „Im Bergwerk „Krasnogorskaja“ im Gebiet Kemerowo (Westsibirien) ist das Gestein eingestürzt, unter der Erde befinden sich zurzeit 57 Menschen, teilt das russische Katastrophenschutzministerium mit.“ Seit 1989 finden solche Nachrichten – über verunglückte Bergleute in sibirischen Minen – fast regelmäßig Eingang in die Westpresse. 2010 meldete der „Osteuropaservice“ von Herbert Mißlitz: „Am 8. August 2006 wurde Igor Jurevich Podschivalov in Angarsk, einer ostsibirischen Industriestadt, ermordet. Sein letztes Buch: „Kämpfendes Sibirien“ beschäftigt sich mit der Geschichte der sozialrevolutionären Bewegung in Sibirien. Es wird ins Deutsche übersetzt und soll 2011 erscheinen.“ Das ist jedoch bis jetzt noch nicht geschehen.
2011 sendete das DeutschlandradioKultur einen Beitrag über den „Frust der Kohlekumpel in der sibirischen Bergbauregion Kemerowo“. Darin heißt es: Im Mai des vergangenen Jahres wurde das westsibirische Steinkohlebergwerk Raspadskaja von zwei Explosionen erschüttert, 90 Bergleute starben. Ministerpräsident Putin sprach von einer Tragödie. Doch bis heute hat sich in der Bergarbeiterstadt Meschduretschensk nichts zum Besseren gewendet. Nach dem Unglück protestierten die Bergarbeiter gegen die Arbeitsbedingungen und blockierten zeitweilig auch eine wichtige Bahnstrecke. Sondereinsatzkräfte – die Omon – gingen daraufhin mit großer Härte gegen sie vor. Alexander, der im Tagebau arbeitet, erinnert sich. Weder die Firmenleitung noch die Stadtverwaltung seien damals zu Gesprächen bereit gewesen…“
2012 erinnerte die Junge Welt an den Streik der 6000 sibirischen Bergarbeiter in den Goldminen an der Lena, der 100 Jahre zuvor, 1912, stattfand: „Ein Streikkomitee unterbreitete der Minengesellschaft die Forderungen der Arbeiter nach Einführung des Achtstundentages, einer 30prozentigen Lohnerhöhung, der Abschaffung der Strafen und einer Verbesserung der Lebensmittelversorgung. Die Firmenleitung wies diese Ansprüche zurück. Statt dessen entsandte die Regierung auf Bitten des Direktors Belousov 340 Soldaten nach Bodaibo, die in der Nacht auf den 17. April die Mitglieder des Streikkomitees wegen »Aufwiegelung« gefangennahmen. Am folgenden Tag unterschrieben 3000 Arbeiter eine Erklärung, wonach sie aus freien Stücken ohne jede »Aufwiegelung« gestreikt hätten. Anschließend zogen sie in einem mehrere Kilometer langen Zug zu einer nahegelegenen Goldgrube, um beim Staatsanwalt die Freilassung ihrer Deputierten zu verlangen. Im Schnee, eingezwängt zwischen dem steilen Abhang zum Fluß Bodaibo auf der einen Seite und dem Wald auf der anderen, trafen die Bergleute auf die Soldaten in voller Kampfmontur, die den engen Weg versperrten. Als ein Ingenieur die Arbeiter zum Umkehren zu bewegen versuchte, drängten die hinteren Reihen weiter. Nun eröffneten die Soldaten auf Befehl ihres Hauptmanns Teshchenkov das Feuer. 250 Arbeiter wurden nach Angaben der bolschewistischen Zeitung Swesda (Der Stern) getötet und 270 verwundet. Ein offizieller Bergwerksbericht nannte später die Zahl von 150 Toten und hundert Verletzten…Das Massaker an den sibirischen Bergarbeitern wurde vor 100 Jahren zum Auslöser einer politischen Streikwelle.“
Ab 2015 fand ich keine Nachrichten mehr über die Situation der sibirischen Bergarbeiter. Dafür jedoch viele Meldungen über Bergarbeiter anderswo: Chilenische Bergarbeiter beendeten Streik in Mine. Die 73 Kumpel hatten sich über 70 Tage in der Kohlemine Santa Ana, etwa 550 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago de Chile, in 900 Metern Tiefe verschanzt. Mit ihrem Protest wollten sie ausstehende Löhne einfordern./In Kenia wurden 14 Bergarbeiter im Schlaf überfallen und erschossen./ In Venezuela wurden 21 Bergarbeiter ermordet./In China wurden zwölf Bergarbeiter durch ein defektes Gasrohr getötet/ Ein türkischer Bergarbeiter muß ins Gefängnis. Weil er vor zwei Jahren gegen ein Fahrzeug von Erdogan getreten hat, soll der Bergarbeiter aus Soma nun für zehn Monate ins Gefängnis./ Beim ersten Casting für den neuen Ruhrgebiets-Film ‚Junges Licht‘ hat es lange Schlangen vor dem Dortmunder U-Turm gegeben. Damals wurden junge Leute gesucht. Jetzt sucht Regisseur Adolf Winkelmann erneut Schauspieler: Bergarbeiter und Sechziger-Jahre-Hausfrauen./ Ein satirischer Facebook-Kommentar entfachte in der kirgisischen Kumtor-Goldmine einen Streit. Dem Witzbold, der sich über das dortige Essen mokierte, drohen fünf Jahre Haft. Womöglich gibt es noch einen anderen Grund für die empfindliche Reaktion./ Vor dem Parlamentsgebäude in der Ukraine haben am Mittwoch zwei Kundgebungen von Bergarbeitern und von Aktivisten stattgefunden, die eine Neuwahl des Bürgermeisters einer der größten ukrainischen Städte, Krywyj Rih (Kriwoi Rog), fordern./ Im Nordwesten der Ukraine sind die Bergarbeiter der Grube „Nowowolynskaja No 1“ in der Stadt Nowowolynsk am Montag wegen Gehaltsverschuldung in den Streik getreten, wie der Pressedienst des Bundes der freien Gewerkschaften der Ukraine mitteilte. – Alles 2015.
Über den Aufbau des einstigen Bergbaugebiets Kuzbass in Westsibirien gibt es eine Studie – von Julia Franziska Landau: „Wir bauen den großen Kuzbass“. Der Archivar Johannes Grützmacher schreibt über das Buch: „Es gab einmal eine Zeit, in der waren Bergleute noch Helden – Helden, die hart schufteten, um den Treibstoff der aufstrebenden industriellen Welt zu gewinnen. Die gibt es auch heute noch, aber von den Heldinnen und Helden des digitalen Zeitalters, den Frauen und Männern, die unter härtesten Bedingungen Tantal, Zinn oder Wolfram gewinnen, wollen wir als Nutzer von Mobiltelefonen und Tablets es gar nicht so genau wissen.
Genau wissen will es dagegen Julia Landau, derzeit Kustodin für die Geschichte des sowjetischen Speziallagers Nr. 2 in Buchenwald, in ihrer von der Ruhr-Universität Bochum angenommenen Dissertation über die Entwicklung des westsibirischen Kusnezker Beckens (Kuzbass), des größten Kohlereviers der Sowjetunion.
Der Kuzbass mit seinen reichen und hochwertigen Kohlevorkommen wurde zu einem Brennpunkt der stalinistischen Brachialindustrialisierung der Vorkriegszeit. Schon vorher hätte er von einer „Autonomen Industrie-Kolonie“ erschlossen werden sollen – einer genossenschaftlichen Organisation unter maßgeblicher Beteiligung ausländischer Fachkräfte. Ziemlich früh entwickelte sich hier eine soziale Spreizung zwischen russischen Arbeitern einerseits und ausländischen Spezialisten andererseits – eine Problematik, die charakteristisch für den Kuzbass werden sollte. Detailliert schildert Landau die Probleme, die sich ergaben, als der erste Fünfjahrplan (ab 1929) eine umfassende industrielle Entwicklung auch des Kuzbass vorsah. Im Zentrum aller Großprojekte jener Zeit stand das Problem, genügend Arbeitskräfte für die riesigen Vorhaben zu rekrutieren. Der ursprüngliche Plan, Enthusiasten aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion zu rekrutieren, konnte schon bald als gescheitert gelten. Hohe Fluktuation und Saisonarbeit machten dem Bergwerkskonzern Kuzbassugol zu schaffen. Man verlegte sich zunehmend auf Zwangsarbeit. Andererseits privilegierte man weiterhin die ausländischen Spezialisten, die man benötigte, um die importierten Maschinen zu bedienen. So entstand eine extrem hierarchisierte Gesellschaft vor Ort, was sich in den Arbeitsbedingungen ebenso zeigte wie in der Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Wohnraum. Allerdings kehrten viele der Ausländer der Sowjetunion bald enttäuscht den Rücken, weil die Verhältnisse vor Ort die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten. Landau thematisiert auch den Bedeutungsgewinn der Frauen im sowjetischen Bergbau. Es gab eine zaghafte rhetorische Gleichstellung. Sie wurde allerdings durch die Perpetuierung patriarchaler Verhaltensweisen und Strukturen im Alltag konterkariert.
. In einem zentralen Teil ihrer Arbeit widmet sich Landau minutiös der Arbeit unter Tage – vom Arbeitsweg zum Schacht über den Betrieb von Maschinen bis hin zur Beleuchtung. Dabei setzt sie sich dankenswerterweise auch mit den technischen Besonderheiten des Bergbaus auseinander und kann so zeigen, welche spezifische Gestalt bestimmte Verhaltensweisen – Anpassung, Eigensinn, Enthusiasmus – in der Welt unter Tage annahmen. Ab 1935 begann die Stachanow-Kampagne die Organisation der Arbeit erheblich zu verändern. Sie orientierte sich vor allem an individuellen Kennziffern der Planerfüllung. Das erhöhte nicht nur den Druck auf die Arbeitskräfte, sondern bot – wiewohl gesamtökonomisch irrational – Einzelnen auch die Möglichkeit des Aufstiegs. Das bisherige hierarchische Gefüge geriet in Bewegung, neue Konfliktlinien entstanden.
. Der letzte Teil von Landaus Arbeit geht der Frage nach, wie die vorhandenen Konflikte in den Terror der späten 1930er Jahre mündeten und welche Formen der Terror in dieser besonderen historischen Formation annahm. Das hohe Industrialisierungstempo, die unzureichende Technik und die schlechte Ausbildung der Arbeitskräfte führten notwendig zu Unfällen. Eine Schlagwetterexplosion in Kemerowo bildete dann einen landesweit beachteten Auftakt zu einer Serie von Schauprozessen. Der Terror im Kuzbass traf überwiegend die Extreme der gesellschaftlichen Hierarchie: die einstmals privilegierten Ausländer einerseits, die nun als Spione verdächtigt wurden, und die Zwangsarbeiter andererseits.
. Landau beschreibt die Geschichte des Kuzbass als eine Geschichte der Zurichtung und der Disziplinierung der Gesellschaft und analysiert wie diese Disziplinierung vor Ort ankam, das heißt aufgenommen und verändert wurde. Lediglich in ihrem Schlusssatz reißt sie dann noch die Diskussion an, welche Rolle die Entwicklung des Kuzbass für die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Sowjetunion gerade im Zweiten Weltkrieg gespielt hat. Dazu hätte man gerne mehr erfahren – auch zu der im letzten Satz angerissenen Frage, inwieweit der Sieg über Hitler-Deutschland die Brachialindustrialisierung des Vorkriegsstalinismus nachträglich legitimiert hat.
Julia Landau ist gleichsam ins Bergwerk der Geschichte hinabgestiegen. Sie hat von dort den Brennstoff historischer Erkenntnis ans Tageslicht geholt – die archivalischen Quellen. Leichte Kost ist das nicht, trotz des alltagsorientierten Ansatzes. Landau bleibt stets nahe bei ihren Quellen. Gerade deshalb hätte man sich vielleicht eine ausführlichere Einleitung zur Quellenkritik gewünscht. Aber diese Quellennähe ist eine große Stärke der Arbeit. Hier wird keine schwebende Theorie beschworen, sondern eine konkrete historische Konstellation ausgelotet. Landau bietet – um in Anlehnung an Fulbert Steffensky zu sprechen – ‚Schwarzbrot‘-Geschichtsschreibung. Nicht leicht zu verdauen. Aber nahrhaft. Und lebenswichtig.“
Die größte Bergbauregion in Westdeutschland war das Ruhrgebiet. Die Zechen sind inzwischen ebenfalls zum größten Teil dicht gemacht worden. Bis zu 600.000 Menschen arbeiteten in seinen Hochzeiten im Ruhrbergbau. Zwei Zechen fördern nach wie vor Steinkohle: „Auguste Victoria“ in Marl ( bis 201 6 ) und „Prosper-Haniel“ in Bottrop. Die Internetseite „metropoleruhr.de“ erklärt dazu: „ Hohe Sicherheitsstandards und die extrem tiefe Lage der Ruhrkohle (bis zu 1.000 Meter unter Tage und mehr) machen den Abbau deutlich teurer als in anderen Erdteilen. Bund und Land fördern ihn mit Milliardenbeträgen. Der Steinkohlenbergbau ist noch vor der Landwirtschaft der größte Empfänger staatlicher Finanzhilfen. 2018 laufen diese Subventionen aus und damit ist auch definitiv Schluss für den Steinkohlenbergbau in Deutschland. Das bedeutet auch das Aus für die Zeche Ibbenbüren in NRW, die – ebenso wie Prosper-Haniel – 2018 ihre Pforten schließen wird.“
„Faszination Ruhrgebiet“ heißt ein Sammelband, der 2015 veröffentlicht wurde. „ Einst war das Ruhrgebiet Deutschlands industrielles Zentrum, inzwischen sind Armut und Resignation an jeder Straßenecke zu sehen,“ schreibt 2011 die Süddeutsche Zeitung . „Da kippt etwas in Deutschlands Mitte und driftet ökonomisch an den Rand. ‚ Problemzone Nummer eins in Deutschland ‚ , hat der Paritätische Wohlfahrtsverband das Ruhrgebiet genannt, nirgends sonst in Deutschland sei die Gefahr so groß, in Armut zu geraten: Soziale Unruhen drohten wie in London, brennende Autos und Häuser.“ Oder doch eher Drogen, Kriminalität und Rassismus?
„Die Armut kann man sehen im Ruhrgebiet, da muss man nur durch die Straßen fahren. Die brennenden Autos sieht man nicht und wird sie so schnell nicht finden. Der Unmut geht eher nach innen, in die Resignation. Man kann das daran ablesen, dass es im Pott Stadtviertel gibt, in denen die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen nahe am einstelligen Bereich ist, man könnte von demokratiefreien Zonen sprechen. Was sollte man sich hier auch von der Politik erhoffen?“
Wie unter westdeutschen Journalisten durchaus üblich, wollen die Autoren des Bandes „Faszination Ruhrgebiet“ ein „differenziertes Bild“ vom Umbau der Industriegesellschaft liefern, heraus kommt dabei wie so oft jedoch bloß verlogene Schönfärberei. Im Klappentext hört sich das so an: „Wo einst die Schlote rauchten und die Abstiche der Stahlwerke die Nacht erhellten, präsentiert sich heute ein vitaler Wirtschaftsraum, wie er vielfältiger nicht sein könnte. Besonders aus der Luft wird deutlich, welche enormen Veränderungen es in den letzten Jahren im Revier gegeben hat. Aus Kohle fördernden Bergwerken und riesigen Halden sind Industriedenkmale und Freizeitparks entstanden, die weltweit ihresgleichen suchen. Ehemalige Fördertürme, Kokereien und Maschinenhallen wurden in Museen, Büros und Wohnungen umgewandelt. Der Reiz des heutigen Ruhrgebiets liegt in diesem spannungsreichen Gegensatz zwischen Alt und Neu, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Revier in einmaligen und ungewöhnlichen Perspektiven in Szene gesetzt vom Luftbildfotografen Gerhard Launer. Texte von prominenten Persönlichkeiten, Rasmus C. Beck und Hans-Peter Noll porträtieren das heutige Gesicht des Landes zwischen Ruhr, Rhein und Lippe.“
Nicht von schlechten Eltern ist dagegen das umfangreiche Werk des Bochumer Diskurstheoretikers und Gründers der Zeitschrift „KultuRRevolution“ Jürgen Link: „Bangemachen gilt nicht auf der Suche nach der Roten Ruhr-Armee – eine Vorerinnerung“ (asso-verlag, ohne Jahresangabe, wahrscheinlich 2008). Heute bestückt Jürgen Link den blog „bangemachen.com“, leider nicht mit Ruhrreflexionen sondern mit Weltkritik.
Aus seinem Ruhr- Roman las er unlängst öffentlich im Mülheimer Ringlokschuppen und im Bochumer ver.di-Haus vor, dazu heißt es in seinem blog: „ Die Lesung im Ringlokschuppen findet im Rahmen der Fatzer-Tage statt. “Untergang des Egoisten Johann Fatzer” heißt ein Dramenfragment des jungen Brecht, das in Mülheim an der Ruhr spielt gegen Ende des 1. Weltkriegs, also vor der Revolution. Vor der abendlichen Lesung gibt es ein Symposium, ebenfalls mit einem kurzen Beitrag von mir zum Thema: ‚ Dialektisierung des Untergangs: Die Geburt des Partisanen-Subjekts aus der extremen Denormalisierung. ‚ (Das Fatzer-Symposium findet ebenfalls im Ringlokschuppen statt. ) Dieser Titel deutet auch etwas den Zusammenhang mit der “Vorerinnerung” an: Darin spielt ja die Rote Ruhr-Armee die Rolle eines, allerdings eher mehrdeutigen und irrlichternden, Leitmotivs. Ich werde zwei Stücke lesen: Einmal mit Bezügen zur historischen Roten Ruhr-Armee von 1920 (historischer Kontext Fatzer) – zum andern aber aus einer satirischen Zukunfts-Simulation, in der es um eine Rebellion im Zusammenhang mit einem (simulierten) Krieg der Bundeswehr in der 3. Welt geht (wie es ihn inzwischen in Afghanistan tatsächlich gibt: direkter Bezug auf das Fatzerthema Desertion, Partisan).
Beide Lesungen bieten Gelegenheit, einige spezifische Eigenschaften der ‚ Vorerinnerung ‚ kennenzulernen: Warum dieser Text nicht wie ein ‚ normaler ‚ Roman funktioniert – was der politische und gerade auch der ästhetische Gewinn ist, der dabei herauskommt. Es ist ja auch der Roman eines Alt68ers (Autor) und einer Gruppe von Ruhr-68ern (Protagonisten) und bietet insofern einige “Errungenschaften” (Erfahrungen) für jüngere Generationen an: Wie es einem ergehen kann (negativ und positiv), wenn man ‚ konkret-utopische ‚ Alternativen zum herrschenden Normalismus nicht ‚ abhakt ‚ . Wenn man sich weigert, ‚ Abhaker ‚ zu werden. Wieso das vielleicht eines Tages (der momentan manchmal ziemlich nahzurücken scheint) gebraucht wird – wenn nämlich die Denormalisierungen um sich greifen, bis hin zu GAUs auf verschiedenen Ebenen.“
Unbedingt erwähnenswert sind ferner die drei legendären Bände über die Ruhrkämpfe von Erhard Lucas „Märzrevolution 1920“ (Verlag Roter Stern 1973-1978).
Und erwähnen sollte man auch noch das Eisenwerk „Völklinger Hütte“, das 1986 stillgelegt wurde. Der Anlage hat man 2007 den Status als Weltkulturerbe zuerkannt. Und jetzt – im Sommer 2016 – findet dort eine Ausstellung mit asiatischen Buddha-Bildnissen aus 2000 Jahren statt: Welch eine Konversion!
1961, zwei Jahre nach der berühmten Bitterfelder Autorenkonferenz („Greif zur Feder, Kumpel“), gründeten der Dortmunder Bibliotheksdirektor Fritz Hüser und der Gewerkschafter Walter Köpping die Gruppe 61 im Ruhrgebiet. Wikipedia schreibt: „ Die Gruppe setzte es sich zum Ziel, schriftstellerisch tätige Arbeiter auf der einen und Lektoren, Kritiker und Journalisten auf der anderen Seite zusammenzubringen und dem Fehlen der schriftstellerischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit der Arbeit und ihren sozialen Problemen entgegenzuwirken. 1963 erschien, begleitet von Unternehmer-Protesten, der Roman „ Irrlicht und Feuer“ von Max von der Grün , der ein Mitbegründer der Gruppe und Grubenlokführer war, mithin auf einer Zeche arbeitete. Im „forum.untertage.com“ der Grubenarchäologischen Gesellschaft (GAG) in 39576 Stendal heißt es über den erfolgreichen Roman von Max von der Grün, dass er darin „ die schlechten Arbeitsbedingungen der Kumpel in den Zechen beschrieb und die Auswüchse des Leistungsdenkens und der Konsumgesellschaft geißelte. Das Buch soll angeblich der Grund für die Entlassung aus seinem Job gewesen sein. Es beschreibt unter anderen sehr eindrucksvoll den Einsatz der ersten Hobel in der Steinkohle, sowie den Material- und Menschenverschleiß.“
Die Romane von Max von der Grün und Bruno Gluchowski trugen dazu bei, die Widersprüchlichkeit des kapitalistischen Systems zu offenbaren und mit dem Bild einer klassenindifferenten Wohlstandsgesellschaft zu brechen. Mitte der 60er Jahre bemühten sich Autoren wie Christian Geissler um eine detail- und wahrheitsgetreue Darstellung der hochindustrialisierten Arbeitswelt. Als Folge daraus entwickelte sich der von Günter Wallraff geprägte Ansatz, direkte soziale Erfahrung als Grundlage für Reportagen und andere dokumentarische Formen zu verwenden, der in der Folgezeit von Autoren wie Erika Runge und F.C. Delius angewandt wurde. „Werkkreise Literatur der Arbeitswelt“ entstanden ab den 1960er Jahren in mehreren Städten der Bundesrepublik. 1970 wurde in Köln der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt gegründet, der sich zur Aufgabe machte, die Literatur der Lohnabhängigen zu fördern, und veröffentlichte „Ein Baukran stürzt um. Berichte aus der Arbeitswelt“, „Ihr aber tragt das Risiko“ und „Realistisch schreiben“.“
Ins historisch Realistische wich die 16stündige TV-Serie „Rote Erde“ aus, deren zwei Staffeln 1983 und 1989 ausgestrahlt wurden. Die Serie spielt in einer Bergarbeitersiedlung im Ruhrgebiet um 1900.
Der koreanische Sender „KBS World Radio“ berichtete: Am 3. Mai 2013 fand in einer Halle des Zollvereins in Essen eine Gedenkzeremonie statt. „Ehemalige Bergarbeiter und Krankenschwestern aus Korea, die aus allen Teilen Deutschlands angereist waren, erkannten einander wieder und brachen beim Wiedersehen nach langen Jahren in Jubel aus. Am 22. Dezember des Jahres 1963 hatte die erste Gruppe von 123 koreanischen Gastarbeitern am Flughafen Düsseldorf ihren Fuß auf deutschen Boden gesetzt. Mit ihrer Ankunft begann die Geschichte der Entsendung koreanischer Bergarbeiter und Krankenschwestern nach Deutschland. Heute, nach 50 Jahren, fand eine große Veranstaltung statt, um anlässlich eines halben Jahrhunderts nach der Ankunft der ersten koreanischen Gastarbeiter in Deutschland zu gratulieren und dieses Ereignis zu würdigen. Zum Auftakt gab es einen Treuerschwur auf die Nationalflagge. Die Nationalhymne lässt ehemalige koreanische Gastarbeiter stets die Tränen kommen. Vielleicht, weil sie dabei an die harte Zeit in Deutschland erinnert werden, oder daran, wie entwurzelt sie sich in der Fremde gefühlt hatten. Es fällt nicht schwer, nachzuvollziehen, dass die Bergleute, die täglich unter Tage umhüllt von schwarzem Staub ihr Leben riskierten, von starken Gefühlen übermannt werden. Viele Kameraden kamen ums Leben. Bei jeder Zusammenkunft legen sie deshalb zuerst für die in den Gruben verstorbenen Landsleute eine Schweigeminute ein.
‚Wenn ein großer Stein herunterkam, wurde sofort befohlen, die Arbeit zu unterbrechen und den Stein zu zerlegen. Wir haben diese Anweisung häufig nicht mitbekommen und die Arbeit fortgesetzt. Der Stein ist dann über uns hinweggerollt.‘
Die Bergarbeiter, die in einem fremden Land in Steinkohleminen schwere Arbeit geleistet hatten, bilden ein eigenes Kapitel der modernen koreanischen Geschichte. Sie waren die Triebfeder der wirtschaftlichen Entwicklung und sie legten den Grundstein für den Aufstieg Südkoreas zur Industrienation. Auf die 50 Jahre koreanischer Bergleute in Deutschland und ihre Verdienste wird kräftig angestoßen. Mit dem Bergmannsgruß „Glückauf“ ist der Wunsch nach einer gesunden Rückkehr nach Schichtende verbunden. Denn wegen der gefährlichen Arbeit kam es nicht selten zu tödlichen Unfällen. Mit diesem in seinem ursprünglichen Sinn eigentlich bedrückenden Gruß im Herzen hatten die koreanischen Bergarbeiter 50 Jahre lang gelebt. Das Jahr 1963 war trostlos und es gab keine Hoffnung. Ohne Geld und ohne Beziehungen hatte man keine Chance.
In den 1960er Jahren lag das ganze Land infolge des Koreakrieges in Schutt und Asche. Mit knapper Not aus den Trümmern aufgestiegen, mangelte es an Bodenschätzen und es fehlte die Technik, um die Industrie anzukurbeln. Arbeitsplätze waren knapp und auf den Straßen wimmelte es von Arbeitslosen. Die Situation drängte einen dazu, jeden Strohhalm zu ergreifen, selbst wenn dies die Arbeit in einem Bergwerk 1.000 Meter unter der Erde bedeutete. Hauptsache man konne Geld verdienen, die Familie ernähren und sich ein kleines Haus leisten. Die Koreaner zögerten nicht und gingen dorthin wo es Arbeit gab. Herr Kim Sung-hwan, der Mitte der 60er Jahre als Bergmann in Deutschland gearbeitet hatte und danach in die USA ausgewandert war, kam nach langer Zeit zu Besuch nach Deutschland, um an der Gedenkveranstaltung zum 50. Jubiläum teilzunehmen. Er denkt nur ungern an die anstrengende Zeit in den Minen zurück, aber er war neugierig wie sich der Ort verändert hatte, und er wollte alles noch einmal sehen.
1963 nahm der deutsche Verband der Bergwerke Kontakt mit der südkoreanischen Regierung auf und fragte an, wie viele Bergarbeiter Südkorea zur Verfügung stellen könne. Genaugenommen wurden sie Industriepraktikanten genannt. Die Verhandlungen kamen danach sehr zügig voran. Es wurden Arbeitskräfte angeworben und geschult, und im Dezember 1963 machte sich die erste Gruppe auf den Weg nach Deutschland.
Die Anlage, in der Kim früher arbeitete, ist heute das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum. Jeder Platz und jedes Erlebnis, das auf seiner Reise in die Vergangenheit wachgerufen wird, rüttelt an ihm. Schließt man das Stahltor, geht es 1.000 Meter und 2.000 Meter abwärts. Der Aufzug mit dem man in den blinden Stollen fuhr, war früher ganz anders als heute. Stahltür und Drahtnetz flößten schon beim Eintritt Angst ein. Die ehemaligen Bergleute fuhren den Schacht hinunter und wurden in die Zeit vor 50 Jahren zurückversetzt. Mit jedem Meter, den es tiefer ging, kamen neue Erinnerungen hoch. Im Bergbau-Museum werden Utensilien und Ausrüstungen, die sie früher verwendet hatten ausgestellt. Schnell hatten sie den Eindruck, als hätten sie diese Werkzeuge erst gestern in der Hand gehalten.
‚Der Förderkorb dort scheint mir sehr groß. Wir mussten solche Körbe, die 70 oder 80 Kilogramm wogen, auf dem Rücken tragen. Die deutschen Kollegen waren kräftig und hatten damit keine Probleme. Aber wir Koreaner waren klein und schmächtig und blieben hartnäckig.‘
Für die kleinen und schmächtigen Koreaner bedeutete der Umgang mit den für die großen und gut gebauten Deutschen geschaffenen großen Werkzeuge eine enorme Anstrengung und zehrte an ihren Kräften. Nur mit eisernem Willen konnten sie durchhalten.
‚Ich hievte die Last auf meine Schultern und kam keinen Schritt vorwärts. Ich stand da wie festgenagelt und mir kamen die Tränen. Ich weinte, konnte aber die Last weder wieder loswerden, noch kam ich vorwärts. Es war unglaublich schwer. Die Tränen vermischten sich mit Schweiß, der Boden war ganz verstaubt und meine Augen liefen rot an.‘
Um das Arbeitspensum bewältigen zu können müssen alle im Team gut harmonieren. Natürlich will man dann niemanden im Team haben, der sich nicht gut einfügen kann, weil es für einen selbst nachteilig ist. Die Arbeit unter Tage war außerdem mit vielen Gefahren verbunden. Nachdem die Arbeit getan ist, wird die Abstützvorrichtung abgebaut. Dabei wird als letzter Schritt der Öldruck aus den Werkzeugen abgelassen. Dabei kann es vorkommen, dass das Fundament einstürzt. Bei dem Versuch, die Situation zu retten kann man unter den Trümmern begraben werden. Dann fallen Steine auf einen herab, die 50 Kilogramm schwer sind.
‚Auch ein Unfall, der sich gestern noch in einem anderen Teil des Schachtes ereignete, konnte am nächsten Tag schon einem selbst widerfahren. Jeder der Arbeiter musste jederzeit mit einem Unfall rechnen. Täglich passierten Dutzende von Unfällen. Man konnte sich eine schwere Verletzung zuziehen oder gar sterben. Deshalb begrüßte man sich mit Glückauf, was bedeutet, dass man das Glück haben soll, unverletzt wieder nach oben zu kommen.‘
Ab tausend Meter unter der Erde mussten die Bergleute bei sehr hohen Temperaturen arbeiten. An einigen Stellen war es über 40 Grad heiß. Der Arbeitsanzug war schweißgetränkt, so als hätte man ihn in Wasser getaucht. In den engen und niedrigen Stollen musste man sich kriechend vorwärts bewegen. Der Körper war über und über bedeckt mit Grubenstaub, so dass nur noch die Augen in den schwarzen Gesichtern frei von Staub waren.
‚Vorne und hinten war alles schwarz. Nur die Augen waren klar zu erkennen. Man konnte nicht einmal sehen, was einen Meter vor einem lag. In niedrigen Stollen krochen wir auf allen Vieren. Hohe Stollen waren 2 Meter oder 1,50 Meter hoch. Der Grubenstaub und Steine versperrten uns die Sicht.“ Nachdem der Sprengstoff gezündet wurde, brachen kleine spitze Steine, die nicht weggesprengt wurden aus der Decke und trafen unseren Körper. Wir hatten die Hemden wegen der Hitze ausgezogen und die Steine fielen auf den nackten Körper und verursachten Wunden. Der Kohlestaub drang in die Wunden ein und verursachte eine Art Tätowierung. Genauso wie Tatoos lassen sich diese schwarzen Staubspuren nicht ohne Weiteres entfernen und bleiben für immer.‘
Diese sogenannte Bergmannstätowierung wie die schwarzen Kohlestaubflecken genannt wurden, zeugen noch Jahre später von der harten Arbeit damals. Als die Koreaner ihre Heimat verließen, um nach Deutschland aufzubrechen, ahnten sie nicht, wie gefährlich die Arbeit dort für sie sein würde.
‚Ich war zufällig auf die Annonce gestoßen, dass Bergarbeiter gesucht würden. Zu dieser Zeit gab es eine Einrichtung, die sich „Auslandsentwicklungszentrale“ nannte. Deren Aufgabe war es, Arbeitskräfte ins Ausland zu entsenden. Ich wohnte ganz in der Nähe am Cheonggye-Fluss und schlenderte eines Morgens dorthin. Vor dem Gebäude hatte sich bereits eine lange Warteschlange gebildet. Vor mir standen schon hunderte von Menschen. Ich stellte mich an das Ende der Schlange.‘
Herr Yoo Sang-geun war der älteste Sohn von sieben Kindern. Sein Vater starb als er Oberschüler war, und er konnte nur mit knapper Not die Schule abschließen. Nach drei Jahren Wehrdienst wusste er nicht weiter. Als er die Annonce sah, war es für ihn wie ein rettender Strohhalm. Wieder andere wollten die Gelegenheit, in deutschen Bergwerken arbeiten zu können, nutzen, um später in Deutschland zu studieren. So zum Beispiel Rechtswissenschaftler Seok Jong-hyeon. Bei einem Unfall Unter Tage wurden verlor er Zeigefinger und Mittelfinger. Als ich nach einem Jahr mein erstes Monatsgehalt als Bergarbeiter bekam, war ich sehr überrascht. Davon hätte ich mir sieben Säcke Reis kaufen können. Mein Bruder verdiente in Korea als Knecht auf einem Bauernhof in einem ganzen Jahr nur das Geld für zehn Säcke Reis.
Genau einen Tag und eine Nacht hatten die Koreaner im Flugzeug verbracht, ohne etwas zu Essen. Nach ihrer Ankunft bekam Jeder ein Laib deutsches Brot. Hören wir Baek Jin-geon:
‚Wir hatten gehungert und bekamen zum Frühstück Brot. Wir bekamen das harte Schwarzbrot nicht hinunter und am nächsten Tag bemerkte ich, dass auch die anderen das Brot wegwarfen. Es war für uns unvorstellbar, ein so großes Brot zu essen. In Korea kannten wir nur weiches süßes Brot mit Füllung. An ein solches großes Brot wie das deutsche war selbst ich nicht gewöhnt, obwohl ich in Seoul gelebt hatte. Es gab auch einige, die dachten, dass es sich um ein Kissen handelte.
Nach einem Monat fuhren wir zum ersten Mal den Schacht hinunter. Ich kann es nicht in Worte fassen. Vor uns lag nur Dunkelheit. Ich zweifelte, ob ich es hier drei Jahre lang aushalten könnte.
Es wurden nur Personen ohne akademischen Abschluss genommen. Wir konnten keine Leute mit Hochschulabschluss als Bergarbeiter entsenden. Unter den Bewerbern waren aber zahlreiche Akademiker. Die Angaben zur Bildungslaufbahn waren gefälscht. Auch wurde auf Beziehungen zurückgegriffen. Sogar Abgeordnete hatten sich gemeldet, um für jemanden ein gutes Wort einzulegen.‘
Eine koreanische Krankenschwester, die damals nach Deutschland kam und noch heute in Westberlin lebt, erzählte mir: „Die Männer, die als Bergarbeiter hierher gekommen waren, hatten oft eine akademische Ausbildung, z.B. als Lehrer, sie waren selbstbewußter als wir, die wir immerhin ausgebildete Krankenschwester waren. Es dauerte nicht lange, dann erfuhren wir aus dem Ruhrgebiet, dass sie wegen verschiedener Mängel einen Streik angefangen hatten. Auch wir, Krankenschwestern, politisierten uns bald. Die Männer gingen irgendwann alle zurück nach Korea, von uns Frauen blieben jedoch viele hier“. (Genauso war es nach 1945 auch mit den wegen Arbeits- und Wohnungslosigkeit nach Island ausgewanderten deutschen Frauen und Männern, meist Flüchtlinge aus dem Osten.)
Im Forum „untertage“ fand ich noch zwei Hinweise auf Ruhrgebiets-Romane: Perry, J.: „Der Bergbau in Romanen. Beispiele aus dem Ruhrgebiet und Niederländisch-Limburg (NL)“. in: Der Anschnitt, Jg. 51, Bochum 1999. Und Schütz, E.: „Die ordentlich geheilte Welt – Bergbau- und Industrieromane zum Ruhrgebiet“ in: Literatur in Westfalen, Bd. 2, Beiträge zur Forschung, hrsg. i.A.d. Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe von W. Gödden und W. Woesler, Paderborn 1994.
Erwähnt sei hier ferner der ehemalige DDR-Minister Fritz Selpmann, einer der wenige, die es wagten, beim „Arbeiteraufstand“ 1953 mit den Demonstranten zu reden. Er war Sohn eines Kupferschmiedes, arbeitete bereits mit 1 7 Jahren U nter Tage – von 1915 bis 19 17 als Bergmann in Werne ( bei Bochum), danach war er Soldat, 1918 wurde er Mitglied eines Arbeiter- und Soldatenrats, 1922 trat er der KPD bei. 1929/30 war er als Redakteur der Zeitung „Ruhrecho“ in Essen tätig sowie als Abgeordneter der KPD im Rhein land . Während er 1930–32 als Abgeordneter dem Preuß ischen Landtag angehörte, leitete er die KPD-Bezirke Oberschlesien (1930/31) und Sachsen (1931–33), 1932 wurde er in den Reichstag gewählt, seine politische Arbeit setzte er nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten illegal in Leipzig fort . 1933 nahm er an der klandestinen Tagung des ZK der KPD im Sporthaus Ziegenhals bei Berlin teil. Im gleichen Jahr wurde er verhaftet und kam in verschiedene Zuchthäuser und KZ. Nach 1945 bekleidete er nacheinander mehrere hohe Ämter in der DDR, wurde jedoch 1958 von Ulbricht entmachtet und war fortan nur noch Schriftsteller. Er schrieb mehrere Bücher, so viel ich weiß jedoch nichts über Bergarbeiter.
Im Ruhrgebiet tat dies ab 1966 Günter Wallraff in Form von Reportagen für den Hessischen Rundfunk, was von Arbeitgeberseite mißbilligt wurde, ihr Hauptargument: „Der ‚Erfahrungsbericht‘ dieses jungen ‚Arbeiterliteraten‘ verrät in jeder Zeile eine tiefe Abneigung gegen die Arbeit und eine gesteigerte Empörung gegen einen gesellschaftlichen Zustand…“ Da Wallraff seine Texte auch noch in der Zeitung der IG Metall veröffentlichte, wandte sich einer aus dem Vorstand der August-Thyssen-Hütte Duisburg an seinen Duzfreund, den 3. Vorsitzenden der IG Metall, der dann „die Fortsetzungsreihe sofort stoppte“. 1970 wurde sie als „Industriereportagen“ unter dem Titel „Wir brauchen Dich“ veröffentlicht. Mit seinem erfolgreich st en Buch „Ganz unten“ ((1985) sind keine Unter-Tage-Arbeiter thematisiert, sondern vor allem die am schlechtesten bezahlten und die unangenehmsten und gefährlichsten Tätigkeiten ausführenden „Gastarbeiter“. Dazu wurde bereits 1972 ein „Schwarzbuch: Ausländische Arbeiter“ vom Bundesvorstand der Jungsozialisten herausgegeben, in dem die Autoren resümierten: „Die Gastarbeiter sind so die Neger der Bundesrepublik Deutschland“, wobei für die Jusos daraus einige Leitlinien „Zur Strategie des gemeinsamen Kampfes von ausländischen und deutschen Arbeitern in Europa“ folgten. Als die Gruben- und Werkschließungen begannen, geschah das ansatzweise auch im Ruhrgebiet, was mit Gewerkschaftsflugblättern auf Deutsch und Türkisch begann. In Westberlin gab es in den Großbetrieben bald besonders viele türkische Betriebsräte. Ein IG-Metallfunktionär verriet mir 2001: „Unsere besten türkischen Betriebsräte waren früher alles kurdische Maoisten.“
Erwähnt seien hier noch zwei weitere Ruhrgebietsromane, die zumal in ihrer Verfilmung dann bereits die Verwandlung der schmutzigen Arbeitsregion in einen Vergnügungs-Park vorwegnehmen: Einmal „Glück auf, Kumpel“ – von Hans Henning Claer (1971). Der Autor lebte zunächst in Berlin, war dort Polizist und Boxer. Nachdem er nach Bergkamen gezogen war, wechselte er den Beruf. Auf Grimberg 3/4 fuhr er als Bergmann ein. Sein Buch erschien im März-Verlag. Der Verleger Jörg Schröder empfand zunächst, dass Hans Hennig Claer in der „Protokollsprache eines Polizeiwachtmeisters, der sich zum Schriftsteller berufen fühlte“ geschrieben hatte. Er schickte ihm einen Brief mit der Aufforderung: „Lassen Sie doch diese gestelzte Sprache. Schreiben Sie, wie die Leute reden, die Leser wollen etwas vom Leben erfahren und nicht, ob Sie die Mittlere Reife geschafft haben.“ Die überarbeitete „Glücks“-Fassung aus dem Ruhrgebiet kam dann mit dem Titel „Laß jucken, Kumpel“ auf den Markt. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) schrieb 2010: „Während man in dem Buch mit sehr viel gutem Willen noch Elemente einer Sozialreportage entdecken konnte, wurde aus dem Film „Lass jucken, Kumpel“ ein Softporno.“
In seinem taz-blog erinnerte sich Jörg Schröder, wie das Buch aufgenommen wurde: „Gleich nach Erscheinen setzte im Ruhrgebiet eine hitzige Diskussion ein: »Bergmannssex – Skandal! Der Kumpel wird zum Sexmonster!«; ›Bild Essen‹ machte mit großen Schlagzeilen auf, für sie ein gefundenes Fressen. Die Literaturheinis des ›Werkkreises‹ meldeten sich zur Pressekonferenz an und drohten, gegen mich und Claer mit allen Mitteln vom Leder ziehen zu wollen. Das WDR-Fernsehen fuhr mit seinem Literaturchef Ivo Frenzel auf, alle nahmen sich vor, es dem zynischen März-Verleger, dem aber auch nichts heilig ist, der jetzt sogar die Welt der Arbeit in den Dreck des Pornomilieus zieht, mal richtig zu zeigen.“
Im Westen wurde daneben auch noch der Roman von Henry Jaeger „ Glück auf Kumpel oder Der große Beschiss “ (1988) verlegt und dann verfilmt. „Der Autor machte in seinem Leben zwei Karrieren: eine kriminelle und eine literarische. In beiden gab es Höhenflüge und Abstürze. Der gebürtige Frankfurter war mit 15 Flakhelfer, geriet in britische Gefangenschaft und wurde Anfang der fünfziger Jahre – nach vergeblichem Anlauf zum Medizinstudium und mancherlei Schwarzmarktgeschäften – zum Kopf der berüchtigten „Jaeger-Bande“. 1956 wurde er zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen ihm vier auf Bewährung erlassen wurden, da er im Knast zum Schriftsteller mutiert war,“ wie der Spiegel 2000 in einem Nachruf auf Henry Jaeger schrieb. Sein Ruhrgebiets-Roman hieß dann in der Verfilmung „Tot auf Halde“: „Ein Bergmann in einer Ruhrpott-Zeche, versucht, die Trauer um seinen toten Sohn im Alkohol zu ertränken. Dann droht ihm auch noch die Arbeitslosigkeit, da seine Zeche geschlossen werden soll…“ In Erinnerung bleibt bei diesem Film jedoch eine junge Blondine, gespielt von Susanne Schulten.
Trotz der Zechen-Stilllegungen im Ruhrgebiet und dem baldigen Ende des Braunkohle-Tagebaus in der Lausitz sowie im Mitteldeutschen und im Rheinischen Braunkohle-Revier wird dort kräftig weitergebuddelt – nicht von Bergarbeitern mit Baggern, sondern von Archäologen und ihren Praktikanten bzw. Studenten mit Schaufeln und Löffeln. Nordrhein-Westfalen bezeichnet sich inzwischen als die archäologisch aktivste Region Europas. Anläßlich einer Leistungsschau in den Landesmuseen von Bonn, Detmold und Herne (die noch bis 2017 zu sehen ist) veröffentlichte das NRW-Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr einen opulenten Katalog: „Revolution jungSteinzeit“. Diese Periode erstreckte sich von 5300 bis 2200 v.Chr; sie war gekennzeichnet von „Wanderungsbewegungen und einem ständigen Austausch von Gütern und Wissen“: die „neolithische Revolution“. In ihr gab es noch Jäger und schon Bauern, mit letzteren entwickelte sich das „Siedlungswesen“ – und ein „früher Bergbau“. Einer der Katalogautoren spricht von „Parallelgesellschaften“, ein anderer von einem „Technologiesprung“ (u.a. bei der Keramikherstellung). Dazu werden 30 Grabungsstätten ( „Fundstellen“) beschrieben und 16 „Neolithische Denkmäler in NRW“ erwähnt. Bei den meisten handelt es sich um „Galerie-“ und „Großsteingräber“. Ein Photo zeigt, wie die NRW-Archäologen quasi vor der Nase eines Schaufelbaggers im Braunkohletagebau Fundstücke bergen.
Auch über die „Braunkohlen-Archäologie“ in der Lausitz gibt es einen Katalog – finanziert vom Energiekonzern Vattenfall, dem der Tagebau dort gehört. Er soll nun wie gesagt auch auslaufen. Weil dort aber die Ausgrabungen (ebenfalls in den Tagebau-Vorfeldern) unverdrossen weitergehen, gibt es im Internet laufend „neues-aus-der-braunkohlen-archäologie“ – u.a. von der Niederlausitzer „Slawenburg Raddusch“. Im Neolithikum ist man dort also noch nicht angekommen, man kratzt sozusagen historisch an der Oberfläche, was ja auch bereits für den Tagebau selbst gilt. Eine Ausnahme sind die Steinzeitfunde im Tagebau Reichwalde und Jänschwalde, wo der Bagger Feuersteingeräte steinzeitlicher Jäger freilegte. Das Buch „Ausgrabungen im Niederlausitzer Braunkohlerevier 2011/2012“ vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesmuseum umfaßt die „Zeitspanne von der Steinzeit bis zur industriellen Revolution“. All diese Aktivitäten haben auch einen Fremdenverkehrs-Aspekt: Die Slawenburg, das „Besucherbergwerk F6o“ und das „Archäotechnische Zentrum Welzow“ sollen ebenso wie die NRW-Schau Touristen anlocken. Dazu bedarf es neben solchen Ausgrabungsergebnissen einer Infrastruktur – und die schafft dann Arbeitsplätze, wobei aus Bergarbeitern Servicepersonal wird. Wenn alles gut geht.
„Spektrum.de“ berichtet: „Mit dem Ausstieg ist eine Großtechnologie noch lange nicht beendet. Schließlich muss man sich um ihre Hinterlassenschaften kümmern – möglicherweise bis in alle Ewigkeit. Bei solchen Sätzen denken viele Menschen an den Ausstieg aus der Kernenergie und ihren radioaktiv strahlenden Müll. Im Ruhrgebiet aber fällt in diesem Zusammenhang ein ganz anderes Stichwort: Das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus im Jahr 2018.
Solange die Kumpel aus den Zechen das schwarze Gold holten, pumpte der Betreiber Wasser aus der Tiefe, das sonst Stollen und Schächte geflutet hätte. Doch nach dem Schließen des letzten Steinkohlebergwerks im Ruhrgebiet werden Pumpen weiter gebraucht: Dann müssen sie einen Kontakt des salzigen Wassers in der Tiefe mit dem Grundwasser verhindern. Und das dauerhaft, der Betreiber des deutschen Steinkohlebergbaus RAG AG spricht von „Ewigkeitslasten“.
Um die immensen Kosten dieses Pumpens dauerhaft zu finanzieren, hat die RAG AG die RAG-Stiftung gegründet, die ab 2019 mit den Zinsen und Erträgen aus einem Vermögen von 14,3 Milliarden Euro diese Daueraufgaben finanzieren soll. Derzeit hat die Stiftung nach eigenen Angaben ein Kapital von zwei Milliarden Euro, weitere 1,6 Milliarden muss die RAG Ende 2018 an die Stiftung überweisen, zusätzlich hält sie noch rund 68 Prozent der Anteile an der Evonik Industries AG, in der unter anderem der Spezialchemie-Riese Degussa aufgegangen ist.
Sollte die Stiftung die Ewigkeitslasten nicht packen, müssten die Bergbauländer Saarland und Nordrhein-Westfalen sowie die Bundesrepublik Deutschland bei den geschätzten Dauerlasten von 220 Millionen Euro im Jahr einspringen“
In Nordrhein-Westfalen gibt es noch das Bergbaugebiet im Siegerland. Darüber veröffentlichte der Schriftsteller Stefan Utsch den Roman „Erz“, ein Teilnehmer des Forums „untertage.com“ schreibt: „Der Autor schildert darin, z.T. aufgrund eigener Erlebnisse, die Lebens- und Existenkämpfe eines ganzen siegerländer Grubendorfes.“ Weil das Eisenerz aus dem bergigen Land zu aufwändig abzutransportieren war, verhüttete man es an Ort und Stelle. Und das seit langer Zeit: Laut Wikipedia „war die älteste neuzeitliche Grube die Grube Stahlberg in Müsen (Hilchenbach) ab 1079 n. Chr., die urkundlich aber erst am 4. Mai 1313 erwähnt wurde. Urkundlich erwähnt ist mit dem Jahr 1298 die Grube Ratzenscheid zwischen Wilnsdorf und Wilden die älteste Siegerländer Grube. Bereits um 1170 bestand in Siegen eine Münzstätte, was auf Silberfunde in der Region hinweist. Frühe Belege durch Ausgrabungen weisen auf eine Bergbausiedlung mit Schachtbau (bis 20 Meter) im 13. Jahrhundert am Altenberg bei Müsen hin, hier entstand später eines der Zentren des Bergbaus…Im 19. Jahrhundert wurde im Zuge der Industrialisierung mehr und mehr Erz gebraucht. Das Siegerland entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Zentren des Eisenerzbergbaus und dessen Weiterverarbeitung in Europa. Im Jahr 1853 waren 660 Gruben aktiv…Mit der Schließung der Gruben Georg in Willroth und Füsseberg in Biersdorf bei Daaden endeten 1965 über 2.500 Jahre Erzbergbau im Siegerländer Erzrevier.“
Dafür wurde die Ingenieurschule in der Stadt Siegen bis 1972 zu einer Gesamthochschule ausgebaut. Diese Reform-Uni schöpfte ebenso wie elf weitere, die zur selben Zeit in der BRD gegründet wurden, bereits im Planungsstadium die Rädelsführer der Studentenbewegung ab, bevor sie sich mit einer nennenswerten Zahl von Arbeitern verbünden konnten. Gleichzeitig holte man jedoch in der damaligen „Ära Willy Brandt“ auch massenhaft Arbeiter mit einem für fast jeden zu bestehenden „Begabtenabitur“ an diese Universitäten. Nach wie vor gibt es in Siegen jedoch auch noch zwei kleine Stahlwerke. Beide arbeiten fast ausschließlich für Künstler – vor allem für den US-Bildhauer Richard Serra, der einige Jahre Arbeiter in einem Stahlwerk war und bis heute riesige „Cor-Ten-Stahlplatten“ aus Siegen zu „Drop-Sculptures“ auf den Plätzen von Großstädten verwendet. 1976 stellte er seine tonnenschwere Stahlplastik „Terminal“ in Bochum auf, wo zuvor ebenfalls eine „Reform-Uni“ ihren Lehrbetrieb aufgenommen hatte, die erste Hochschule in der Arbeiterregion Ruhrgebiet. Daneben gibt es dort noch einige Filmschulen und seit 1954 die Kurzfilmtage in Oberhausen, was zur Folge hatte, dass bis jetzt etwa 101 Dokumentarfilme über die einstige Bergbauregion entstanden.
Der WDR berichtete: „Am 23.Juni 1966 endete die letzte Schicht eines deutschen Grubenpferdes“ – ein Wallach namens Tobias, der auf der Zeche „General Blumenthal“ in Recklinghausen gearbeitet hatte. „Zum Schluss arbeitet der alte Tobias kaum noch. Nach zwölf Jahren Maloche unter Tage zieht er nur noch hin und wieder mal eine Lore [Hund unter Tage genannt] mit Kohlen durch den Stollen. Lieber lässt sich der braune Wallach in seinem unterirdischen Stall von den Bergleuten verwöhnen, am liebsten mit Butterbroten, Kartoffelschalen und geschälten Apfelsinen. Den Kohletransport erledigt längst moderne Fördertechnik für ihn.
So tritt Tobias am 23. Juni 1966 mit reichlich Speck auf den Rippen seine endgültig letzte Schicht auf der Zeche General Blumenthal in Recklinghausen an. Der Bergwerksdirektor und sogar das Fernsehen sind gekommen, um Deutschlands letztes Grubenpferd in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden.
Rund 100 Jahre lang haben Pferde unter Tage Schwerstarbeit geleistet und den Bergleuten das Ziehen der Kohleloren abgenommen. Zunächst werden Ponys , eingewickelt in Netze, zu Schichtbeginn durch die engen Förderschächte in die Tiefe hinab gelassen. Später kommen kräftigere Pferde zum Einsatz, vor allem Haflinger. Tageslicht sehen sie nur noch selten, da man inzwischen Ställe in den Stollen eingerichtet hat. Auf dem Höhepunkt der Grubenpferd-Ära vor dem Ersten Weltkrieg verrichten allein in den Zechen an der Ruhr mehr als 8.000 vierbeinige Kumpel die Kärrnerarbeit.
Grubenpferde gewöhnen sich erstaunlich rasch an die sonnenlose Untertage-Welt. Sie entwickeln einen exakten Orientierungssinn und sind wenig anfällig für die bei Kumpels gefürchtete Staublunge. Wegen des Luftzugs in den Stollen leiden sie aber oft an Erkältungen und Augenentzündungen. Lebensgefährlich ist die Arbeit vor Ort für Mensch und Tier. „Bei Beinbruch musste das Pferd in der Grube getötet werden…Dann gab es drei Tage in der Werksküche Nudeln mit Gulasch“, erinnert sich der Bergmann und frühere Pferdeführer Horst Höger. Seit den 20er Jahren übernehmen immer mehr Förderbänder und Elektro-Loks die Arbeit der Tiere.
Auf General Blumenthal ist Tobias an einer Ortsveränderung im hohen Alter gar nicht interessiert. Als man ihn zur letzten Fahrt zum Förderkorb führt, reißt er sich los und galoppiert schnurstracks in seinen Stall zurück. Von Steiger Heinrich Rawers in eine Kiste gelockt, gelingt es endlich am frühen Morgen, den störrischen Rentner ans Tageslicht zu hieven. Auch in den Pferdetransporter lässt sich Deutschlands dienstältestes Grubenpferd widerwillig nur rückwärts verfrachten.
Ein kleiner Schatten fällt allerdings auf Tobias’ Ruhm als Letztem seiner Art. Denn während der müde Wallach als Fernsehheld seinen Ruhestand auf der saftigen Weide eines Recklinghauser Bergmannskottens antritt, steht der alte Schimmel Seppel in Bochum-Gerthe immer noch hunderte Meter tief in seinem Stall. Von seiner Verabschiedung zwei Monate später existiert nicht mal ein Foto.“
Das Bergbau-Archiv Bochum schreibt (auf rrf-online) über die Geschichte der Grubenpferde: „Im 19. Jahrhundert begann mit der Industrialisierung ein wahrer Produktionsboom. Diese Entwicklung erzeugte einen ganz neuen Arbeitertypus: den schlechtbezahlten Lohnarbeiter. Parallel dazu wuchs die Bevölkerungszahl stetig.“ Und dann kommts: „Die Folge war, dass selbst Frauen und Kinder in Industriebetrieben arbeiten mussten“ – und nicht etwa: Die Folge war, dass der Wert der Ware Arbeitskraft immer weiter sank und die Arbeiter noch zu unorganisiert waren, um das zu verhindern und damit, dass ihre Frauen und Kinder mitarbeiten mußten.
Weiter heißt es: „Aber besonders der Steinkohleabbau, der in seiner Blütezeit stand, benötigte eine hohe Anzahl an billigen, leistungsstarken Arbeitskräften. So ist es kaum verwunderlich, dass das Pferd schnell ins Blickfeld geriet. Hatte es sich doch seit Jahrtausenden als zuverlässiger und starker Partner des Menschen erwiesen, fähig sich auch den härtesten Bedingungen anzupassen. Ausschlaggebend für den Einsatz von Pferden im Bergbau war die nüchterne Tatsache, dass ein Pferd 8-10 Mal mehr Loren ziehen konnte als ein Arbeiter. Die Produktivität konnte so mit einem Schlag um ein Vielfaches erhöht werden. Ab ca. 1840 kamen die ersten Pferde im Ruhrbergbau zum Einsatz. Deren Anzahl stieg stetig an und erreichte um 1900 seinen Höhepunkt. Aber schon bald spielten Maschinen eine immer größere Rolle, da sie noch leistungsstärker und noch billiger waren als „lebendiges“ Material. Die Pferdeförderung verzeichnete einen immer stärkeren Rückgang bis schließlich 1966 mit Tobias das letzte Grubenpferd Deutschlands seinen Arbeitsplatz verließ.
Obwohl sie den Großteil ihres Lebens im Bergwerk zu brachten, waren die Pferde nicht das Eigentum der Gruben, sondern wurden von Verleihfirmen [wie die Sklaven zur Zeit der Athenischen Demokratie] zur Verfügung gestellt. Diese verpflichteten sich wiederum, so viele Tiere bereitzustellen, wie im Normalbetrieb benötigt wurden.
Die Zeche vergütete der Verleihfirma verletzte, lahme und erkrankte Tiere. Nicht vergütet wurden Todesfälle durch Druse, Brustseuche, Kolik, Darm- und Lungenentzündung oder Tierseuchen, bei denen der Staat die Entschädigung zahlte. Lediglich die Rotzbekämpfung war Sache der Zeche. Die Firmen waren neben der Bereitstellung der Tiere auch für die Lieferung von Futter, Geschirren, Decken und Medikamenten zuständig, die Zeche kam für das Personal zur Betreuung der Pferde auf. Die Verleihfirmen ermahnten die Zechen regelmässig zu einem besonnenen Umgang mit den Tieren und forderten zur Beseitigung von Mängeln auf. Teilweise legten die Firmen auch vertraglich fest, dass die Pferde nur eine Schicht pro Tag eingesetzt werden durften. Die Pferde wurden entweder mit dem Förderkorb, oder bei engen Schächten in einer Art Netz transportiert. Für letztere Methode wurde das Tier in Schlingen eingehängt und vorsichtig nach unten gelassen. Bevorzugt wurden Münsterländer, Fjordpferde, Belgier, kleine Oldenburger, Dänen, Shetlandponys und Litauer [wegen der niedrigen Schächte also nur kleine Pferde]. Gefragt waren ausnahmslos kräftige und gutmütige Tiere mit ruhigem Temperament. Nach einer Anlernzeit von fünf Wochen ging es schließlich hinab in die Grube. Obwohl man bemüht war, die Pferde gut zu halten, sah es in Wirklichkeit oft ganz anders aus. Die Pferde litten unter Krankheiten, hatten Unfälle und eine weitaus geringere Lebenserwartung als ihre Artgenossen über Tage.
Auf engstem Raum arbeiteten die Bergleute Seite an Seite mit den Pferden, unter den gleichen schlechten Bedingungen. Staubige Luft, die in den Augen brannte und die hohe Luftfeuchtigkeit und Wärme, die das Atmen erschwerte, setzte Mensch und Tier gleichermaßen zu. Die Arbeit erfolgte ohne Leine und Trense. Das Pferd trug ein Schleppgeschirr und ein Grubenhalfter. Zusätzlich bekam es einen Ohren- und Augenschutz angelegt, wenn es niedrige Stollen mit freihängenden elektrischen Drähten passieren musste.
Doppelschichten waren für die Pferde an der Tagesordnung. Der Druck nach immer höheren Förderquoten führte zwangsläufig dazu, dass die Pferde ständig überfordert und ihre Leistungsgrenzen überschritten wurden. Trotz staatlicher Schutzregeln und der Kontrolle durch Amtstierärzte führten die Pferde ein schweres Leben.
Die Unterbringung der Tiere erfolgte anfangs oberirdisch. Bauern aus der Umgebung stellten einen Teil ihrer Ställe zur Verfügung. Auf den ersten Blick eine ideale Lösung. Leider verfütterten einige Landwirte das für die Grubenpferde bestimmte Kraftfutter an ihre eigenen Tiere. Das, und die Tatsache, dass es bei zunehmender Streckenlänge bald nicht mehr praktikabel war, die Pferde täglich zu transportieren, führte dazu, Ställe unter Tage einzurichten. Es gab insgesamt drei Stallarten: Sammel-, Hilfs- und Notställe. Die Fütterungszeiten orientierten sich an den Arbeitsschichten. Gefüttert wurde eine Mischung aus Hafer, Futterbrot, Heu und Streu. Grünfutter stand, aus Angst vor Koliken, nicht auf dem Speiseplan. Das angelieferte Futter wurde von Mitarbeitern der Gruben über Tage gemischt. Es gab aber auch Verleihfirmen, die auf Nummer sicher gehen wollten und es vorzogen, selbst spezielle Futtermischungen herzustellen.
Zur Mäusebekämpfung wurden Katzen eingesetzt (in Großbritannien waren es auch kleine Terrier), die den Pferden im Stall Gesellschaft leisteten. Eine willkommene Abwechslung!
Trotz der weitverbreiteten Annahme, dass die meisten Grubenpferde während ihres Arbeitslebens erblindeten, war das in Wirklichkeit eher die Ausnahme. Sicherlich war das Dämmerlicht in den Gruben der Sehkraft nicht sehr zuträglich, und die Augen mussten über Tage anfangs gegen Licht geschützt werden, dennoch standen die schlechten Lichtverhältnisse in der Ursachenliste für Augenschäden relativ weit unten. Viel gefährlicher waren durch Unachtsamkeit hervorgerufene mechanische Verletzungen oder durch Luftfeuchtigkeit und Staub verursachte Bindehautentzündungen.
Viele Tiere kamen durch Unfälle zu Schaden. Gefahren lauerten überall, denn gerade das Pferd, von dem unbedingter Gehorsam gefordert wurde, war auf einen umsichtigen und vorausschauenden Pferdeführer angewiesen, der herabhängende Drähte, die zur Befestigung von Versorgungsleitungen dienten, zur Seite schob, oder das Pferd geschickt an herausstehenden Nägeln oder abgesplitterten Holzbalken vorbeimanövrierte. Doch leider führte die Überbelastung von Mensch und Tier häufig zu Unfällen. Viele Pferde hatten Schrammen und Fleischwunden am Körper, die unter Tage aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit und Wärme nur schlecht heilten.
1842 wurde durch den „Mines Act“ in Großbritannien Frauen- und Kinderarbeit unter Tage verboten. Zusätzlich wurde die tägliche Arbeitszeit von Jungen reguliert. Das führte zu einem verstärkten Einsatz von Grubenponys, den sogenannten „Pit Ponies“. In erster Linie wurden Shetland Ponys, Welsh-Mountains, New Forests und Dartmoors verwendet. Im Umkreis einiger südwalisischer Bergwerke etablierten sich in Folge dessen größere Gestüte, die sich auf die Ponyzucht spezialisiert hatten.
Dazu einer Geschichte des aus dem Ruhrgebiet stammenden Archivars Dago Langhans, abgedruckt i m „DreckSack – Lesbare Zeitschrift für Literatur“ (April 2016) des Arbeiterdichters Florian Günter und vorgetragen in der Kneipe „Rumbalotte“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Luxus braucht Sklaverei“ :
Leider haftet dem Ruhrgebiet immer noch der Nimbus der Schlote und Schachtanlagen, des Bergbaus und der Bessemer Birne an, obwohl die Region mittlerweile daherkommt wie ein blankgeputztes Industriemuseum aus dem Fremdenverkehrskatalog.
Das war einmal anders, nicht zuletzt dank der unbezahlten Arbeitsleistung von Nutz- und Arbeitstieren. Doch zunächst musste der technische Fortschritt historisch und sozial zurückwandern. Wo im Mittelalter noch kleine Pferde die Förderwagen gezogen haben, ersetzte die sogenannte Modernisierung mit Beginn des Industriezeitalters Anfang des 19. Jahrhunderts die arbeitsamen Zossen durch die reine Muskeltätigkeit der Kohlearbeiter. Dass jedoch noch weiter bis zu Beginn der Neuzeit Haustiere unter Tage für tierische Abwechslung im Alltag der hart malochenden Proletarier gesorgt haben, ist leider in Vergessenheit geraten.
Es hat selten mit Meteorologie zu tun, wenn Bergleute vom Wetter reden. Die Luft in Schacht und Stollen, insbesondere mit der Nase für ihre Qualität, wird bergmännisch „Wetter“ genannt. Die fachmännische Belüftung von Stollen und Schacht bezeichnen die Knappen als „Bewetterung“. Nun sind aber die Riechorgane der menschlichen Spezies nicht ausgeprägt genug um „schweres Wetter“, d.h. mit Kohlendioxid angereicherte Luft, von „mattem Wetter“, also sauerstoffarmer Luft, zu unterscheiden. Die unselige Mischung von Methan und Kohlenmonoxid bildet die Grundlage für „giftiges und böses Wetter“, das ohne Vorwarnung schon reichlich Bergleute aus den Schuhen gehauen hat. „Schlagendes Wetter“ erkannten die Kumpel, wie der Begriff schon andeutet, schlagartig: die Verbindung von Methan und Luft ist dermaßen explosionsgeladen, dass es regelmäßig etliche Schachtanlagen inklusive Inventar weggeblasen hat.
Um dem vorzubeugen, kamen seinerzeit clevere Knappen auf die Idee „dem Berchderekter Steinknecht seine Sekretärin ihren Kanarienvogel“ mitsamt Käfig zu entwenden und im neu vorgetriebenen Stollen von Viktoria II, unterhalb des alten Schalke-Stadions, unterzubringen. Der wichtigste Mann in der Grube Viktoria II, Obersteiger Rudi Koslowski, öffnete sich ganz den profunde vorgetragenen Sicherheitserwägungen seiner Kollegen, trotz des anfänglich mürrischen Kommentars: „Watt soll datt denn wern? Tu datt Viech weg!“
Nicht nur weil es mit den Berechnungen des Lohns mit „die im Bürro“ immer Ärger gab, lautete Koslowskis Antwort auf die oberirdische Frage nach dem Verbleib des Vogels aus der Personalabteilung kurz und bündig: „Datt weiss ich auch nich, Herr Derekter!“
„Watt wech is, is wech …“ wussten jedoch einhellig die Kumpel und befestigten den Vogelbauer mitsamt Inhalt am vierten Stützstreben rechts hinter dem Stollenzugang. Dort verbrachte „Klein-Figgaroh“ manch dunkle Stunde im „Wetter“ des Bergbaus.
Zu Lebzeiten, nicht über Tage im Personalbüro, sondern unter Tage im Stollen, gehörte der pechschwarze Belgische Schäferhund Kappes des Obersteigers Koslowski zu den besten Beschützern des exotischen Piepmatzes „Figaro“. Sein Auftrag, mit Erfolg verschüttete Bergleute aufzuspüren, machte einen entscheidenden physiologischen Nachteil bei der Arbeit in der Zeche wieder wett. Wie oft waren fluchende Kumpel mit dem Bohrhammer in der Hand schon über den dunklen Vierbeiner gestolpert. „Rudi, tu datt Tia ne Lampe um!“ oder „Getz schick den Hund zu deine Alte, odah ich schick ihm selba!“ Solche Anwürfe der Kollegen musste sich Koslowski anhören. Was hier im Eifer der Arbeitsleute zum Ausdruck kam, war aber selten böse gemeint. So manches Grinsen strahlte aus den kohleverstaubten Gesichtern, wenn sich Kappes andächtig an Frühstückspause oder spontaner Streikversammlung beteiligte und schwanzwedelnd vor der Waschkaue auf Rudi wartete. Kappes war einer von ihnen, da biss die Maus keinen Faden ab. Durch sein unübertroffenes Riechorgan nahm er heftig bellend oder vorsichtig schnüffelnd manchen Wetterumschwung wahr, bevor „Klein-Figgaroh“ überhaupt einen kleinen gefiederten Mucks getan hatte. Durch seine direkte Nähe zu den Kumpels hatte sich Kappes unmerklich auch so etwas zugelegt, was man heute als politisches Profil bezeichnen würde. Bei den spontanen Streiks der Bergleute gegen Ende des Ersten Weltkrieges und auch während des Kapp-Putsches stand Kappes felsenfest an der Seite der politisch bewussten Bergarbeiter. Besonderen Applaus erntete er, als er in den Reihen der Roten Ruhrarmee bei der gescheiterten militärischen Besetzung des Ruhrgebiets den hysterischen Bergwerkdirektor und Kollaborateur der Freikorpsbanden, Walter Steinknecht, in den Arsch gebissen hat. Eine gelungene direkte Aktion mit allerdings blutiger Konsequenz, die sogar gestandenen Mehrheitssozialisten die Tränen in die Augen trieb. Meuchlings in der Nacht wurde Kappes von einem gedungenen, ostpreußischen Freikorpssöldner der schwarze Schäferhundkopf weggeschossen. Am darauf folgenden Tag stahlen deswegen einige entsetzte Bergleute und Rudi Koslowski mit alttestamentarischer Gründlichkeit den Spitz des verhassten Bergdirektors und zogen ihm bei lebendigem Leibe das Fell ab. Was in jenem Hunger-März 1920 in einer Gelsenkirchener Villa dem damaligen Direktor von Viktoria II und geladenen Militärs als schlesischer Karnickelbraten vorgesetzt wurde, wusste niemand besser als die unschuldige Köchin Else Kasitzki und die verschworene Bande um den Obersteiger Rudi Koslowski: Spitz in Buttermilch mit Mandelrosinensauce…
In der Frühzeit des Bergbaus kamen, um unter Tage zu arbeiten und das Erz vo m „tauben Gestein“ unterscheiden zu können, nacheinander Kerzenlampen, Öllampen, Gaslampen, Kerosinlampen und nach der Erfindung des Karbids Karbidlampen in Gebrauch. Sie wurden und werden von den Bergleuten „Geleucht“ genannt. Dazu heißt es auf Wikipedia: „ Neben den Beleuchtungsproblemen barg die offene Flamme auch die Gefahr eine r Schlagwetterexplosion also der lebensgefährlichen Explosion brennbarer Graubengase. Die ersten Versuche mit Kanarienvögeln als Gaswarner hatten zwar Erfolg bei der Erkennung von matten Wettern , aber weniger Erfolg bei brennbaren Gasen….Die entscheidenden Verbesserungen gelangen Carl Wolf aus Zwickau. Er ließ 1884 eine Lampe mit Benzinbrand patentieren, die heller brannte und auch nicht rußte. Endlich hatte der Kohlebergmann ein sicheres und ausreichend helles Geleucht zur Verfügung. Die zweite Neuerung Wolfs war die Innenzündvorrichtung, so dass der Bergmann die Lampe im Falle des Erlöschens vor Ort selbst wieder entzünden konnte, ohne dabei sich und seine Kameraden (Kumpel) zu gefährden. Mit diesen Innovationen trat die Lampe ihren Siegeszug in den kohlefördernden Ländern der Welt an. Die Firma Friemann & Wolf in Zwickau avancierte in kurzer Zeit zum größten Grubenlampenhersteller der Welt…
Seit dem frühen 20. Jahrhundert wurden vermehrt elektrische Grubenlampen im Bergbau eingesetzt. Dies waren zunächst batteriebetriebene Handscheinwerfer mit tornisterähnlichen Batteriekästen und separatem Scheinwerferteil. Der hohe Batterieverbrauch, der Gewichtsprobleme bereitete und hohe Kosten verursachte, führte zur Entwicklung wiederaufladbarer Akkumulatoren. Diese Blei- und Nickel-Cadmium- (auch: Alkali- oder Nass-)Akkus sind bis heute verbreitet und wurden kontinuierlich verbessert. Aus den Handscheinwerfern entwickelten sich kompakte Handlampen (genannt „Bombe“ oder „Püttlampe“), die bis in die 1960er Jahre eingesetzt wurden.
Bereits in den 1920er Jahren wurden Kopflampen hergestellt, die jedoch zunächst von Handwerkern verwendet wurden. Mehr und mehr wurde auch ortsfeste Beleuchtung unter Tage eingesetzt. Diese entspricht im Prinzip einer normalen elektrischen Beleuchtung, allerdings werden alle Teile besonders robust und im Steinkohlenbergbau auch schlagwetter- bzw. explosionsgeschützt ausgeführt…Das Ende der Entwicklung klassischer Kopflampen markierte der Einsatz von Halogenglühbirnen. Diese Lampen hatten dann eine zweite Glühbirne als Nebenlicht.
Der aktuelle Trend geht zu Kopflampen mit Hochleistungs-LED-Technik und wartungsfreien Lithium-Ionen-Akkumulatoren, die nochmals eine wesentliche Gewichts- und Größenreduktion möglich machen. Durch die geringe Stromaufnahme der LEDs ist es möglich, den Akku mit ins Kopfstück zu integrieren, sodass der Akkukasten und das Lampenkabel entfallen.“
Die Entwicklung der Kopflampen geht also weiter – und wird zunehmend elektronischer, aber der Bergbau geht zurück.
Auf „foerdergerueste.de“ findet sich eine Ergänzung zur Entwicklung von „Wettersicherheitslampen“: Die ersten in Deutschland durchgeführten Versuche wurde durch die 1796 von Friedrich Alexander von Humboldt erfundene Rettungslampe eingeleitet. Diese für den Bergungseinsatz bei matten (sauerstoffarmen) Wettern im Erzbergbau vorgesehene Lampe hatte nur eine geringe Branddauer und war daher für einen mehrstündigen Einsatz ungeeignet. Sie basierte auf der Idee des 1780 von Aimé Argand erfundenen Hohldochtes. Bei der Humboldt’schen Lampe wurde die zum Betrieb benötigte Luft, durch einfließendes Wasser aus einem geschlossenen Behälter herausgepresst und gelangte mittels einer geeigneten Leitung und Hohldüse direkt an die Flamme. Als Wettersicherheitslampe konnte diese nach heute geltenden Maßstäben natürlich nicht angesehen werden, da hier eine offene Flamme vorhanden war. In der Publikation „ Ueber die unterirdischen Gasarten und die Mittel Ihre Nachtheil zu vermindern – Ein Beytrag zur Physik der praktischen Bergbaukunde“ aus dem Jahre 1799 berichtet von Humboldt dazu aber folgendes:
„Da nun schon über zwey Jahre verflossen sind, seitdem ich diese Werkzeuge zu Stande gebracht habe, und die Rettungslampe bereits in beträchtlicher Anzahl versandt worden ist, so habe ich die Freude, meine eigenen Versuche auch die an anderen Orten, und ohne meine Mitwirkung angestellten beyfügen zu können.“
Ableitend hiervon kann man aber annehmen, daß diese eine relativ weite Verbreitung im mitteldeutschen Erzbergbau gefunden haben mag. Besonders interessant ist aber der folgende Satz, welcher auch der obengenannten Publikation entnommen ist: „Man darf bey dieser mit Lebensluft zu unterhaltenden Lampe nicht fürchten, dass Entzündungen von Knall-Luft in der Grube entstehen möchten“ . Hierbei hat sich von Humboldt wohl aber doch geirrt, da seine Lampe bauartbedingt keinen Schutz gegen Schlagwetter bot“.
Auszugsweise Übersicht der britischen Schlagwetterunglücke bis zur Einführung der ersten Wettersicherheitslampen“:
Im Ruhrgebiet hat man mit der „größten Grubenlampe der Welt“ auf der Halde Rheinpreußen dem „Geleucht“ der Ruhrkumpel ein kleines Denkmal gesetzt. Bergarbeiter-Denkmäler gibt es ansonsten auf der ganzen Welt, daneben wurden die Werkzeuge der Bergarbeiter und die unter Tage eingesetzten Maschinen bis hin zu den Tagebau-Großgeräten in vielen Bergbauregionen musealisiert.
„Der Bergbau im Oberharz diente der Gewinnung von Silber, Blei, Kupfer und zuletzt auch Zink. Besonders von der Silbergewinnung ging vom 16. bis zum 19. Jahrhundert ein großer Reichtum, aber auch bedeutende technische Erfindungen aus. Mittelpunkt dieses Bergbaus waren die sieben Oberharzer Bergstätte Clausthal, Zellerfeld, Sankt Andreasberg, Wildemann, Grund, Lautenthal,“ heißt es auf Wikipedia. Nach dem Anschluss des Königreiches Hannover an das Königreich Preußen 1866 übernahm die Königlich-Preußische Bergbauinspektion und ab 1924 die Preussag den Betrieb der Bergwerke des Oberharzes. Um 1900 wurden Schachtteufen von 1000 Metern erreicht. Die Förderung der Erze wurde damit immer aufwendiger. Gleichzeitig musste man bei immer besser werdenden Transportmöglichkeiten auch mit anderen in- und ausländischen Erzen konkurrieren. Der Raubbau während des Ersten Weltkrieges und sehr niedrige Metallpreise verursachten auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1930 eine große Stilllegungswelle, der große Bergwerke in Clausthal-Zellerfeld, Bockswiese und Lautnthal zum Opfer fielen. In Bad Grund wurde der Oberharzer Erzbergbau noch bis 1992 fortgeführt.“ Im Rammelsberg bei Goslar befindet sich ein „weithin bekanntes, stillgelegtes Bergwerk . 1988 wurde nach über 1000 Jahren nahezu ununterbrochenen Bergbaus die Erz förderung eingestellt; seit 1992 gehört das Besucherbergwerk Rammelsberg zum UNESCO-Weltkulturerbe.“ Der Stadt sieht man ihren einstigen Reichtum immer noch an. „ Die meisten unserer Besucher beginnen ihre Sightseeing-Tour auf dem Marktplatz. Neben dem Rathaus mit dem prächtigen Huldigungssaal und der Kaiserworth, dem früheren Gildehaus der Tuchhändler, ist vor allem das Glockenspiel mit Figurenumlauf ein Besuchermagnet. Vier mal täglich erzählen zur Melodie des Steigerliedes die bunten Figuren die Geschichte des Bergbaus und der Stadt,“ heißt es auf der Internetseite „goslar.de“. In einer Broschüre las ich: „Nach der Bergbau-Krise in den Dreißigerjahren kam mit der Wende im Harz die neue Tourismus-Krise.“ Als ich vor einigen Jahren dort war, zum Pilze sammeln, erschrak ich vor den vielen großen Hotel- und Restaurant-Komplexen, die dicht gemacht hatten und bereits so aussahen, als würden sie auch nie mehr aufmachen.
„Der saarländische Steinkohlebergbau ist seit dem Wochenende Geschichte. Ohne Kohle wird das Land ein anderes sein – wie es aussehen wird, weiß noch kaum jemand,“ schrieb die FAZ 2012. „Die Kohle und das Saarland, fast 260 Jahre lang waren sie untrennbar miteinander verwoben, und man kann kaum hoch genug einschätzen, welche Bedeutung das eine für das Werden des anderen hatte. Ausgerechnet die Bodenschätze, die das Saarland über Jahrhunderte zum Spielball zwischen Frankreich und Deutschland machten, schafften, was der Politik nie recht gelang: Sie schufen, gemeinsam mit dem Stahl, so etwas wie eine unteilbare, unveräußerliche Identität. Ganz gleich, zu welchem Kriegsgewinnler das Land gerade gehörte.Die Kohle machte die randständige Region reich und seine Bewohner unbändig stolz – auch Bodo Kunzke, der 1981, als 16-Jähriger, unter Tage anfing. Doch da hatte der Niedergang schon längst begonnen, weil die ausländische Konkurrenz immer größer und die Förderung immer unrentabler wurde. Grube um Grube musste schließen, bis von einst 18 nur noch die von Bodo Kunzke in Ensdorf übrig war. Von den 70.000 Menschen, die zu den Hochzeiten für die Kohle arbeiteten, blieben zuletzt nur noch 5000. Trotzdem hat bis heute fast jeder Saarländer jemanden in der Familie, der im Berg war, und die wenigen, die keinen haben, kennen einen, der einen kennt. „Was anderes als Bergbau konnte ich mir nie vorstellen“, sagt Bodo Kunzke, er kann es bis jetzt nicht. Der Zusammenhalt unter Tage, so will es das kollektive Gedächtnis des Landes, dieses bedingungslos aufeinander Angewiesensein, hat das Saarland erst geschaffen. Doch was ist es dann noch, ohne seine Kohle?
Als Kopf der Bergbaugegner hat Lehnert jahrelang gegen den Kohleabbau gekämpft, der das Saarland durchlöchert wie ein Schweizer Käse und über die Jahre unzählige Grubenbeben verursachte. Tausende Häuser in der Region sackten ab, in manchen Gemeinden hatte fast jeder einen Riss im Fundament. Eine unangenehme, aber nicht zu ändernde Begleiterscheinung des Abbaus, erklärte das Betreiberunternehmen RAG jahrelang – und wehrte sich lange standhaft gegen großzügige Entschädigungen. Auch die Politik zögerte – bis das stärkste je im Saarland gemessene Grubenbeben im Februar 2008 über Nacht alles veränderte.
Binnen weniger Monate wurde der eigentlich erst für 2018 geplante Auslauf des Saar-Bergbaus auf Mitte 2012 vorverlegt – immer noch viel zu spät, wie Lehnert findet. „Die vielen negativen Folgen, die der Bergbau auch hat, werden völlig vergessen“, sagt er – die Erdbeben, deren Gefahr Lehnert auch nach dem Ende der Kohle nicht für gebannt hält; die Schadstoffe in den Bergwerken, deren sichere Entsorgung er bezweifelt; der Strukturwandel, der durch die Kohle „auf Jahrzehnte“ verschlafen worden sei. „Das Saarland könnte viel besser dastehen, wenn wir uns schon in den 60er Jahren von der Kohle verabschiedet hätten“, sagt Lehnert, den sie wegen seines Engagements gegen den Bergbau gerade zum Bürgermeister in seiner Gemeinde Nalbach gewählt haben. Dass jemand wie Bodo Kunzke nicht weiß, wie es weitergehen soll, dass das ganze Land kollektiv Trauer trägt: Lehnert hält das für übertrieben, sogar für verlogen. „Es wird noch viel schlimmer kommen“, prophezeit er. ‚Die Probleme aus dem Bergbau werden uns alle noch lange beschäftigen‘.“
Ebenso die Probleme aus den Folgeprojekten auf den Zechen: „In Landsweiler-Reden, wo auch einmal eine Grube war, haben sie das Kohleareal vor Jahren in einem finanziellen Kraftakt in einen Dinosaurierpark umgewandelt, der mangels Besucher fast schon wieder geschlossen werden sollte.“
Franz Fühmann verglich seine Arbeit als Schriftsteller mit der eines Bergmanns unter Tage. Dies ließe sich auch über die Arbeiten der anderen hier erwähnten Autoren sagen, ob dieser Vergleich jedoch etwas hergibt? Ein Beispiel von tausenden sei erwähnt – von Gerhard Wolf (in „Moskauer Tagebücher“): „Christa Wolf sagte in einem Interview der Zeitschrift ‚Woprossy literatury‘, der Schriftsteller Jurij Trifonow ‚habe den Felsblock des Stalinismus wie ein Bergmann mit dem Preßlufthammer unermüdlich und zielstrebig aufgebrochen‘.“
Wenn es stimmt, dass die Zahl der Arbeiter, die „im Berg“ tödlich verunglücken, weltweit seit Jahren zurückgeht, während die Zahl der „im Dienst“ getöteten Autoren, vor allem unter den Kriegsreportern, stetig steigt, dann kann man allerdings mutmaßen, dass irgendwann die Schatzsuche der Handarbeiter von der Datenrecherche der Kopfarbeiter abgelöst sein wird, zumal der Bergbau sich mehr und mehr in die Tiefsee verlagert, wo er mit (unbemanntem) Hightech-Gerät erfolgt – also bald vollends Kopfarbeit geworden sein wird. Da auch in anderen Branchen die Arbeitsabläufe zügig automatisiert, d.h. elektronisiert, werden, ist schon vom generellen Verschwinden der Arbeiterklasse die Rede.
2012 zeigte das „Konsortium Deutsche Meeresforschung“ eine Leistungsschau in Oberbayern. Der Katalog dazu – „Tiefsee – Expeditionen zu den Quellen des Lebens“ – fiel eher sehens- als lesenswert aus. Die Zukunft unter Wasser endet darin im Technokitsch: – mit Visionen des Designers Jacques Rougerie: riesige schicke U-Boote zum Leben, Spielen und Arbeiten in der Tiefe. Es geht dabei laut Wallstreet-Online-Journal um „Unterwasserbergbau – die Lösung aller Rohstoffsorgen“, der Sender „n-tv“ sagte es so: „Milliarden-Geschäft am Meeresboden“. Die Bremer Marine-Umweltforscher von „Marum“ und die Kieler Ozeanforscher von „Geomar“ teilten bereits 2012 mit: „Wettlauf um Erze aus der Tiefsee steht bevor“. Er hat inzwischen begonnen: so unterzeichnete die Bundesregierung z.B. gerade bei der „Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) auf Jamaika einen Lizenzvertrag über die Exploration von Industrierohstoffen im Indischen Ozean. Östlich von Madagaskar haben Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften schon mal einhundert Claims von jeweils zehn Mal zehn Kilometer Länge abgesteckt. Zuvor hatte der Bundeswirtschaftsminister den Tiefseebergbau zur „Chefsache“ erklärt.
Ãhnlich amerikanisch-bunt und -opulent wie der Katalog des Konsortiums Deutsche Meeresforschung ist das 2015 erschienene Buch der „Küstendenker“ Wolfgang Korn und Ulli Kulke: „Lebensraum Meer. Menschen, Küsten, Handelsrouten“. Darin geht es neben der Geschichte der Welt- und Ozeanerkundungen ebenfalls um die „Ozeane als Rohstoffquelle“. Am Schluß zitieren die beiden Autoren Elisabeth Mann Borgese, der zufolge das „landgestützte Dasein“ der Menschen vielleicht nur eine „Episode von kurzer Dauer“ ist – und folgern daraus: „Warum nicht, zurück in die Ozeane?“ Die Seerechtsexpertin, Initiatorin des maltesischen „Ocean Institutes“, der Zeitschrift „mare“ und Autorin des Buches „Das Drama der Meere“ (1975) sowie des Berichts „Die Zukunft der Weltmeere“ (1985) meinte vielleicht eher „zurück auf die Ozeane“, um sie gründlicher zu erforschen, wörtlich sagte die Namensgeberin eines großen Forschungsschiffes des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung 1999 jedenfalls: „Vielleicht werden wir nie wirklich lernen, mit den Meeren zu leben, aber der Weg ist das Ziel.“
In Qullissat, auf der Diskoinsel vor der Westküste Grönlands, begannen die dänischen Kolonialherren 1924 mit dem Abbau von Steinkohle. Laut Wikipedia wurde „Qullissat eigens für die Unterbringung der Bergarbeiter errichtet. Zu Spitzenzeiten des Kohleabbaus lebten in dem Ort über 1.500 Menschen; heute ist der Ort verlassen. Die Arbeiter waren zum überwiegenden Teil einheimische Inuit, die Betriebsleitung wurde von europäischen Zuwanderern gestellt. Eine natürlich gewachsene Siedlung von Jägern und Fängern hat an dieser Stelle nicht bestanden.“
1972 wurde der Kohleabbau eingestellt. Für die Beendigung des Abbaus gibt es laut Wikipedia drei Gründe: 1. „Der Abtransport der geförderten Kohle war extrem mühselig und kostenintensiv. Die geförderte Kohle musste zunächst zum Ufer gebracht werden. Der Bau eines Hafens war jedoch nicht möglich, da das Ufer sehr flach ist, eine Hafenmole wegen des starken Eisganges aber nicht gebaut werden konnte. Also wurde die Kohle zunächst in kleine Boote verladen, und musste dann in auf Reede liegende größere Transportschiffe umgeladen werden. 2. Der Abbau war nur in den Wintermonaten möglich, da die Grube in den warmen Monaten durch die starken Schmelzwasserzuflüsse des umliegenden Eises teilweise überflutet wurde. Unter diesen Umständen sank die Förderung auf unter 2 Tonnen pro Tag. 3. Zu Beginn der 70er Jahre gab es unter der Arbeiterschaft erste Bestrebungen, eine Arbeitervertretung und -partei zu gründen, was auf jeden Fall verhindert werden sollte. Nach Ende der Kohleförderung wurde die Siedlung Qullissat aufgegeben und die Einwohner zogen zum Teil weit in den Süden Grönlands, wobei der größte Teil heute in Ilulissat lebt. Aus diesem Grund wurde die Kirche von Qullissat abgebaut und steht heute in Ilulissat oberhalb des dortigen Sportplatzes. Weitere Informationen zur Geschichte des Bergwerkes und zum Bergbau in Grönland allgemein sind im Knut Rasmussen Museum in Ilulissat zu sehen.“
Auf der Berlinale wurde 2015 ein wunderbarer grönländischer Dokumentarfilm gezeigt: „Sume – Mumisitsinerup Nipaa “. Sume ist der Name einer politischen Rockband, die sich in den Siebzigerjahren im Zusammenhang der wachsenden Unzufriedenheit vieler Grönländer mit der dänischen Verwaltung ihrer Insel, der größten der Welt, gründete. Nicht zuletzt die Unzufriedenheit der arbeitslos gewordenen Bergarbeiter, die aus ihren Häusern in Qulissat aus ziehen und an anderen Orten in schnell für sie errichtete Plattenbausiedlungen einziehen mußten.
Das erste Album der Band, deren Mitglieder damals alle in Kopenhagen studierten, hieß Sumut (1973). Auf „cafebabel.de“ heißt es: „Sumut war ebenso skandalös wie erfolgreich: Auf dem Albumcover prangt ein Inuit, der stolz die zerhackte Leiche eines Norseman , der Personifikation der nordischen Staaten, präsentiert. Die Songs, für deren Lyrics vor allem Malik Høegh verantwortlich zeichnet, handeln von sozialen Missständen in der grönländischen Gesellschaft, von der unerträglichen Abhängigkeit von der dänischen Krone , dem Verfall der indigenen Inuitkultur, von Ausbeutung und Zerstörung der Natur. „Am Anfang waren wir alle schockiert, als wir Sumes Musik hörten“, erzählt eine ältere Grönländerin im Film. „Es hatte ja noch nie jemand vorher auf Grönländisch gesungen!“ Sume bedeutet auf Grönländisch ‚ wo? ‚
Immer mehr Konzerte gibt die Band in Dänemark, knapp 20% der grönländischen Bevölkerung kaufen das Debütalbum und auch auf politischer Ebene bleiben die Forderungen nicht ungehört. Zeitgleich formieren sich immer mehr Vereine und Jugendorganisationen, die eine größere Unabhängigkeit von der Krone und eine Rückkehr zu den Wurzeln der Inuitkultur fordern. Nach dem zweiten Album ( Inuit Nunnat , 1974) tourt Sume endlich auch durch Grönland und spielt sogar ein paar Konzerte im damaligen Ostberlin. Ihren Zenith hat die Band damit allerdings überschritten, die Bandmitglieder stehen vor dem Ende ihres Studiums und der Rückkehr nach Grönland.“ Aber bis heute kennen alle Grönländer ihre Musik und lieben sie, sie wissen, warum. Auch das zeigt der Film.
„Bevor Sume sich auflöst, n ah men die fünf Musiker mit Sume (1977) ein letztes Album auf, verbr acht en ganze Tage im Studio und misch t en die Songs in der letzten Nacht vor ihrem Rückflug noch ab. Die folgenden 14 Jahre sollten sie sich nicht wiedersehen – der Stern von Sume ist ebenso schnell gestiegen, wie er auch wieder untergegangen ist. Vielleicht ist die Band wegen der extremen Kürze ihrer Karriere zu einem derartigen Mythos geworden. Vielleicht war es auch einfach nur das Timing: 1979, nach langen Jahren der Agitation und der Proteste, wird in Grönland endlich die weitgehende politische Selbstverwaltung ( Home Rule ) eingeführt.“
Äußerste Mongolei
In der Mongolei gibt es sehr viele Bodenschätze, aber auch viele Berggeister und dementsprechend viele Riten, um sich mit ihnen ins Benehmen zu setzen. Als der junge Schamane Sukhbaatar Tughsbayar Berlin besuchte, interviewten Dondog Batjargal und ich ihn dazu: „Ein Ritus führt etwa dazu, dass sich ein Berggeist beruhigt, denn Berggeister können sehr böse werden. In der Mongolei gibt es viele Bergwerke. Die Geschäftsmänner profitieren davon, aber die normalen Menschen haben Nachteile dadurch. Vor einigen Jahren sprach mich ein Mann an, der in einem Bergwerk nahe des Flusses Tuul, der durch Ulaanbaatar fließt, arbeitete. Dort wurde Gold gefördert. Jeden Tag, als er zur Arbeit ging, fühlte er sich schlecht, zu Hause aber wieder besser. Ich begleitete ihn zu seiner Arbeitsstelle. Dort fühlte ich, dass der Berggeist sehr böse wegen des Eingriffs war. Ich habe andere Arbeiter gefragt. Denen ging es ähnlich. Aber der Inhaber meinte nur: Ihr müsst hier weiterarbeiten, ihr könnt ja auch gutes Geld dabei verdienen. Dann wird auch euer Leben besser. Ich musste dann eine Entscheidung treffen. Mehrmals vollzog ich einen Ritus, um mit dem Berggeist zu kommunizieren. Ich wollte den Menschen nicht ihre Arbeit nehmen, aber der Schacht musste irgendwann dichtgemacht werden. Während des Rituals begann dann schwerer Regen. Als ich mehrere Monate später an den Ort zurückkehrte, hatte man den Schacht aufgegeben. Die Natur hat sich den Schacht zurückgenommen.“
Aus dem Gobi-Nationalpark berichten die Viehzüchter-Genossenschaften, dass sich bereits etliche Mongolen mit ihren Herden vom Bergbau vertrieben bei ihnen eingefunden hätten.
Im Rahmen des 90-jährigen Jubiläums des mongolischen Bergbaus organisierten das Ministerium für Mineralische Rohstoffe und Energie und die Bergbaubehörde 2012 das internationale Forum „Mining Mongolia-90“.
Im Februar 1922 fasste die erste Volksregierung den Beschluss, die Inbetriebnahme einer Kohlegrube in Nalaikh unter staatliche Verwaltung zu stellen. Heute werden im Bergbau 20,2 Prozent des BIP erwirtschaftet, 69,6 Prozent der Industrieproduktion und 89,2 Prozents des Exports. Dem Bergbau sei es zu verdanken, dass die mongolische wirtschaft im vergangenen Jahr um 17 Prozent gewachsen sei.
Mongolische Politiker bezeichnen ihr Land gerne als „Ei zwischen zwei Steinen“ (zwischen China und Russland). Es hat mit die meisten Bodenschätze – und nur 2,5 Mio Einwohner auf einem Territorium viereinhalb mal so groß wie die BRD. US-Ölmanager versprachen der Mongolei deswegen nach der Wende, es werde bald das Kuwait Asiens sein: Das heißt kein Mongole muß mehr arbeiten, die ganze Dreckarbeit werden andere (Russen, Chinesen, Koreaner, Mexikaner, etc.) für sie tun. In Wirklichkeit ist es bald jedoch genau umgekehrt, wie ein Mitarbeiter der Asian Development Bank meint: Aus den selbstbewußten Nomaden werden nach und nach Bauhilfsarbeiter, Bergarbeiter, Kellner, Zimmermädchen und Go-Go-Dancer.
Sie wehren sich natürlich: Im April fanden allwöchentlich große Demonstrationen gegen die Korruption und den Ausverkauf des Landes in Ulaanbataar statt. Nahezu die gesamte Industrie und über 600 Bergbau-Konzessionen gelangten bei der Privatisierung in die Hände der kommunistischen Kader, deren reformierte Partei heute rechter (neoliberaler) als alle anderen ist. Zusammen mit den ebenfalls nicht zartbesaiteten Frontschweinen der internationalen Bergbau- und Ölkonzerne leiten sie nun den Reichtum der Monglei außer Landes. Demonstranten gelang es kürzlich, die „Boro-Gold“-Mine im Norden zu schließen, dabei wurde ein Demonstrant von Polizisten getötet. Die Ausbeute war hier auf 15 Jahre terminiert worden, der Konzern durfte die ersten fünf Jahre steuerfrei schürfen, dabei gelang es ihm, die gesamte Lagerstätte bereits in dieser Zeit auszubeuten. Während der Streit um Boro-Gold noch andauerte, demonstrierten vor dem Parlament etwa 200 Leute, die ihre gesamten Ersparnisse beim Zusammenbruch von 15 Genossenschaftsbanken verloren hatten. Sie warfen dem Leiter der Bankenaufsicht mangelnde Kontrolle vor. Wenig später wurde er erschossen.
Umstritten ist auch das gigantische Kupfer-Gold-Abbau-Projekt des kanadischen Konzerns Ivanhoe in der Wüste Gobi. Hierzu wurde hastig ein Gesetz der Opposition im Parlament eingebracht, das eine drastische Besteuerung der Gewinne vorsah im Falle einer Steigerung der Edelmetallpreise auf dem Weltmarkt. Sofort nach Verabschiedung des mongolischen Gesetzes sanken die Aktien von Ivanhoe auf fast die Hälfte. Neben dem Kupfer-Gold-Vorkommen gibt es noch eines des größten Kohlevorkommen der Welt. Dieses möchte Russland ausbeuten: Die Mongolei schuldete Russland 250 Mio Dollar, die sie über eine tschechische Bank überwies. Dabei verschwanden jedoch 50 Mio – wahrscheinlich in die Taschen einiger Regierungsmitglieder und ihrer Frauen, die daraufhin jedenfalls größere Summen auf einige US-Banken transferierten. Als Ausgleich für die fehlenden 50 Mio will Russland sich nun mit dem Kohlevorkommen in der Gobi zufrieden geben.
Aus der deutschsprachigen Presse: Um Geld in die Staatskasse zu bekommen, will das fernöstliche Land seine Rohstoffvorkommen nach und nach privatisieren und an die Börse bringen. Auf diesem Wege könnte die Mongolei, so etwa die Einschätzung von Alisher Djumanov von Eurasia Capital Management in Beijing, in den kommenden drei Jahren mehr als drei Milliarden US-Dollar neues Kapital einnehmen. Geld, das dringend für die Weiterentwicklung des Landes benötigt wird.
Bei der Privatisierung der Rohstoffvorkommen möchte man auch westliche Investoren berücksichtigen, so versichert der Premierminister des Landes, Süchbaataryn Batbold, in einem Interview.
Wie das dann konkret aussieht, dafür gibt es bereits einige Beispiele. So etwa das Tavan Tolgoi Kohleprojekt, für dessen Erschließung die Mongolei im letzten Oktober ein Abkommen mit Ivanhoe Mines geschlossen hat. Ein anderes Abkommen wurde mit Rio Tinto unterzeichnet, das die Entwicklung des Kupfer-Gold-Projektes Oyu Tolgoi vorsieht. Oyu Tolgoi wird von Rio Tinto als das weltweit größte Vorkommen dieser Art bezeichnet, das über einen Zeitraum von 30 Jahren (!) abgebaut und einen Umsatz von 30 bis 50 Milliarden US-Dollar generieren kann.
Als besonders aussichtsreich wird von Experten das Kohlevorkommen in der Mongolei bewertet. Zumal die potenziellen Abnehmer, Russland und die Volksrepublik China, unmittelbare Nachbarn sind. So ist die bereits erwähnte Ivanhoe Mines am Minenbetreiber SouthGobi Energy Resources beteiligt, der in der Mongolei Kohlevorkommen von 400 Millionen Tonnen besitzt.
SouthGobi Energy Resources ist seit einigen Jahren an der Börse in Toronto gelistet – das Kürzel lautet SGQ – und wird dort derzeit mit einer Marktkapitalisierung von 2,6 Milliarden Kanadischen Dollar bewertet. Zudem hat das Unternehmen erst vor wenigen Wochen einen Börsengang in Hongkong durchgeführt. In der ehemaligen Kronkolonie stießen die Papiere auf großes Interesse, es konnten in kurzer Zeit knapp 460 Millionen Kanadische Dollar eingesammelt werden.
Ein Listing in Hongkong plant auch eine Gesellschaft, die derzeit noch ein absoluter Geheimtipp ist: Prophecy Resource. Das Unternehmen wird nach der angekündigten Übernahme von Red Hill Energy (CA:RH) in der Mongolei zwei Kohlelagerstätten haben, die zusammen auf Vorkommen von über 1,5 Milliarden Tonnen kommen. Das ist also fast viermal soviel wie SouthGobi aufweisen kann.
Nach dem Zusammenschluss von Prophecy Resource und Red Hill Energy werden beide Gesellschaften zusammen aber nur auf eine Marktkapitalisierung von 35 Millionen Kanadische Dollar kommen. Verglichen mit dem Konkurrenten SouthGobi Energy, der wie bereits erwähnt mit 2,6 Milliarden Kanadischen Dollar bewertet wird, ist das wenig.
Robert Friedland, Vorstandsvorsitzender von Ivanhoe Mines Ltd., informierte in Vancouver (Kanada) darüber, dass 73 Prozent des Oyutolgoiprojektes umgesetzt seien, bezüglich der Kupferförderung 80 Prozent.
Im 4. Quartal dieses Jahres soll die Aufbereitung von Kupfer, Gold und Silber beginnen, im ersten Halbjahr 2013 die volle Produktionskapazität erreicht sein und Oyutolgoi offiziell in Betrieb gehen.
Zu den bisher investierten fünf Milliarden USD müssten weitere vier Milliarden hinzugefügt werden. Dazu seien Verhandlungen mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, mit dem IWF, BNP Paribas, der kanadischen Exportagentur u. a. aufgenommen worden.
Ab der vollen Inbetriebnahme 2013 sollen bis 2023 jährlich 544 000 Tonnen Kupfer, etwas mehr als 600 000 Unzen Gold und rund drei Millionen Unzen Silber gefördert werden.
Die mongolische Regierung will verhindern, dass die Aluminium Corporation of China Limited (Chalco) die Ivanhoe-Anteile am Kohleproduzenten South Gobi Resources übernimmt und hat die Explorations- und Minenlizenzen des Unternehmens ausgesetzt. Betroffen ist auch die Ovoot Tolgoi-Kohlemine, wo geschätzte 175,7 Millionen Tonnen Kohle lagern.
Das Übernahmeangebot von Chalco an Ivanhoe Mines beläuft sich auf 928 Millionen US-Dollar für 60 Prozent der Eigentumsanteile.
Nach dem vorläufigen Stopp seitens der mongolischen Regierung sanken die Aktienkurse von Chalco um 1,6 Prozent auf 3,70 Hongkong-Dollar, die von South Gobi fielen um zehn Prozent auf 49,90.
. Am 20. April hatte Tom Albanese, Vorstandsvorsitzender von Rio Tinto, das seine Eigentumsanteile an Ivanhoe Mines mittlerweile auf 51 Prozent erhöht hat, erklärt, den South Gobi-Anteilsverkauf noch einmal überdenken zu wollen. Der Verkauf würde jedenfalls dem Hauptziel des Unternehmens (die Ausbeutung der Gold- und Kupfermine Oyutolgoi) nicht entgegenstehen.
. Das Angebot Chalcos sei das höchste gewesen. Trotzdem würde Rio Tinto versuchen, die Bedenken der mongolischen Regierung zu berücksichtigen.
An der Boro sind ca. 50 illegale Goldminen geschlossen worden, nachdem das ganze Wasser mit Zyanid vergiftet wurde.
Der Bergbaukonzern „Boroo Gold“ beschloß, 250 Arbeiter und Angestellte zu entlassen. Der Betrieb in Boroo werde demnächst eingestellt und die Betriebsaufnahme in Gachuurt verzögert sich wegen der ungeklärten Entscheidung über das Wald- und Wasserschutzgesetz weiter. Den Betroffenen würden Übergangsgelder gezahlt. Die Leitung des kanadischen Unternehmens bedauerte die Entscheidung, aber sie hätte keine andere Wahl.
Für die Mongolen steht fest: Einen Ausverkauf ihrer Rohstoffe ohne Nutzen für die Bevölkerung soll es nicht geben. Mit deutscher Unterstützung arbeiten Bergbaugemeinden und der Staat daran, den Reichtum im Boden für die eigene Entwicklung zu nutzen. Erdenetungalag ist Lehrerin in Zaamar Soum, einer Bergbaugemeinde mit 5.400 Einwohnern, etwa 200 Kilometer nordwestlich der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar. Nachmittags trifft sie sich mehrmals in der Woche mit ihrer Gruppe „Ireedui“, die sie Anfang des Jahres 2013 zusammen mit sieben anderen Frauen gegründet hat. Ireedui bedeutet Zukunft. „Wir haben diesen Namen gewählt, weil wir hoffen, mit der Gruppe unsere Zukunft selber gestalten und verbessern zu können“, sagt sie. In der Bergbaugemeinde Zaamar Soum wird seit 20 Jahren in großem Umfang Gold und Eisenerz abgebaut. 22 Bergbauunternehmen arbeiten vor Ort, die das wirtschaftliche Leben dominieren. Vom Reichtum im Boden haben die Bewohner lange Zeit nicht profitiert.
Im Gegenteil: Über 2.000 Hektar Land sind durch den Rohstoffabbau zerstört worden. Bergbauunternehmen haben den Fluss Tuul umgeleitet, um besser Gold waschen zu können. Die Stellen, wo Nomaden ihre Tiere getränkt haben, sind dadurch ausgetrocknet. So haben viele Menschen ihre Existenzgrundlage verloren, denn Viehzucht ist neben dem Bergbau der wichtigste Wirtschaftszweig in der Region. Die Frauengruppe um Erdenetungalag will die Lebensbedingungen in ihrer Gemeinde verbessern. Zum Beispiel haben sie sich vorgenommen, sich für eine bessere Wasserqualität einzusetzen. „Dazu säubern wir den Brunnen in unserer Straße und setzen einen Wasserfilter ein“, berichten sie. Gemeinsam haben sie einen Projektantrag erarbeitet, den sie bei verschiedenen Bergbauunternehmen einreichen. Bis vor einiger Zeit stellten die Unternehmen der lokalen Verwaltung ein Budget für kommunale Entwicklungsaufgaben bereit, doch diese investierte die Gelder ohne die Bevölkerung einzubeziehen.
Heute ist das anders: Bei einem Runden Tisch tauschen sich Bürger, Verwaltung und Bergbauunternehmen aus und arbeiten eng zusammen. Unterstützung erhalten sie dabei von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Vorhaben „Integrierte Mineralische Rohstoffinitiative“ durchführt und dabei auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von Bergbaugemeinden wie Zamaar Soum fördert. Der Bedarf dafür ist hoch: „Durch das Leben als Nomaden und das seit der Ära des Kommunismus bestehende Misstrauen gegenüber Kollektiven hat dazu geführt, dass es wenig Zusammenhalt gibt.“, weiß Stefan Hanselmann, der das Vorhaben leitet. Die Mongolei ist reich an Gold, Kupfer, Kohle, Uran, Erdöl, Wolfram, Molybdän und Flussspat. 80 Prozent der Exporteinnahmen stammen aus Rohstoffen. Dennoch lebt rund ein Drittel der Bevölkerung in Armut. Um die Ressourcen besser zugunsten der Bevölkerung einzusetzen, fehlen dem Land Rahmenbedingungen und Kompetenzen. Außer der Unterstützung der Zivilgesellschaft durch Gemeindearbeit bildet die GIZ vor allem Mitarbeiter in den staatlichen Institutionen, Behörden und Ministerien weiter, damit sie technische Expertise in Rohstofffragen, in der Bewertung von Rohstoffvorkommen oder bei der Aushandlung von Investitions- und Handelsabkommen entwickeln.
Seitdem sich Erdenetungalag in der Frauengruppe in Zaamar Soum engagiert, hat sich ihr Leben verändert: „Vorher hatten wir Lehrer keine Möglichkeiten, uns zu Fragen der Gemeindearbeit zu informieren oder weiterzubilden. Niemand hat uns beraten, wie wir unsere Ideen umsetzen und etwas für unsere Gemeinden tun können. Heute kann ich moderieren, präsentieren und mich viel besser ausdrücken. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung und Motivation.“
Die GIZ hat zwei einheimische Fachkräfte als Gemeindeentwickler eingestellt, die den Gruppen helfen, zu erkennen, was ihre Gemeinde braucht und Projekte auf den Weg zu bringen. In Planung sind eine Bushaltestelle, ein Brunnen und mehrere Zäune rund um das Gemeindeland. Die Bürger machen sich auch Gedanken, wie sie zusätzliche Einkommensmöglichkeiten schaffen können, zum Beispiel durch den Aufbau einer Druckerei. Die GIZ arbeitet bei dem Projekt mit dem „Mongolian Youth Development Services Center“ zusammen, einer einheimischen Nichtregierungsorganisation (NGO), die vor allem Jugendliche fördert. Die NGO bekommt Unterstützung, um die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Verwaltungen und Bergbauunternehmen zu koordinieren. „Damit alle an einem Strang ziehen, vermittle ich den Mitarbeitern unter anderem Grundlagen des Projektmanagements“, berichtet GIZ-Entwicklungshelferin Kathrin Raabe. Da die ländlichen Gemeinden kaum die Möglichkeit haben, sich um die Jugendlichen kümmern, hat die NGO in der Region 25 Jugendklubs für 13- bis 16-Jährige eröffnet.
Tuul, eine Schülerin der 9. Klasse in Zaamar Soum nutzt das Angebot: „Unser Jugendklub heißt Blumen der Zukunft und hat 26 Mitglieder. Ich freue mich jedes Mal, dort hinzukommen, meine Freunde und unsere Jugendklubleiterin zu sehen und etwas Neues zu lernen. Durch den Jugendklub bin ich viel offener und selbstsicherer geworden. Ich traue mich, vor anderen zu reden und meine Standpunkte zu vertreten.“ Die Jugendlichen hatten zuvor wenige Möglichkeiten, sich außerhalb der Schule zu treffen. Gemeinsam mit ihren Freunden hat Tuul eine von einer Bergbaufirma finanzierte Aktion durchgeführt, um den Viehzüchtern in Zaamar Soum beim Überwintern zu helfen. Andere Jugendklubs haben Müllsammelaktionen gestartet und Unterricht in Verkehrssicherheit in Schulen und Kindergärten organisiert. „In den Schulen gibt es viel Frontalunterricht. Fähigkeiten wie Teamarbeit, Diskutieren, Präsentieren und Moderieren lernen sie im Jugendklub“, sagt Kathrin Raabe. Die Projekte in der Gemeinde- und Jugendarbeit sind ein wichtiger Bestandteil des Vorhabens „Integrierte Mineralische Rohstoffinitiative“. Aber es geht auch um Transparenz, Nachhaltigkeit und um die Frage, wie der Rohstoffreichtum für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes genutzt werden kann.
Erste Voraussetzungen sind geschaffen worden: Die Mongolei wirkt Korruption und Missmanagement entgegen, indem sie Bergbauunternehmen und den Staat dazu verpflichtet hat, Zahlungen offenzulegen, über die Verwendung der Mittel Rechenschaft abzulegen sowie Sozial- und Umweltstandards im Rohstoffsektor einzuhalten – gemäß den Anforderungen der Rohstoff-Transparenzinitiative EITI (Extractive Industries Transparency Initiative). Mit dem „German Center of Excellence“ hat die Rohstoffinitiative außerdem eine Kontaktstelle für deutsche Investoren geschaffen. „Noch sind die Unternehmen zurückhaltend, doch Bergbautechnologie aus Deutschland könnte dazu beitragen, dass Rohstoffe im Land weiterverarbeitet werden und so eine Industrie mit vielen qualifizierten Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten für die Menschen in den Bergbaugemeinden entsteht“, sagt Projektleiter Stefan Hanselmann.
Der Konzern Areva (50 Milliarden Euro Auftragsbestand, 8,3 Milliarden Umsatz, 41.000 Mitarbeiter) hat in der Mongolei ein neues Uranvorkommen entdeckt. Am 22. April meldete die „UB Post“, die mongolische Tochter des französischen Industriekonzerns (Energieerzeugung, Nukleartechnik) Areva Mongol hätte in Zuuvch Ovoo im Osten der Mongolei eine neue Uranlagerstätte mit einem Volumen von 54 000 Tonnen entdeckt. Seit 2006 ist Areva in der Mongolei aktiv, leistet technische und technologische Unterstützung und arbeitet mit den Mongolen bei Exploration und Abbau von Uranerzen zusammen. Dulaan Uul mit 9 600 Tonnen gehört ebenfalls zu Areva Mongol. Insgesamt hält das Unternehmen 28 Bergbaulizenzen in der Mongolei.
Neuer Rio Tinto-Chef mit Zugeständnissen an mongolische Regierung: Erst am 17. Januar war der bisherige Vorstandsvorsitzende des international agierenden Rohstoffkonzerns „Rio Tinto“, der die Gold- und Kupfermine „Oyutolgoi“ im Südgobiaimag betreibt, Tom Albanese zurückgetreten. Der Konzern musste Abschreibungen in Höhe von 14 Milliarden USD verkraften. Auch der neue Chef Sam Walsh sieht sich mit Forderungen der mongolischen Führung konfrontiert, die Gesellschafterstruktur von Tourquoise Hills, ehemals Ivanhoe Mines Mgl., zu ändern. Die aktuelle benachteilige die mongolische Seite und weise dem Konzern mehr Geld zu, als ihm zustehe. Die Mongolei fordert mehr Einfluss beim Oyutolgoi-Projekt und der Aufteilung der zu erwartenden Milliardeneinnahmen. Präsident Elbegdorj hat gefordert, mehr einheimische Firmen am Bauprojekt zu beteiligen und ebenso eine mongolische Bank. Teile der Regierung und die Gewerkschaften sind mit den bisherigen Ergebnissen der Gespräche zwischen Mongolei und Tourquoise Hill nicht zufrieden. Sie fordern mehr Transparenz, auch von den mongolischen Beteiligten über tatsächliche Ausgaben und Finanzierungen. Sam Walsh signalisierte Gesprächsbereitschaft wies aber den Vorwurf zurück, T.H. hätte 2012 keine Steuern bezahlt. „Wir haben 280 Millionen USD an Abgaben und Gebühren bezahlt. 2011 waren wir der sechstgrößte Steuerzahler des Landes, obwohl die Mine da noch gar nicht in Betrieb war“. Der Ausbau der Oyutolgoi-Mine läge sogar noch vor dem Zeitplan, die Kosten ebenfalls in dem Rahmen, der den Regierungsvertretern vorgelegt worden sei. Nachdem die Herstellung von Kupferkonzentrat gerade angelaufen ist, soll noch im ersten Halbjahr 2013 die Produktion „im großen Stil“ anlaufen.
„Coal Mongolia – 2013“: Ende Februar fand in Ulaanbaatar die internationale Konferenz und Ausstellung zum mongolischen Kohlebergbau statt. An der Veranstaltung nahmen neben den Botschaftern aus den USA, Russland, China und Kanada 700 Delegierte aus zehn Ländern teil.
Die Regierung hat einen Entwurf für ein neues Bergbaugesetz vorgelegt: Am 17. Januar wurde der vom Präsidialamt erarbeitet Entwurf „Über den Bergbau“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Pläne der Regierung, das Bergbaugesetz zuungunsten der Investoren zu verändern, stoßen bei internationalen Konzernen auf Unverständnis. Sie befürchten einen übermäßig hohen Einfluss des mongolischen Staates auf den Bergbau. „Rio Tinto“ und andere im „Business Council“ verbundene Unternehmen haben bereits ein Protestschreiben an Präsident Elbegdorj auf den Weg gebracht.
„Im Norden Chinas sind tausende Bergarbeiter auf die Straße gegangen, um gegen das staatliche Kohleunternehmen Longmay zu protestieren. Sie haben seit mehreren Monaten keinen Lohn erhalten,“ berichtete die Deutsche Welle im März 2016.
„Die Kohlekumpel seien auf die Straße gegangen, nachdem der Gouverneur der Provinz Heilongjiang, Lu Hao, bestritten habe, dass das Unternehmen Longmay den Arbeitern ihren Lohn schulde, sagte ein Augenzeuge der Nachrichtenagentur AFP am Montag. Von offizieller Seite hieß es dann aber, die Bezahlung der Beschäftigten habe sich verzögert. Grund seien „über Jahre angehäufte Probleme“. Daher hätten „nicht wenige Arbeiter Schwierigkeiten“.
Den Angaben eines Informanten zufolge ist die desolate Finanzlage von Longmay Folge von Missmanagement. Die Firma beschäftige „dreimal so viele Arbeitskräfte wie im nationalen Durchschnitt für die Produktion von 10.000 Tonnen Kohle“. Ergebnis seien „hohe Verluste“. Die Firma bemühe sich „tatkräftig“ um Reformen. Ende vergangenen Jahres waren 21 Bergleute von Longmay beim Brand in einer Mine getötet worden.
Chinas Kohleindustrie produziert viel zu viel. Ende Februar hatte die Regierung wegen der enormen Überkapazitäten die Streichung von insgesamt 1,8 Millionen Arbeitsplätzen in der Kohle- und Stahlindustrie angekündigt. Weil das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik sich abgeschwächt hat, sinkt der Kohleverbrauch. Nach offiziellen Angaben ging er 2014 um 2,9 Prozent zurück und 2015 um 3,7 Prozent.
Derzeit muss die chinesische Regierung einen schwierigen Spagat schaffen. Sie will das Wachstum auf eine gesündere Basis stellen und gleichzeitig einen Konjunktureinbruch vermeiden, da sonst soziale Unruhen drohen. In den kommenden zwei bis drei Jahren werden wohl fünf bis sechs Millionen Arbeiter staatlicher Firmen ihre Arbeit verlieren, das sagten jüngst zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Vor allem die Kohle- und Stahlindustrie sind betroffen. Zugleich allerdings sollen in anderen Branchen zehn Millionen Arbeitsplätze neu entstehen, kündigte Ministerpräsident Li Keqiang Anfang März an.“
Ende März 2016 berichtete die FAZ aus Nordchina: „Das schwere Grubenunglück in Nordchina hat voraussichtlich 72 Bergarbeitern das Leben gekostet. Es gibt kaum Hoffnung, noch Überlebende zu finden.
53 Leichen seien gefunden, während noch 19 Kumpel verschüttet seien, berichteten die örtlichen Behörden laut dpa. Die Gasexplosion ereignete sich am Samstag nach Mitternacht in der Mengnanzhuang Kohlegrube nahe Xiaoyi in der Provinz Shanxi. 87 Grubenarbeiter waren zum Zeitpunkt des Unglücks unter Tage. 15 wurden gerettet. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich schwierig, weil Teile der Schächte eingestürzt waren. Doch konnte die Ventilation wieder hergestellt werden.“
Zuvor hatte „Labournet Germany“ berichtet: „ Sie tragen Schilder mit der Aufschrift “Wir wollen leben, wir wollen essen”: Im Norden Chinas sind seit dem Wochenende Tausende Bergarbeiter auf die Straße gegangen, um gegen das staatliche Kohleunternehmen Longmay zu protestieren, das ihnen mehrere Monate Lohn schuldet. Überdies sind die Löhne von 1000 auf 800 Yuan (umgerechnet 123 Dollar) im Monat gesenkt worden. “
Auf der Berlinale 2003 lief ein chinesischer Film mit dem Titel „Blinder Schacht“, der in einem illegalen privaten Kohlebergwerk spielt, in dem zwei Bergleute arbeiten, die einem jungen Arbeitslosen einen Job in ihrer Grube verschaffen und ihn nach einer Weile erschlagen, um vom Grubenbesitzer das Geld für die Beerdigung ihres „Bruders“ zu erpressen, indem sie damit drohen, ihn sonst wegen des „Unfalls“ und seiner vielen Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen bei der Polizei anzuzeigen.
„Émile Zola hatte in „Germinal“ (1885) das Leben der Bergarbeiter Ende des 19. Jahrhunderts in den nordfranzösischen Kohlegruben als immerwährenden Albtraum aus Hunger, Dunkelheit, Schmutz, Suff und Armut geschildert. Südfranzosen glauben, dass es dort oben immer noch so zugeht – mit dem bitteren Unterschied, dass jetzt auch noch die Kohlegruben pleite sind und alle sogar diese Arbeit verloren haben.“ schreibt „Die Welt“. Die Handlung des naturalistischen Romans von Zola spielte in der Bergarbeiter-Siedlung des Schachtes „Le Voreux“, wo es zu einem Streik kommt. Ein Teil der Bergarbeiter und Bergarbeiterinnen befürwortet ihn, ein anderer Teil versucht, mit den Eigentümern der Gruben Einvernehmen herzustellen und zu verhandeln. Der dann beginnende Streik wird von den Arbeitern anderer Gruben nicht mitgetragen. Die Lebensbedingungen der Arbeiter verschlechtern sich drastisch, da sie nun überhaupt nicht mehr bezahlt werden. Das Heer der wütenden Arbeiter von Le Voreux zerstört die Kohlengrube „Jean Bart“.
2015 berichtete das Deutschlandradio Kultur: „Der Bergbau gab den Menschen in Nordfrankreich einst Identität und Halt, die Hochöfen in Lothringen begründeten mit den heutigen Wohlstand Frankreichs. Mit dem Buch „Das Ende der Arbeiterklasse“ erinnert die ehemalige französische Kulturministerin, Aurélie Filippetti, daran.
Die Hochöfen sind erkaltet. Die Fördertürme stehen still. Die Fabrikhallen verfallen. Die Reihenhäuser, in denen die Arbeiter wohnten, sind längst verkauft. Von der einst blühenden Industrie im lothringischen Norden bleibt nur ein Phantom zurück.
Vergessen ist die Zeit, als Arbeiter hier mit Stolz und Schweiß Stahl erzeugt und Kohle gefördert haben. Die lothringische Abgeordnete und ehemalige französische Kulturministerin Aurélie Filippetti gibt den Bergleuten und Stahlarbeitern eine Stimme:
„Die Geschichte hat diejenigen nicht ausreichend anerkannt, die in den Gruben und Fabriken in den 50er- bis 70er-Jahren gearbeitet haben. Aber es ist ihr Verdienst, dass Frankreich, ja Europa, sich nach dem Krieg wieder erholt hat.“
Filippetti beschreibt eine Generation, der die Arbeit Würde gab. Männer, die im Kampf für Rohstoffe über und unter Tage ihre ganze Kraft ließen und nie gewürdigt wurden. Ein Industriezweig, der schließlich unterging. Eine Welt für sich. Eine Welt, in der die 41-jährige Autorin aufgewachsen ist. Tochter italienischer Einwanderer, Mädchen einer Bergarbeiter-Familie.
„Natürlich hat mich meine Familien-Geschichte inspiriert. Aber ich wollte keine Familien-Saga schreiben. Es ist eine zerbrochene Epoche, eine schwierige Zeit, ja eine Tragödie, die Lothringen erlebt hat. Ein Roman hätte die Brutalität dieser Geschichte womöglich ausradiert.“
Kommunisten und Sozialisten, mit Klassenbewusstsein, die für ihre Arbeiterrechte kämpften. Ein Milieu, eine Geschichte, die Filippetti nicht loslässt. Ihre Großeltern kommen aus Italien nach Lothringen, angelockt durch den Kohleboom. Tommaso, der Großvater, Mitglied der Résistance, wird unter Tage von der Gestapo verhaftet. Angelo, der Sohn, tritt die Nachfolge als Bergarbeiter an, schließt sich den Kommunisten an, wird Bürgermeister. Er stirbt an Lungenkrebs im Jahr als die letzte Grube dicht gemacht wird.
„Ich wollte ihnen eine Stimme geben. Ihnen das zurückgeben, was sie mir gegeben haben. Ich hatte das Glück, rauszukommen, zu studieren. Und das habe ich ihnen zu verdanken, weil sie sich für ihre Kinder eine bessere Zukunft gewünscht haben. Deshalb wollte ich ihnen was zurückgeben.“
Würde, Stolz und einen Platz im kollektiven Gedächtnis Frankreichs. Aurélie Filippetti hat keine Heldensaga geschrieben. Es ist ein melancholischer Nachruf auf die lothringische Arbeiterklasse.“
Die fleischessenden Bergarbeiter sind eigentlich nicht die Zielgruppe für „Die Zeit“, dem Zentralorgan der Vegetarier und Veganer, aber deren Reiseredaktion kümmert sich doch gelegentlich um Bergwerksorte, wenn sie nur weit genug weg und damit exotisch genug sind: z.B. die Goldgräberstadt „Walhalla“ östlich von Melbourne/Australien. „Dies ist einer jener Orte, von denen die Toten mehr zu erzählen wissen als die Lebenden,“ so fängt die Zeit-Reportage an. Walhalla hatte während des Goldrauschs 2500 Einwohner, zehn Hotels und sieben Kirchen, heute leben noch 15 Menschen dort, aber pro Jahr kommen 120.000 Gäste. Es gab einst drei Brauereien am Ort. Selbst die Kinder tranken Bier, erzählte man dort dem Zeit-Autor, „zur Sicherheit: Das Wasser des Stringer’s Creek war mit Arsen belastet und nicht wenige der Verstorbenen auf dem Friedhof hat das Gift auf dem Gewissen.“ Das Goldvorkommen wurde 1862 entdeckt, 1910 bekam die Stadt eine Eisenbahnstrecke, „da war der Goldrausch längst vorüber und Walhalla auf dem besten Weg zu einer Geisterstadt.“ 1915 wurden die letzten Minen geschlossen „und die Bahn diente vor allem dazu, Maschinen und große Teile der Stadtfassade abzutranportieren.“ 1998 wurde Walhalla an das Stromnetz angeschlossen. Um die rund 70 Tonnen Gold insgesamt zu fördern, hatte man einen mehr als 1000 Meter tiefen Schacht angelegt. Dazu mußten 80.000 Tonnen Holz aus den Wäldern der Umgebung geholt werden. Die Holzfäller, die auf dem Friedhof von Walhalla liegen, mußten sich immer weiter von der Stadt entfernen, um noch geeignete Bäume zu finden.
Das war schon zu Zeiten Homers ein Problem des Bergbaus: Mit Homer, in der Eisenaxtzeit beginnt laut Friedrich Kittler unsere abendländische Wissenschaft – Schrift, Musik, Mathematik…Bei Homer heißt es an einer Stelle – über eine Gruppe von Holzfällern im Gebirge:
„Und nun zogen sie aus mit holzzerhauenden Beilen,
Mit gewundenen Seilen und vorn an der Spitze die Mäuler;…
Sobald sie die Schluchten des quelligen Ida erstiegen,
Fällten sie rüstig sogleich mit scharfem schneidenden Erzhieb
Himmelragende Eichen; laut krachend stürzten sie nieder.
Drauf zerspalteten sie die Männer Achaias und luden
Auf die Tiere das Holz…“
Etwa 400 Jahre später berichtet Platon bereits über die Verkarstung der Berge infolge ihrer Abholzung: „Holz hatte es reichlich auf den Bergen…Die Dachgebälke großer Häuser hat man aus den Bäumen der Berge hergestellt. Daneben gab es auch viele veredelte Fruchtbäume…Ferner erfreute sich das Land durch Zeus eines jährlichen Regenergusses, der ihm nicht wie jetzt durch Abfluß über den kahlen Boden weg verloren ging…“
In seinem „Kritias“ schrieb er: „Übriggeblieben sind nun im Vergleich zu damals nur die Knochen eines erkrankten Körpers, nachdem ringsum fort geflossen ist, was vom Boden fett und weich war, und nur der dürre Körper des Landes übrigblieb.“
Platon erwähnt den immer mehr gestiegenen Holzbedarf der Bergwerke nicht, in denen vor allem Sklaven arbeiteten. Sie überlebten Unter Tage nicht lange. Gefördert wurde in den Gruben vor allem Silber und Eisenerz. Die demokratische Stadt Athen besaß etliche Gruben, die sie jedoch an Bergwerks- und Sklaven-Besitzer verpachtet hatte. Die Sklavenarbeit in Bergwerken wurde von den Römern beibehalten und setzte sich Anfang des 15. Jahrhunderts unter den Spaniern und Portugiesen in Südamerika fort. Der Bischof in den spanischen Kolonien in Amerike Bartholomé de las Casas berichtet empört über „Die Verheerung Westindiens 1790“ durch die spanischen Eroberer: „Ihre Sorgfalt oder Seelensorge bestand darin, daß sie die Mannspersonen in die Bergwerke schickten, um Gold zu graben, welches eine fast unerträgliche Arbeit ist. Die Weibsleute aber schickten sie auf ihre sogenannten Stationen oder Meiereien, wo sie den Feldbau besorgen mußten; eine Arbeit, die nur für starke und rüstige Mannspersonen gehört. Diesen, wie jenen, gaben sie nichts anders zu essen, als Kräuter und dergleichen Sachen, die keine Kraft haben…“
Das Land ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts der grösste Goldproduzent der Welt und verfügt heute über 41% der Goldreserven, berichtete die NZZ 2005. „Die tiefsten Bergwerke reichen bis rund 3700 Meter unter die Erdoberfläche – nirgendwo sonst wird für den Rohstoffabbau so tief gegraben. Die Zukunft der kostenintensiven Bergwerke wird indessen immer fraglicher. Ein Augenschein in einer Mine zeigt die Grenzen der Modernisierung. Schon vor der Wende zum 20. Jahrhundert wurde auf dem heutigen Stadtgebiet Johannesburgs Gold abgebaut. Die Vorkommen erstrecken sich in einem Bogen etwa von Evander, rund 100 km östlich von Johannesburg, bis Welkom, rund 200 km südwestlich. Die meisten ultratiefen Goldbergwerke liegen heute südwestlich der Stadt. Nicht weit ausserhalb werden in der trockenen Buschlandschaft die ersten Schutthügel der Minen und Türme von Schachtausgängen sichtbar. Die Logos der Goldgesellschaften sind dort omnipräsent, selbst in den Dörfern und auf den Dienstwagen der Goldproduzenten auf der Autobahn.
Eine relativ moderne ultratiefe Mine ist Mponeng von AngloGold Ashanti, nahe dem Dorf Fochville gelegen. Der Schacht des Bergwerks stammt aus dem Jahr 1986. Besuchern springt zuerst der Betonturm am Schachtkopf ins Auge. Die umliegenden Gebäude dienen unter anderem der Erzverarbeitung und der Verwaltung. Rasen, Blumenrabatten und ein Biotop mit einem künstlichen Bach säumen Strassen und Parkplätze. Der Minenmanager Johan Viljoen, ein riesiger, vierschrötiger Afrikaaner, gibt den Besuchern im modernen, aber einfach eingerichteten Verwaltungsgebäude eine Einführung in «seine» Mine. Danach müssen sich die Besucher genau gleich wie die Arbeiter mit Overalls, Stiefeln und Handschuhen, Helm, einer Stirnlampe mit einer schweren Batterie, die am Gurt getragen wird, Ohrpfropfen und Schutzbrille ausrüsten.
Von den Garderoben aus führt ein tunnelartiger Durchgang zu den Liften am Schachtkopf – Metallkäfige, die entfernt an grosse Bergbahn- Gondeln erinnern. In diesen ratternden Käfigen fahren rund 3000 der 5616 Angestellten der Mine täglich zur Arbeit, bis zu 3500 Meter ins Erdinnere. Parallele Aufzüge transportieren unter Getöse das Erz an die Erdoberfläche. Der Lift fährt mit rasender Geschwindigkeit durch die Dunkelheit nach unten, Wassertropfen, Staub und kleine Steinchen fliegen durch die Luft. Der Schacht ist so gebohrt, dass er irgendwo unter Tag die Erzschicht durchstösst, die auf breiter Front in einem Winkel von 21 bis 24 Grad von der Erdoberfläche bis tief ins Erdinnere verläuft – Geologen schätzen, weiter als 5000 Meter. 3500 Meter unter Tag hat der Fels eine Temperatur von 55 Grad Celsius. Allzu unangenehm ist das Klima dennoch nicht. Dafür sorgt eine Kühlanlage. Von einer riesigen Eisfabrik an der Erdoberfläche her wird zerschlagenes Eis durch ein Röhrensystem in der Mine gepumpt. Ein Ventilationssystem bläst einigermassen frische Luft durch die Gänge.
Die Zone, in der effektiv Erz abgebaut wird, ist erst nach einem längeren Fussmarsch durch den Tunnel zu erreichen. Sie ist nichts für Leute mit Platzangst. Der Führer gibt den Besuchern erneut strenge Sicherheitsanweisungen – diesmal warnt er davor, beim Klettern in den niedrigen, steil abfallenden Gängen, den sogenannten «Stopes», an den dicken Trägern zu rütteln, welche alle ein bis zwei Meter die Decke stützen. Unter ohrenbetäubendem Lärm bohren kauernde Mineure mit Pressluftbohrern die Löcher für die Sprengung, die einmal pro Tag stattfindet. Nach der Sprengung schaufeln sie das Erz aus den Stopes hinaus. Die Erzschicht («Riff») ist rund 30 Zentimeter dick, die umliegende Gesteinsschicht, die mit abgebaut wird, 1 Meter 50. Wegen dieser geologischen Gegebenheiten ist der Goldbergbau in Südafrika nach wie vor sehr arbeitsintensiv. Fahrzeuge oder Roboter passen nicht in die Stopes. Schacht- und Tunnelbau wurden in den vergangenen Jahrzehnten ein Stück weit rationalisiert, doch in diesem Bereich der Mine besteht die einzige grosse Neuerung darin, dass der Abfall- Schlamm, der nach der Verarbeitung des Erzes an der Erdoberfläche übrig bleibt, in tunnelfüllende Kunststoffsäcke in den leeren Stopes gepumpt wird. Das erhöht die Stabilität des unterirdischen Gangsystems. Allerdings schliessen sich die Stopes wegen des Drucks, der auf dem Gestein lastet, mit der Zeit ohnehin.
Das Metall wird erst an der Erdoberfläche mühsam aus dem Gestein herausgelöst. Gigantische «Mühlen» zerkleinern dort unter Wasserzusatz den Schotter zu Schlamm, aus dem das Gold mit Hilfe von Cyanid und Aktivkohlefiltern herausgelöst und geschmolzen wird. Der finanzielle Aufwand für diese Art von Goldgewinnung ist beträchtlich. In Mponeng betragen die Cash-Kosten (Kosten ohne die Abschreibungen) rund 66 000 Rand pro Kilogramm Gold – also rund 325 $/Unze. Damit liegt Mponeng zwar unter dem südafrikanischen Durchschnitt von 342 $/Unze, aber weit über dem weltweiten Medianwert von knapp 250 $/ Unze.
Wie eh und je in Südafrikas Goldbergbau sind die Mineure in Mponeng grösstenteils schwarze Wanderarbeiter, die nicht nur aus Südafrika, sondern auch aus Nachbarländern wie Lesotho stammen. Sie haben oft nur eine schlechte oder gar keine Schulbildung genossen. Während der Apartheid (also bis 1994) durften Schwarze nicht mit Sprengstoff arbeiten, was ihnen die Karrierechancen nahm. Die Minen waren berüchtigt für schwere Arbeitskonflikte…Bis zum Jahr 2007 sollen 40% des Managements aus früher benachteiligten Bevölkerungsgruppen stammen. Ein weiteres Ziel der Regierung ist ein Frauenanteil bei den Mitarbeitern von 10% – auch unter Tag. Deshalb sitzt in Mponeng beispielsweise eine füllige Schwarze mittleren Alters im Aufzugs-Kontrollraum oder steht eine zierliche Zweiundzwanzigjährige, die Sprengmeisterin werden will, am Pressluftbohrer.
Wie es mit der bereits sehr tiefen Mine langfristig weitergeht, ist heute, wo Südafrikas Goldbranche in einer Krise steckt, eher unsicherer als in der Vergangenheit. Ingenieure sprechen davon, dass es sich, soweit heute absehbar, wirtschaftlich generell kaum lohnen dürfte, weiter als bis 4000 Meter Tiefe zu graben. Eine bestehende Mine um drei «Stockwerke» zu erweitern, kostet rund 1,4 Mrd. Rand (etwa 270 Mio. Fr.).
2012 streikten die südafrikanischen Bergarbeiter verschiedener Erzbergwerke. Er wurde laut Wikipedia von der AMCU, „der kleineren der beiden südafrikanischen Bergarbeitergewerkschaften, mit einer massiven Lohnforderung ausgelöst. Durch gewalttätige Auseinandersetzungen kamen über 40 Menschen ums Leben. Bei dem Versuch, eine Protestversammlung der Streikenden aufzulösen, wurden am 16. August 34 Bergarbeiter durch Schüsse der Polizei getötet. Zahlreiche Medien nannten dies das „Massaker von Marikana“. Trotz der Zusage einer Lohnerhöhung von bis zu 22 % zuzüglich einer Einmalzahlung von je 2000 Rand für die Bergleute weiteten sich Ende September 2012 die Streiks auf weitere Bergwerke aus.
Die 2001offiziell registrierte Association of Mineworkers and Construction Union (AMCU) forderte für die B ohrhauer (rock drillers) eine Lohnsteigerung von bisher etwa 530 auf 1220 Euro im Monat. Die AMCU kämpfte, teilweise gewalttätig, mit der regierungsnahen National Union of Mineworkers (NUM) um die Vorherrschaft bei der Vertretung der Bergleute. Im Februar 2012 hatte ein sechswöchiger Streik im benachbarten Platinbergwerk Rustenburg zu einer 125-prozentigen Lohnsteigerung geführt. Im Juli 2012 hatte das britische Bergbauunternehmen Lonmin, das mehrere Bergwerke in Südafrika besitzt, ohne Beteiligung der Gewerkschaften mit einigen Bergarbeitern höhere Löhne ausgehandelt. Als kurz darauf andere Bergleute ebenfalls höhere Löhne forderten, weigerte sich Lonmin. m 10. August 2012 rund 3000 der 26.000 Bergleute dem Streik an. Die Förderung der vier Lonmin-Bergwerke wurde daraufhin eingestellt. Das Lonmin-Management und die NUM weigerten sich, die Forderungen der Streikenden entgegenzunehmen. Am 11. August 2012 marschierten zahlreiche Bergleute, überwiegend NUM-Mitglieder, zum Büro der NUM, um ihnen ein Memorandum zu übermitteln. Kurz bevor die Bergleute das Büro erreicht hatten, kamen NUM-Offizielle aus dem Büro, schossen auf sie und töteten zwei von ihnen. Die Tötung der beiden Bergleute wurde in südafrikanischen Medien als Hauptgrund für den Vertrauensverlust der Bergleute in die NUM gesehen. Bis zum 14. August 2012 wurden bei verschiedenen Zwischenfällen vermutlich acht weitere Menschen getötet, darunter vier Bergleute sowie zwei Polizisten und zwei Wachleute, die durch Streikende getötet wurden. Am 30. August wurde bekannt, dass die festgenommenen Streikenden des Mordes an den 34 durch die Polizei getöteten Bergarbeitern angeklagt werden sollten. Die Justiz berief sich dabei auf ein Gesetz aus der Zeit der Apartheid, dem zufolge bei einer Schießerei unter Beteiligung der Polizei alle vor Ort festgenommenen Menschen angeklagt werden. Seit Anfang September 2012 weitet sich der Streik aus. Am 10. September waren etwa 15.000 Bergarbeiter im Streik, darunter auch ein Großteil der Belegschaft des Unternehmens Gold Fields.
Auf einer Versammlung bei Marikana wurde am 18. September 2012 bekanntgegeben, dass der Streik zum 20. September eingestellt werde. Die Arbeiter erhielten abhängig von ihren Aufgaben eine Lohnerhöhung von 11 bis 22 % sowie eine Einmalzahlung von je 2000 Rand. Zuma und Politiker der Democratic Alliance (DA) begrüßten das Ende des Streiks; die DA sagte zu, sich für politische Veränderungen zugunsten der Bergarbeiter einzusetzen. Die Kosten des Streiks inklusive der Verluste der Bergbaugesellschaften sollen über 4,5 Milliarden Rand betragen. Daneben wird auch eine Schwächung der Regierung, des südafrikanischen Ratings und des Rand sowie die Verunsicherung der Anleger als Folge des Ausstandes angesehen. Eine zunehmende Zuspitzung der Konflikte zwischen wenigen reichen und vielen armen Südafrikanern und zwischen dem ANC und seinen Stammwählern gaben Analysten als mögliche Konsequenz des sechswöchigen Streiks an.“
Dieser setzte sich fort, als Anfang Oktober 5000 Arbeiter des Anglogold-Ashanti-Goldbergwerks Kopanang einen wilden Streik begannen, „sie forderten die Verdopplung ihres Monatsgehalts auf 12.500 Rand. Am 28. September war auch ein Großteil der Bergleute von Anglo American (Amplats) und Impala Platinum (Implats) weiterhin im Streik.
Am 3. Oktober weitete sich der Streik auf die Eisenbergwerke in Sishen, die zur Kumba Iron Ore und damit zu Anglo American gehören, aus; etwa 300 Arbeiter weigerten sich, ihre Arbeit aufzunehmen. Am 5. Oktober 2012 entließ Amplats 12.000 Bergleute. Die entlassenen Arbeiter weigerten sich, ihre Kündigung anzuerkennen und sahen sich weiterhin als Mitarbeiter von Amplats an; ein Streikführer kündigte an, die Streiks bis zur Erfüllung der Forderungen – ein Monatsgehalt in Höhe von 16.000 Rand und Boni – weiterzuführen. Nachdem am 7. Oktober ein Gewerkschaftssekretär in Marikana erschossen worden war, drohten streikende Arbeiter mit gewalttätigen Demonstrationen. Am 8. Oktober kam nach einem Polizeieinsatz mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Streikenden ein Mann ums Leben, woraufhin ein Streikführer eine Mordanklage in Aussicht stellte. Kumba Iron Ore entließ am 15. Oktober 2012 alle Bergleute, die sich weigerten zur Arbeit zurückzukehren und nicht an disziplinarischen Anhörungen teilgenommen hatten. Insgesamt wurden bis zum 16. Oktober circa 15.000 Bergleute entlassen. Am 16. Oktober löste die Polizei den illegalen Streik bei den Bergwerken bei Sishen auf und nahm 40 Personen fest; bei einem Polizeieinsatz in Rustenburg wurde ein Polizist durch eine Machete verletzt. Die South African Municipal Workers‘ Union, die kommunale Angestellte vertritt, kündigte für die Woche bis zum 20. Oktober eine landesweite Arbeitsniederlegung an.
Am 19. Oktober 2012 beendeten 11.000 Bergleute der Goldminen des Unternehmens Gold Fields ihren Streik, nachdem ihnen mit Entlassung gedroht worden war. Die Streiks der Platinminenarbeiter gingen uneingeschränkt weiter.
Am 23. Oktober entließ Gold Fields 8.500 Arbeiter, am 24. Oktober kündigte AngloGold Ashanti die Entlassung von weiteren 12.000 Bergleuten an. Am 27. Oktober gab Amplats bekannt, die 12.000 entlassenen Arbeiter zu den gleichen Bedingungen wie zuvor wiedereinzustellen. Daraufhin kam es zu Gewalttätigkeiten zwischen Streikteilnehmern der AMCU, die bekräftigten, dass sie nicht wieder arbeiten würden bis ihre Forderungen erfüllt seien.
Auch die Vertretung der LKW-Fahrer, die South African Transport and Allied Workers‘ Union (SATAWU), drohte mit Streiks und forderte eine zwölfprozentige Lohnerhöhung. Der Streik, zu dem die SATAWU ihre 28.000 Mitglieder aufgerufen hatte, begann am 25. September 2012. Es wurde eine Lohnerhöhung von 12 % für das Jahr 2013 sowie von 9 % für das Jahr 2014 gefordert. Die Arbeitgeberseite bot in der zweiten Streikwoche eine Erhöhung um 6 % an und warnte vor den Folgen des Streiks für die gesamte südafrikanische Wirtschaft: Bei der Versorgung mit Benzin, Medizin und Nahrungsmitteln seien Engpässe absehbar. In den Provinzen Gauteng, Kwa Zulu-Natal und Westkap kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, bei denen auch Lastwagen in Brand gesetzt wurden; die SATAWU distanzierte sich von den Gewalttätigkeiten. Nach einer weiteren Intensivierung des Streiks, unter anderem mit einer Blockade der Innenstadt von Johannesburg kam es zu ersten Lieferschwierigkeiten bei Tankstellen und Geldautomaten und fehlendem Heizmaterial in Gauteng. Am 9. Oktober wurde ein Lastwagenfahrer, der seinen Job machen und nicht am Streik teilnehmen wollte, von streikenden Kollegen mit Steinen beworfen, sodass er wenige Tage später im Krankenhaus verstarb. Am 12. Oktober 2012 beendeten die LKW-Fahrer ihren Streik mit einem Tarifvertrag, der über drei Jahren laufen soll und gestaffelte jährliche Erhöhungen zwischen 8 und 10 % vorsieht. Insgesamt soll der Ausstand die LKW-Fahrer 271 Millionen Rand an Lohn gekostet und den Arbeitgebern einen Verlust von über 2,5 Milliarden Rand eingebracht haben.“
2014 meldete dpa: „In Südafrika haben unbekannte Täter einen Führer der militanten Bergarbeitergewerkschaft AMCU erschossen. Wie die Polizei mitteilte, wurde Bongani «Bhayi» Mehlonkomo am Dienstag getötet, als er von der Arbeit in der Platinmine von Marikana nordwestlich von Johannesburg zurückkehrte. Vergangene Woche war Mehlonkomos Name bei einer Anhörung über die Rolle der Polizei bei der blutigen Niederschlagung des AMCU-Streiks in der vom Lonmin-Konzern betriebenen Marikana-Grube genannt worden. 34 Bergarbeiter waren dabei im August 2012 getötet worden. Ein von der Polizei als Zeuge benannter Bergarbeiter hatte ausgesagt, Mehlonkomo sei in die Tötung von Polizisten und Wachleuten während der damaligen Streikbewegung verwickelt gewesen. Seit dem Beginn der Anhörung wurden dutzende Menschen getötet, darunter Zeugen und mindestens sieben Gewerkschaftsvertreter.“
2015 berichtete die NZZ: In Südafrika sorgt ein Video für Aufruhr, das zeigt, wie die Polizei einen wehrlosen Verdächtigen erschiesst. Die vier verhafteten Polizisten werden in den sozialen Netzwerken für ihre Tat gefeiert. Der Vorfall in Krugersdorp, einer Bergbaustadt in der Nähe von Johannesburg, ist zwei Wochen her. Er wäre für die Sicherheitskräfte wohl folgenlos geblieben, hätten Überwachungskameras den Ablauf nicht aus mehreren Perspektiven festgehalten. Am Sonntag veröffentlichte die südafrikanische Zeitung «Sunday Times» die Aufnahmen auf ihrer Website, drei Polizisten und eine Polizistin wurden vom Dienst suspendiert und verhaftet. Nur einer wurde auf Kaution freigelassen. Ihnen droht nun ein Mordprozess.
Die taz berichtete am 27.5.2016: „Die ehemaligen Kumpels südafrikanischer Goldminen jubelten und tanzten vor dem Gericht in Johannesburg, als die Entscheidung verkündet wurde: Endlich haben sie eine Chance auf Gerechtigkeit erhalten. Die Richter machten den Weg frei für die bisher größte Sammelklage gegen Bergbaukonzerne. 69 Bergleute werfen 32 Unternehmen vor, dass sie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in den Bergwerken an Tuberkulose oder einer tödlichen Staublunge erkrankt sind. Andere Betroffene können sich anschließen und die Unternehmen gemeinsam auf Schadenersatz verklagen.
‚Die Minenbosse wissen nun, dass die Bergleute keine Spielzeuge sind, sondern sie sind Menschen und verdienen es besser,‘ sagte der ehemalige Bergarbeiter Hendrik Mokoena nach der Verkündung. Der Richter betonte, dass es für viele Bergleute unmöglich sei, einzeln gegen die Unternehmen vorzugehen, da ihnen die finanziellen Mittel fehlten. Sie werfen den Unternehmen vor, ihre Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. In vielen Bergwerken habe es demnach keine Schutzausrüstung gegeben, die die Arbeiter vor dem Einatmen gefährlicher Stäube geschützt hätte. Vor allem in Goldminen, wo das in silikonreichem Quarzgestein verborgene Edelmetall gewonnen wird, entsteht beim Bohren und Abräumen ein gesundheitsgefährdender Staub. Er enthält Teilchen, die noch nach Jahren die Bildung von Gewebeknoten in der Lunge verursachen und so bewirken, dass die Aufnahme von Sauerstoff immer stärker eingeschränkt wird. Die Krankheit ist auch unter dem Namen Silikose bekannt. Eine Heilung gibt es nicht.
‚Auf die angeschlagene Bergbauindustrie kommen teure Zahlungen im großen Rahmen zu, die sie sich nicht leisten kann,‘ sagte Afrika-Expertin Ruth Bookbinder. Südafrikas Reichtum ist vor allem durch die vielen armen Migranten entstanden, die aus den Nachbarländern oder den ländlichen Gebieten Südafrikas kommen. Weil sie keine anderen Möglichkeiten haben, arbeiten sie trotz der Risiken und schlechten Bedingungen unter Tage in den Minen, dem schleichenden Tod ausgesetzt. In der Höchstphase der südafrikanischen Goldproduktion in den 1980er Jahren waren bis zu einer halben Million Männer gleichzeitig in den Minen beschäftigt. Gesundheitsschäden davongetragen haben laut Gericht insgesamt zwischen 17.000 und 500.000 Bergarbeiter.“
Die Diamant-Minenbesitzer haben vorerst noch andere Probleme – 2016 berichtete die FAZ: „ Der kanadische Diamantenförderer Lucara hat einen seiner Sensationsfunde in Botswana für 63 Millionen Dollar (55,3 Millionen Euro) verkauft. Der 813 Karat schwere Edelstein namens ‚The Constellation‘ (Das Sternbild) ist damit der teuerste Rohdiamant aller Zeiten. Der Verkauf lieferte einen Vorgeschmack auf die Versteigerung eines noch größeren Exemplars aus der gleichen Mine, den ‚Lesedi La Rona‘. Das tennisballgroße, 1109 Karat schwere Prachtstück soll Ende Juni auf einer Auktion von Sotheby’s verkauft werden. Bisher kursieren in der Branche Preisschätzungen von mehr als 70 Millionen Dollar. Auf Basis des Karatpreises für den Constellation-Diamanten würde sich ein Preis von 86 Millionen Dollar ergeben. ‚Lesedi La Rona‘ heißt in der afrikanischen Setswana-Sprache ‚Unser Licht‘. Lucara war ein kleiner, relativ unbekannter Förderer, bis er im November vergangenen Jahres dank moderner Röntgentechnik mehrere Riesendiamanten aus der Karowe-Mine in Botswana hervorholte. Der zunächst 1111 Karat schwere ‚Lesedi La Rona‘ ist der zweitgrößte Diamant, der jemals auf der Erde gefunden wurde. Übertrumpft wird er nur von dem 1905 entdeckten Cullinan-Diamanten aus Südafrika mit einem Gewicht von 3106 Karat.
Den Zuschlag für ‚The Constellation‘ bekam das in Dubai ansässige Handelshaus Nemesis International DMCC. Lucara sicherte sich eine Beteiligung von 10 Prozent am Nettogewinn mit den geschliffenen Steinen. Solche Abmachungen gibt es bei Verkäufen außergewöhnlicher Diamanten häufig, denn der Schliff steigert den Wert beträchtlich. Der Rekordpreis für den Rohdiamanten war vor allem seinem Gewicht geschuldet. Je Karat bezahlte Nemesis knapp 78 000 Dollar. Zum Vergleich: Der größte börsennotierte Förderer Petra Diamonds verkaufte im März einen rosafarbenen Rohdiamanten aus Tansania für rund 465 000 Dollar je Karat. Für Lucara werden die beiden Versteigerungen einen enormen Umsatzsprung bedeuten. Das Unternehmen hatte einen Erlös zwischen 200 und 220 Millionen Dollar in diesem Jahr erwartet – allerdings vor den jüngsten Funden. Der Aktienkurs des in Toronto notierten Förderers hat am Dienstag weiter im Kurs gewonnen und ist dreieinhalbmal so hoch wie vor fünf Jahren. ‚Wir freuen uns auf die weitere Entwicklung von Lucara mit dem Verkauf des spektakulären Lesedi la Rona‘, teilte Lucara-Chef William Lamb mit. Obwohl außergewöhnlich große oder farbige Diamanten immer wieder Sensationspreise erzielen, ist die Stimmung in der Branche immer noch gedrückt. Nach Angaben von Bloomberg sanken die Preise für Rohdiamanten 2015 um 18 Prozent, so stark wie in keinem Jahr seit der Weltfinanzkrise. Die Chefs der Diamantenkonzerne De Beer und Petra Diamonds sprachen nach den jüngsten Verkaufsrunden zwar von einer Besserung, warnten aber vor zu hohen Erwartungen. Auf dem Diamantenmarkt macht sich die geringere Nachfrage in China bemerkbar. Die Lagerstätte der beiden Riesendiamanten, die Karowe-Mine, hatte einst De Beers gehört.“
Die bekannteste Diamantenmine befindet sich bei Kimberley in Südafrika, die im Tagebau gewonnen Diamanten haben ein riesiges Loch geschaffen – das „Big Hole“. Ein ähnlich riesiges Loch in der Landschaft gibt es auch in Jakutien, wo ebenfalls Diamanten im Tagebau gewonnen werden. In Südafrika arbeiteten b ereits im Jahr 1870 auf den Diamantfeldern um Kimberley rund 50.000 Menschen, sie gehörten zunächst ebenfalls den Brüdern De Beers .
In Zimbabwe sorgte 2015 ein Löwe namens „Cecil“ für Schlagzeilen, weil ein amerikanischer Großwildjäger ihn aus dem „Hwange National Park“ rausgelockt und erschossen hatte. Benamt wurde „Cecil“ nach dem englischen Großwildjäger und südafrikanischen Politiker Cecil Rhodes, der 1889 Nord- und Südrhodesien (heute Sambia und Zimbabwe) unter britische Herrschaft brachte. Er war anerkanntermaßen einer der skrupelosesten Imperialisten. Sein Diamantenkonzern „De Beers“ besitzt noch heute faktisch das Welt-Diamantenmonopol.
Noch einmal die FAZ 2016: „In memoriam Nelson Mandela: Die Stadt Nürnberg hat sich entschieden, ein umstrittenes Denkmal zu errichten, einen knapp zwei Meter großen Acrylglas-Block mit einem eingelassenen Rohdiamanten. Das Objekt trägt den Namen „Rolihlahla“, der vom zweiten Vornamen des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten abgeleitet ist und der in Südafrika im Volksmund Unruhestifter bedeutet. Viele Nürnberger befürchten, dass der Diamant gestohlen oder das Kunstwerk zerkratzt werden könnte. Der Acrylglas-Block soll auf dem Nelson-Mandela-Platz in der Nähe des Hauptbahnhofs aufgestellt werden – „sobald ein passender Diamant gefunden wird“, sagte der Verwaltungsleiter des Kulturreferats, André Knabel, der Deutschen Presse-Agentur. Der Stein soll aus einer sogenannten fairen Diamanten-Mine kommen, in der keine unmenschlichen Arbeitsbedingungen herrschen. Insgesamt will die Stadt 110 000 Euro ausgeben.“
Die taz berichtete: „Immer mehr Menschen besorgen sich ihre Diamanten selber, indem sie die Asche ihrer verstorbenen Geliebten pressen lassen: Um die Asche eines Verstorbenen in einen Diamanten zu verwandeln, braucht es dreierlei: hohe Temperaturen, hohen Druck und genügend Zeit – etwa drei Monate, je nach Größe des gewünschten Steines. Nach der erfolgten Einäscherung, bzw. Feuerbestattung wird ein Teil der Asche entnommen und in die USA versandt. Dort werden in einem Transformationsprozess Kohlenstoff und Asche voneinander getrennt. Der dort extrahierte Kohlenstoff wird für einen Zeitraum von 4 bis 8 Wochen unter hohem Druck bei hoher Temperatur gepresst. Aus den dabei entstehenden Kristallen entsteht der Rohdiamant, welcher in der Folge nach Wunsch der Hinterbliebenen zu unterschiedlichen Formen geschliffen werden kann.
Der erste künstliche Diamant wurde 1955 in den Laboratorien der USA hergestellt. Der aus der erzwungenen Kristallisation von Kohlenstoff gewonnene Diamant fand auf Grund seiner Härte in der Industrie als Bohrer beim Zahnarzt, oder zum Schleifen von Werkzeugen seine Verwendung, jedoch konnte er nicht als Edelstein verwertet werden.“
Aus der Werbung: „Die Transformation der Asche erfolgt bei Christ-All Bestattungen mit größter Sorgfalt und Pietät – die Würde des Verstorbenen ist uns sehr wichtig.“
Der belgische Mikrobiologe Gaetan Borgonie sucht in der südafrikanischen Beatrix-Goldmine in 1300 Meter Tiefe nach Wasseradern, in der Süddeutschen Zeitung berichtete kürzlich Benjamin von Brackel, bisher habe er 30.000 Liter Wasser durch seine feinen Siebe laufen lassen. Der Wissenschaftler der Organisation „Extreme Life Isyensya“ (Eli) in Gent sucht dort unten nach Würmern, Rädertierchen, Pilze…Einen Fadenwurm mit gebrochenem taufte er Mephisto (Halicephalobus mephisto), in der Petrischale des Forschers hat er sich bereits vermehrt. Seine bloße Existenz dort unten in dem Jahrtausende alten Wasser, von Bakterien lebend, widerlegte die These, dass es in großer Tiefe in der Erde kein Leben mehr geben kann. Die Kleinstlebewesen müssen es vor allem schaffen, die große Hitze, ca. 50 Grad, auszuhalten. Im übrigen wandern die Tiere laut Borgonie „jeden Tag hinunter“ und wahrscheinlich auch hinauf.
Vielleicht ist das Leben gar nicht in „Darwins kleinem warmen Teich an der Oberfläche entstanden,“ sondern Unter Tage, „wo es beschützter gewesen sein könnte,“ rätselt eine Professorin für Erdgeschichte in Toronto. Wieder andere Geobiologen suchen in amerikanischen Minen und in noch weitaus älterem Wasser nach „Leben“, hoffen eine „komplett neue Biosphäre“ Unter Tage zu finden, befürchten jedoch, dass es dort unten eine „Dominanz von abiotischen Reaktionen“ gibt – damit würde diese Minenarchäologie eher ein Fall für Geologen, Physiker und Chemiker als für Biologen sein. Aber noch ist nichts entschieden. Es wird weiter im Schweiße des Angesichts, in staubigem Dunkel altes Wasser nach Kleinstlebewesen durchsiebt. „Aber es ist ein großer beeindruckender Ort“ dort unten in der Goldmine, sagt der Kopfarbeiter. „Die Minenarbeiter verstanden zwar nicht, was er dort tat, ließen ihn aber sein Arbeit machen, nachdem er sie beruhigt und erklärt hatte, dass die Würmer nicht gefährlich seien,“ fügt der Journalist hinzu.
Die Geobiologie begann einst mit dem Naturforscher Alfred Russell Wallace und blieb auch in der Folgezeit quasi an der Oberfläche, nun, da diese zwar noch nicht ausgeforscht ist aber keine großen Überraschungen bzw. Entdeckungen mehr verspricht, geht das Fach in die Tiefe: in die Bergwerke – und in die Höhe: zum Mars. Da soll es nämlich – ebenfalls in der Tiefe – mindestens Wasser geben. Und wo Wasser ist, da ist vielleicht auch „Leben“. Aber welcher Handarbeiter wird dort Schächte in den Boden treiben? „Freiwillige“ oder Roboter?
Schon die englischen Kolonialherrscher gründeten bzw. übernahmen etliche Bergwerke in Indien. Coal India Limited ist ein indischer Bergbaukonzern und der weltweit größte Förderer von Kohle. Der Firmensitz des 1975 gegründeten und staatlich kontrollierten Unternehmens befindet sich in Kalkutta, es hat 375.000 Mitarbeiter. Weiter heißt es auf Wikipedia: „Nach der Selbstständigkeit Indiens wollte man im ersten Fünfjahresplan Anfang der 1950er Jahre die Kohleproduktion steigern und kleinere Produktionseinheiten zusammenlegen. Die war der Anfang für einen national gesteuerten Kohlesektor, die National Coal Development Corporation mit anfänglich elf Bergwerken. 1972 wurden bis auf einige alle 226 Bergwerke mit Kokereien verstaatlicht und die Bharat Coking Coal Limited als Eigentümer gegründet, im Mai 1973 wurden alle 711 normalen Kohlebergwerke verstaatlicht und die Coal Mines Authority Limited als Eigentümer gegründet.
Ende der 1970er Jahre änderte das Unternehmen seine finanzielle Ausrichtung, vorher hatte man darauf geachtet weder einen Gewinn noch einen Verlust zu erwirtschaften, ab sofort begann man gewinnorientiert zu arbeiten. Anfang der 1980er Jahre überstieg die Kohleproduktion von Coal India erstmals 100 Millionen Tonnen, gleichzeitig expandierte man und gründete 1985 zwei weitere Tochterunternehmen, die Northern Coalfields Limited (NCL) und die South Eastern Coalfields Limited (SECL) übernahmen Bergwerke von den anderen Tochterunternehmen CCL und WCL. Ab den 1990er Jahren verzeichnete Coal India einen größeren Profit, im Fiskaljahr 1992 wurden 1,67 Milliarden Rupien erlöst und 200 Millionen Tonnen Kohle produziert. 1992 wurde auch das bislang letzte Tochterunternehmen gegründet, die Mahanadi Coalfields Limited (MCL). Ende der 1990er Jahre wuchs das Unternehmen weiter und vervielfachte seinen Gewinn, 1996 waren es 6,116 Milliarden Rupien. 2003 überstieg die Jahresproduktion von Kohle erstmal 300 Millionen Tonnen. Das Unternehmen baute seine Schulden mit den Gewinnen ab. 2009 gründete man die Coal India Africana Limitada, ein Tochterunternehmen in Mosambik. Im April 2011 verlieh die indische Regierung Coal India den Maharatna-Status, dieser wurde geschaffen, um aus großen nationalen Konzernen international agierende Global Player zu machen, dazu waren zuvor u.a. 10% des Unternehmenswertes als Aktien verkauft worden.
2012 wurde in Indien der Coalgate-Skandal bekannt: Zwischen 2004 und 2009 sollen die Bergbaurechte an 155 Kohleminen ohne öffentliche Ausschreibung vergeben worden sein. Laut Schätzungen des Rechnungshofs entstanden dem indischen Staat dadurch Verluste in Höhe von 207 Milliarden US-Dollar Der damalige Kohleminister und dann bis 2014 Premierminister Indiens, Manmohan Singh, soll dabei Großunternehmen bevorzugt haben und entgegen dem Grund für die Verkäufe, die Energieversorgung der Bevölkerung zu erhöhen, hat in den meisten Minen noch immer kein Abbau stattgefunden.
2013 war Coal India für den Public Eye Award nominiert. In der Nominierung wurde angeprangert dass das Unternehmen Gebiete in denen große Säugetiere leben zerstört und die einheimischen Stammesvölker aus ihren angestammten Gebieten vertreibt, diese müssen dann in tiefer Armut leben. Ein weiterer Grund waren die vielen Arbeitsunfälle, 2010 gab es 205 Tote und 699 schwer verletzte Arbeiter in den Bergwerken von Coal India.“
Die BBC meldete 2015: „A strike by millions of coal miners in India has been called off after talks with the government. The miners had launched a five-day-long strike on Tuesday in protest at government moves to open up the industry to private companies. They ended the strike late on Wednesday after the government agreed to re-examine the decision.“
2016 berichtete die Times of India: KOLKATA: „Five central trade unions representing almost 90 per cent of the workmen of Coal India have served a notice to the coal major’s management for a day’s strike on March 29 to protest disinvestment in the largest coal producer. The strike will also be observed at the state-owned Coalmine Singareni Collieries Company.“
Die Internetseite „indonesia-investments.com“ berichtete 2015: „ Indonesia is one of the world’s largest producers and exporters of coal. Since 2005, when it overtook Australia, the country is leading exporter in thermal coal. A significant portion of this exported thermal coal consists of a medium-quality type (between 5100 and 6100 cal/gram) and a low-quality type (below 5100 cal/gram) for which large demand comes from China and India. According to information presented by the Indonesian Ministry of Energy, Indonesian coal reserves are estimated to last around 83 years if the current rate of production is to be continued. Regarding global coal reserves, Indonesia currently ranks 10th, containing roughly 3.1 percent of total proven global coal reserves according to the most recent BP Statistical Review of World Energy. Around 60 percent of Indonesia’s total coal reserves consists of the cheaper lower quality (sub-bituminous) coal that contains less than 6100 cal/gram. There are numerous smaller pockets of coal reserves on the islands of Sumatra, Java, Kalimantan, Sulawesi and Papua but the three largest regions of Indonesian coal resources are: 1 . South-Sumatra, 2. South-Kalimantan, 3 . East Kalimantan.“
Neben Kohle wird in den indonesischen Bergwerken auch Nickel, Kupfer, Zinn, Gold, Bauxit und Diamanten gefördert. Es gibt im Umfeld von Goldminen im ausländischen Besitz etliche einheimische Goldsucher auf eigene Faust, Ninjas dort genannt. Sie wurden von der Sicherheitskräften ebenso wie von den Bergbaukonzernen verfolgt, während des Bürgerkriegs 1999 legte man ihnen nahe, sich in legal-genossenschaftlich zu organisieren.
2011 meldete das Handelsblatt: Timinika – In Indonesien haben Sicherheitskräfte nach Angaben eines Gewerkschaftsführers das Feuer auf streikende Arbeiter in einer Gold- und Kupfermine des US-Berbauunternehmens Freeport-McMoran eröffnet. Ein Mensch sei getötet, ein weiterer schwer verletzt worden.
2012 veröffentlichte der Guardian eine Reportage über ein Zinnbergwerk auf Ostsumatra: „Suge doesn’t have a mobile phone, so he uses a friend’s to tell us the news: he doesn’t want any visitors and he won’t talk. His boss has told him not to say anything. They’re neighbours and the mine’s just up the road and he needs this job – the job he hopes to go back to when he gets better, inshallah – because mining is good money. Everything is OK. Just please don’t come…
When the Dutch colonised Indonesia in the early 19th century, one of their first tasks was to carve out vast mines on the island where locals and Chinese coolies worked side by side digging for dark specks of cassiterite – the main mineral in tin ore – to be used in alloys, conductors and tin plating. Today that same tin is mined for use primarily as solder in consumer electronics, according to tin industry group ITRI, holding together the circuit boards, transistors and resistors in items such as smartphones and tablets and mobiles. Around seven grams of tin goes into every mobile phone.
There is a chain here: Bangka and Belitung produce 90% of Indonesia’s tin, and Indonesia is the world’s second-largest exporter of the metal. A recent Businessweek investigation into tin mining in Bangka found that Indonesia’s national tin corporation, PT Timah, supplies companies such as Samsung directly, as well as solder makers Chernan and Shenmao, which in turn supply Foxconn (which manufactures many Apple products). Chernan has also supplied Samsung, Sony and LG. So it is highly likely that the smartphone or tablet you use has Bangkanese tin in it, perhaps mined by Suge or one of the many tens of thousands of men like him, most of whom earn around £5 a day in a local industry that fetches roughly £42m of revenue for Indonesia every year.“
Der Guardian-Autor machte sich trotz Abweisung auf den Weg zum Bergarbeiter Suge und suchte ihn in seinem Haus auf: „Suge is propped up on a mattress on the floor watching soap operas, an overflowing spittoon at his side. Dangling from the rafters is the rope that keeps his leg elevated at night; today it whirls around his head like a noose not quite reaching its target.
Suge’s father tells us that his son’s accident was unavoidable. ‚The act of Allah,‘ he splutters, „a big warning from God for him to change his life!“ Suge is crying, spitting tears into the spittoon, moved by his father’s accusation that he never prayed enough before the accident. He begins describing the crumbling wall of mud that enveloped him, the image of his young daughter propelling him to fight to the surface and take his first breath of air. „Look, mining has changed our community,“ he says, trembling. „People are wealthier now. They can send their kids to school.“
But he knows that change is afoot. Two of his neighbours recently died while mining, bringing the unofficial death toll this year to 78, and the number of police crackdowns on informal miners has increased significantly in the past month. „We are on the cusp of a revolution here,“ Suge says quietly. „My accident was a small sacrifice to give happiness to people in the world, to give them phones and electronics.“ He begins likening himself to Napoleon Bonaparte, „the leader of the revolution“, until his father cuts in suddenly: ‚It’s silly. We are the ones producing the tin but we don’t use it. We don’t have handphones‘. Official police figures show that mining accidents such as Suge’s have quadrupled in the past two years, with the number of deaths increasing from 21 in 2010 to 44 in 2011. But activists say the number of dead actually averages around 100-150 every year, with many cases going unreported. Suge is lucky that his employer – a private mine operator that supplies tin to Timah – is paying him regular compensation and has offered to give him his job back once his leg heals. „
2013 berichtete n-tv: „In einem Kupfer- und Goldbergwerk in Indonesien ist ein Tunneldach eingestürzt und hat 37 Arbeiter eingeschlossen. Zwei Arbeiter konnten nur noch tot geborgen werden, bestätigten die Minenbesitzer, die US-Firma Freeport-McMoRan. Vier Arbeiter seien verletzt gerettet worden. Bergungsexperten arbeiteten rund um die Uhr, um die Eingeschlossenen zu erreichen. Vier Arbeiter wurden verletzt geborgen.
Die Decke eines unterirdischen Trainingszentrums ist eingebrochen“, teilte Freeport-Sprecher Eric Kinneberg mit. Dort hielten sich 40 Mitarbeiter auf. Drei entkamen, vier wurden nach seinen Angaben zwölf Stunden nach dem Unglück am Abend gerettet, einige von ihnen verletzt. Warum das Tunneldach einstürzte, blieb zunächst unklar. Das Trainingszentrum befinde sich außerhalb des Bereichs, in dem Gold und Kupfer abgebaut werden, sagte Kinneberg. Es liege etwa 500 Meter vom Eingang der Big-Gossan-Mine entfernt.
Die Big-Gossan-Mine gehört zum Grasberg-Komplex in der Provinz Papua im Osten Indonesiens. Das riesige Gelände im Hochland der Sudirman-Gebirgskette unweit des höchsten Berges in Ozeanien, der 4884 Meter hohen Carstensz-Pyramide, beherbergt nach Angaben von Freeport eines der größten Gold- und Kupfervorkommen der Welt. Dort arbeiten nach Firmenangaben 22.000 Menschen. Das Unternehmen ist dort sowohl über als auch unter Tage aktiv. An der Mine Big Gossan begann Ende 2010 die Produktion.
Umweltschützer werfen dem Unternehmen vor, die Flüsse zu verseuchen. Seit 2011 protestieren Mitarbeiter immer wieder für höhere Löhne. In der Provinz sind auch Separatisten aktiv. In der Nähe des Bergwerks kam es mehrfach zu Zusammenstößen.“
2014 berichtete „Die Zeit“: „Nach einem Unfall mit vier Toten haben Bergarbeiter die Grasberg-Mine im indonesischen West-Papua blockiert. Rund 2000 Demonstranten versammelten sich am Mittwoch vor dem Eingang zur Mine und verlangten von der Geschäftsführung, besser für ihre Sicherheit zu sorgen. Am Samstag waren vier Bergarbeiter beim Zusammenstoß eines Riesen-Lkw mit einem Auto gestorben. Erst im Mai 2013 waren beim Einsturz eines Bergwerktunnels 28 Menschen in der Grasberg-Mine ums Leben gekommen.“
2015 berichtete die Junge Welt: „In Indonesien sind zwölf Bergarbeiter durch eine Schlammlawine getötet worden. In der Stadt Bogor in der Provinz Jawa Barat bargen Helfer bislang fünf Tote, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Sieben Männer werden nach dem Erdrutsch vom Dienstag noch vermisst. Die Bergarbeiter hatten in einer nicht lizensierten Mine Gold abgebaut. Seit in der Region in den 1990er Jahren Gold gefunden wurde, kommt es immer wieder zu Unglücken.“
2016 veröffentlichte die Nordwestzeitung einen Reisebericht über eine Vulkanbesteigung auf Java: „Es ist kurz nach 2.00 Uhr morgens, als die schlaftrunkenen Touristen auf einem felsigen Pfad langsam zum Kraterrand hinaufsteigen. Zwei Stunden dauert der Aufstieg, und er ist mühsam. Oben geht es dann wieder hinunter, 300 Meter hinab in den Krater des Kawah Ijen. Die Szenerie ähnelt einem Science-Fiction-Film: Gigantische gelbe Felsblöcke, aus denen regelmäßig blaue Flammen schießen. „Es sind brennende Schwefelgase, die beim Austritt an die Oberfläche mit dem Sauerstoff reagieren und sich sofort als blaue Flammen entzünden.“ Das blaue Feuer kann man nur nachts sehen. Je näher man dem Kratersee kommt, desto stickiger wird es. „Setzt euch jetzt die Schutzmasken auf. Ab hier sind die Gase gefährlich“, sagt Malam. Beißende Schwefelschwaden schießen aus zerklüftetem Vulkangestein.
Was für die Touristen ein besonderes Naturerlebnis ist, bedeutet für die Minenarbeiter eine schwere Maloche. Unter den Blitzen der Touristenkameras schürfen die Bergarbeiter für einen Tageslohn von knapp acht Euro mit Hacken und Eisenstangen die gelben Schwefelblöcke. Handschuhe oder Schutzmasken tragen sie keine. Sie verladen die Blöcke in zwei Holzkörbe, die sie mit Bambusstäben den steilen Hang zum Kraterrand hochschleppen – und von hier ins nächste Dorf. Bis zu 100 Kilo wiegen die Körbe. „Das Schlimmste sind aber die giftigen Gase, die sie den ganzen Tag einatmen. Die Arbeiter werden normalerweise nicht viel älter als 60 Jahre“, weiß Malam.“
Diese Bergarbeiter, die dort Schwefel abbauen und auf ihren Rücken ins nächste Dorf schleppen, sah man auch in dem Dokumentarfilm „Workingmans Death“ (2005) von Michael Glawogger.
Erwähnt sei noch der Bericht „Die Kinderhölle der Schwefelgruben“ von Alfred Kurella, in seinem Buch „Mussolini ohne Maske. Der erste Rote Reporter bereist Italien“ (1931), auszugsweise wiederabgedruckt in dem Sammelband „Wir sind die Rote Garde“ Band 2 (1980). Der Schlesier Kurella war im Pariser Exil Chefredakteur von „Le Monde“, übersetzte dann im Moskauer Exil einige russische Klassiker und schrieb eine Stalin-Biographie, nach seiner Rückkehr 1954 übte er verschiedene kulturpolitische Funktionen in der DDR aus.
Die Stadt im südlichen Zentralbolivien war im 17.Jhd. eine der größten Städte der Welt. Die Wikipedia-Autoren schreiben: „Schon die Inka hatten am Cerro Rico Silber fördern lassen. Der Konquistador Egas de Guzman errichtete hier 1533 eine blutige Tyrannei. Als Bergbausiedlung gegründet, erreicht Potosí bald eine sagenhafte Blüte. Schon 1553 wird es deshalb zur Villa Imperial, zur Reichsstadt. Es war die Hauptquelle des spanischen Silbers mit bedeutender Münzprägung. Mit dem Bau der Casa Real de la Moneda, der königlichen Münze, wurde 1572 begonnen. Die spanischen Kolonisatoren holten riesige Edelmetallmengen aus der Mine, die sie in die ganze Welt verschifften. Als Konsequenz des vergrößerten Angebots kam es zu einer deutlichen Verringerung des Silberwerts unter anderem in China und Europa. Diese ging als „Preisrevolution , bzw. als Silber-Inflation des 16. Jahrhunderts in die Geschichte ein. Die Beobachtung von sinkenden Geldwerten führte zur wichtigen inflationstheoretischen Entwicklung der Quantitätstheorie des Geldes, die noch heute eine wichtige Rolle in den Überlegungen der Geldpolitik spielt. in den Silber- und dann auch Zink-Minen arbeiteten etwa 14.000 Menschen.
Die indigenen Zwangsarbeiter, die vielfach nicht aus dem Hochgebirge stammten, kamen zu Tausenden in den Minen zu Tode. Sie wurden trotz der dünnen Luft des Hochgebirges zu Höchstleistungen unter riskanten Bedingungen angetrieben. Der Verlust von Menschenleben wurde von der spanischen Bürokratie, die die jährlichen Fördermengen und Ablieferungen nach Sevilla zu leisten hatte, in Kauf genommen. Wie hoch die menschlichen Verluste tatsächlich waren, ist ein in der Wissenschaft umstrittenes Thema, denn weder die Zahlen der indigenen Bevölkerung vor, noch bei Eroberungsbeginn sind bekannt. Im Rahmen der Diskussion darüber entwickelte sich die so genannte leyenda negra über viele Millionen toter Minenarbeiter. So veranschlagt Eduardo Galeano „8 Mio. Leichen von Indianern“ als die Kosten des Silberbergbaus. Der spanische Versuch, schwarze Sklaven einzuführen, scheiterte an der sauerstoffarmen Höhenluft. Die meisten starben, bevor sie unter Tage eingesetzt wurden. Der Vizekönig von Perú Graf Lemos schrieb 1699 nach einem Besuch des Bergwerks an den Indienrat: „Nach Spanien wird nicht Silber, sondern Indianerblut und Indianerschweiß verschifft.“ 1719 raffte der Typhus allein in Potosí 22.000 Menschen in 10 Monaten dahin.“
2012 besuchte ein Spiegelreporter eine bolivianische Silbermine: „ Sprengstoff, Schnaps und Kokablätter: Die Arbeit in der bolivianischen Silbermine am Cerro Rico ist gefährlich – und häufig nur benebelt zu bewältigen. Touristen können den Männern bei der täglichen Plackerei zuschauen. Der Cerro Rico ragt über die heute verarmte Stadt. Eine bleibende Erinnerung an ihre finstere Vergangenheit. Seine Hänge sind mit Stollen und den Abfallprodukten von Hunderten Jahren Bergbau übersät. Heute gibt es rund 11.000 Bergarbeiter, knapp tausend davon sind Kinder, manche nicht älter als zwölf Jahre. Die Arbeitsbedingungen und die Abbaumethoden haben sich kaum verändert, seit im Jahr 1545 Silber im Cerro Rico entdeckt wurde. Die Bergarbeiter bauen jetzt andere Rohstoffe ab: Zinn, Kupfer, Zink und Blei. Der größte Teil der Silbervorräte war bereits Ende des 19. Jahrhunderts ausgebeutet. Ehemalige Bergarbeiter führen heute Touristen durch die Tunnel, die sich kilometerlang unter dem Berg erstrecken. Die Besucher bringen Geschenke mit, die einen freundlichen Empfang bei den Bergarbeitern garantieren sollen. Dynamit und Alkohol sind am beliebtesten.
Einer der Führer ist Ramirez. Er arbeitete drei Jahre in den Minen. Sein Vater starb mit 44 Jahren an einer Alkoholvergiftung, nachdem er 20 Jahre im Cerro Rico gearbeitet hatte. „Meine Mutter hat ständig wegen seiner Trinkerei mit ihm gestritten“, sagt Ramirez. „Er fand nach der täglichen Schufterei in der Mine Zuflucht im Alkohol.“ Ein älterer Bruder starb im Alter von 16 Jahren bei der Arbeit im Bergwerk. Er stützte in einen 30 Meter tiefen Schacht.
Diese Familiendramen sind aber nur ein kleiner Teil der großen Tragödie des Cerro Rico. Die meisten Bergarbeiter sterben immer noch zehn bis 15 Jahre vor dem nationalen Durchschnitt. Oft kommt es in den Minen zu Unfällen. Die häufigste Todesursache sind jedoch Lungenkrankheiten, die sich entwickeln, wenn die Bergarbeiter in den Minen giftigen Staub einatmen. „Am Anfang hatte ich Angst“, sagt Don Mario. Der 35-jährige Vater von drei Kindern fing mit 20 an, im Bergbau zu arbeiten. „Aber man gewöhnt sich daran.“ Der Eingang zur Rosario-Mine, der immer noch sein ursprüngliches Mauerwerk aus dem 16. Jahrhundert hat, ist mit dreckigem Wasser überflutet. Weiter drinnen im Labyrinth von Tunneln, von denen einige nur einen Meter hoch sind, wird der Untergrund staubig. Die Temperatur steigt von zehn auf 30 Grad Celsius. „Es freut mich, dass sie unsere Realität sehen“, sagt einer der Bergarbeiter. Er meißelt gerade ein Loch in die Wand, um ein Zinnflöz aufzusprengen. „Es ist kein gewöhnlicher Trip in ein Museum.“
Der Springer-Sender „N24“ meldete 2015: „Boliviens Kumpel sind für ihre militanten Aufstände bekannt. Bei jüngsten Ausschreitungen in der Hauptstadt La Paz haben sie mit Dynamitstangen geworfen. Auch die deutsche Botschaft wurde getroffen.“ (Waren das etwa die Geschenke des Hamburger Nachrichtenmagazins?)
Die „latina-press“ informierte zur selben Zeit: „Lokale Konflikte in Potosí und Umgebung führen derzeit zu einer Blockierung der meisten Zugangswege der Stadt. Bis auf weiteres wird empfohlen, von Reisen nach Potosí abzusehen, lautet der Aktuelle Hinweis des Auswärtigen Amtes in Berlin.“
Das Labournet Germany berichtete 2015: „Mitte Juli wurden die Proteste in Bolivien so massiv, dass sie weltweit in die Schlagzeilen kamen: Waren es am 15. Juli noch rund 150.000 Menschen, die sich an den Demonstrationen der “Zivilgesellschaftlichen Front” von Potosi beteiligten, waren es einige Tage später mehr als 300.000 – Massenprotest eben. Die Menschen der traditionellsten Bergbauregion der Welt (die Silberminen von Potosi waren das erste Entwicklungsprojekt der spanischen Kolonialisten auf dem amerikanischen Kontinent – wo bereits Mitte des 16. Jahrhunderts über 100.000 Lohnarbeiter für die Krone schuften mussten) sind vielfach der Meinung, die Regierung Boliviens tue nichts für die Versorgung ihrer Region. Es ist keine bloße Bewegung der Bergarbeiter – weswegen auch nicht etwa der Gewerkschaftsbund COB die zentrale Rolle bei der Mobilisierung und der Konfrontation spielt, sondern ein Comité Cívico Potosinista (Comcipo) – also das Zivilgesellschaftliche Komitee von Potosi.“
– So heißt ein amerikanischer Dokumentarfilm aus dem Jahr 1976 über den längsten Bergarbeiterstreik in den USA: „Harlan County in Kentucky ist buchstäblich das dreckige Amerika. Die Bergarbeiter leben in ärmlichsten Verhältnissen. Als ihnen der Eintritt in die Gewerkschaft verweigert wird, hat das Demonstrationen, Streiks und blutige Kämpfe zur Folge. Die Regisseurin solidarisiert sich mit den Streikenden und zeigt ihren mutigen Kampf gegen die Ungerechtigkeit“ – und bekommt dafür einen Oscar.
Die World Socialist Web Site berichtete 2010: „Laut der nationalen Gesundheitsbehörde National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) hat sich der Zahl der Fälle von Staublunge unter den Kohlebergarbeitern in den USA in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Dadurch wird ein jahrzehntelanger Trend umgekehrt, der einen Rückgang der Fälle von Staublunge um 90 Prozent verzeichnen konnte; die Staublunge, auch Kohlenbergarbeiter-Pneumokoniose genannt, zerstört das Gewebe der Lunge und führt bei den Bergarbeitern zum langsamen Tod durch Ersticken.
Die erneute Verbreitung der Staublunge belegt in besonders tragischer Weise, wie sämtliche historischen Errungenschaften nicht nur der Bergarbeiter, sondern der gesamten Arbeiterklasse wieder rückgängig gemacht werden. Vor den Massenkämpfen der Bergarbeiter in den 1960er und 1970er Jahren zur Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen ging die Verbreitung der Staublunge mit Unterdrückung und Armut breiter Bevölkerungsschichten einher, speziell in den Bergbaugebieten der Apalachen. Michael Harrington hat die damaligen Zustände in dem berühmten Werk The Other America aus dem Jahr 1962 festgehalten.
Trotz eines massiven Rückgangs der Zahl der Bergarbeiter – auf heute 98.000 im Vergleich zu fast 500.000 im Jahr 1950 – steigt die Zahl der Staublungenfälle und ihre Rate wieder an, auch unter jungen Bergarbeitern. Beamte der Gesundheitsbehörde machen die erhöhte Zahl von Arbeitsstunden – sie sind seit 1978 um 32 Prozent gestiegen – und eine erhöhte Kohlenstaub-Exponierung für das Anwachsen verantwortlich. Das sind hauptsächlich die Folgen des irrsinnigen Profit-Strebens einiger Unternehmen, die Kohle in Bergwerken abbauen wollen, die zuvor schon als ausgeschöpft galten.
Die Rückkehr hoher Zahlen von Staublungenerkrankungen ist vor allem ein Beweis für die verräterische Rolle der Bergarbeitergewerkschaft United Mine Workers of America. In den letzten drei Jahrzehnten hat die UMWA systematisch den Widerstand der Bergarbeiter sabotiert und mit den Unternehmern und der Regierung zusammengearbeitet, um die Errungenschaften zu vernichten, die von vorangegangenen Generationen in mehr als einem Jahrhundert erkämpft wurden.
Die Entwicklung der UMWA – die einst als die militanteste und mächtigste Gewerkschaft Amerikas galt – ist ein Anzeichen für die generelle Verwandlung der Gewerkschaften in korporatistische Anhängsel der Großunternehmen. Sie ist ein historisches Urteil über die Perspektive einer Arbeiterbewegung auf der Grundlage der Unterstützung des Profitsystems, des Nationalismus und eines Bündnisses mit den kapitalistischen Parteien, speziell mit der Demokratischen Partei.
Wie der übrige AFL-CIO-Gewerkschaftsapparat reagierte auch die UMWA in den späten 1970er Jahren auf die Krise des amerikanischen Kapitalismus, indem sie sich vom Klassenkampf distanzierte und immer enger mit den Unternehmern zusammenarbeitete, um die Arbeitskosten zu senken und die US-Unternehmen im Vergleich zu ihren internationalen Rivalen konkurrenzfähiger zu machen.“
Der 1917 von Upton Sinclair veröffentlichte Roman „King Coal“ schildert die fürchterlichen Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter im Westen der USA. Das Buch basiert auf den Streik der 1200 Bergarbeiter der Kohleminen von Colorado, der von der Nationalgarde und der Dolorado Fuel & Iran Company, die John D. Rockefeller gehörte, blutig beendet wurde, indem sie 24 Arbeiter mitsamt ihren Frauen und Kindern erschossen, man nennt diese Tragödie das „Massaker von Ludlow“ (der Ort ist heute eine „Geisterstadt“). Das ganze Streikgeschehen kostete laut Wikipedia „zwischen 69 und 199 Menschen das Leben“.
Sven Rydberg schrieb über den Kupferbergbau in Schweden das Buch „Stora Kopparberg: 1000 Jahre Industrietätigkeit“. Das Bergbauunternehmen hieß Stora Kopparbergs bergslag . Es wurde am 1288 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Seinen Sitz hatte das Unternehmen in Falun . Im 17. Jahrhundert war der Ort mit einer Produktion von zirka 3000 Tonnen die wichtigste Kupferstadt der Welt. Die Nachfrage nach hochwertigem schwedischem Erz war groß. Daneben wurden auch Blei, Silber, Zink, Gold, Erdöl, Pyrit und Uran gefördert. Ungefähr 15 Prozent der heute bekannten Uranvorkommen auf der Welt befinden sich in Schweden.1998 fusionierte das Unternehmen mit dem finnischen Unternehmen Enso und firmiert heute unter dem Namen Stora Enso.
Der SWR sendete 2015 eine Reportage über Falun: „ Sie ist „Schwedens Reichtum, aber grausam wie die Hölle“, schrieb der Botaniker Carl von Linné nach seiner Reise durch die Provinz Dalarna, bei der er auch die Kupfermine in Falun besucht hatte. Er war von den Arbeitsbedingungen unter Tage entsetzt. „Die Angst vor einer so großen Tiefe, vor der Finsternis und der Gefahr ließen mir die Haare zu Berge stehen“. Akut lebensgefährlich waren die vielen Einstürze in den rund 1000 Jahren Kupfererz-Abbau. Für zahllose Männer wurde die Grube zum Grab. Ein paar Kreuze, schlicht mit Kreide an die Wand gemalt, erinnern an die für immer Verschollenen. Zentrum des Weltkulturerbes ist die noch immer begehbare Kupfermine, die mit jedem Schritt die Mühsal des Erz-Abbaus wach ruft. Gleich daneben klafft ein gigantisches Loch, Ergebnis des verheerenden Einsturzes eines ganzen Kupferberges. Auch dieses Loch, das wie eine klaffende Wunde aussieht, steht unter dem Schutz der Unesco. Weil es den Preis für die hemmungslose Ausbeutung von Naturschätzen dokumentiert. Geschützt ist weiterhin die um 1700 gebaute Grubenarbeiter-Siedlung mit ihren winzigen Häusern sowie ein paar Herrenhöfe im Grünen, welche die Grubenbetreiber bewohnten. Alles zusammen bildet eine einzigartige Industrielandschaft, die sich in einem Umkreis von 20 Kilometern um die einstige Kupfermetropole Falun zieht.“
Sverige Radio meldete 2014 aus dem Eisenerz-Bergwerk von Kiruna, der größten weltweit : „ Die nordschwedische Stadt Kiruna muss wegen Bergbauaktivitäten auf einen neuen Standort versetzt werden – das staatliche Bergbauunternehmen LKAB wird dafür umgerechnet etwa 410 Millionen Euro beisteuern.
Die Zuschüsse würden in den Neubau der Infrastruktur und öffentlicher Einrichtungen wie Schulen oder Bibliotheken fließen, teilte LKAB mit. Immobilien wie Mietshäuser seien in dem Finanzpaket nicht umfasst, demnächst würden jedoch weitere Verhandlungen mit einzelnen Immobilienbesitzern geführt.
Die Bergbauindustrie ist der absolut größte Arbeitgeber in der Region Kiruna. Mit der Verlegung großer Teile der Stadt soll der Zugang zu neuen Erz-Abbaugebieten geöffnet werden, der den Bergbaubetrieb bis mindestens 2030 sichern soll.“
Der Schweizer Sender SRF berichtete 2015: „Wegen Rissen im Boden muss die ganze Stadt umziehen: Die alte Holzkirche, der Uhrenturm und ein paar alte Holzhäuser von ehemaligen Minenbossen werden abgebrochen und im neuen Kiruna wieder aufgebaut, alles andere wird komplett neu gebaut. Proteste dagegen gibt es in Kiruna nur wenig, zu sehr lebt die Stadt von der Erz-Mine, wo jeder sechste Bewohner für den staatlichen Minenbetreiber LKAB arbeitet.
Doch in Sapmi, im Samenland rund um Kiruna, regt sich Widerstand. Die Samen, Europas einzige Urbevölkerung, sehen sich als Rentierzüchter in ihrer Existenz bedroht und wollen gegen den weiteren Ausbau der Erzförderung der Bergbauindustrie kämpfen. Dessen ungeachtet plant die Schwedische Regierung, den Abbau von Erz und andern Edelmetallen bis 2050 zu verdreifachen.“
Die „Wiener Zeitung“ berichtete: „Zusammen mit Umweltschützern kämpfen die Samen, früher auch als Lappen bezeichnet, seit einem Jahr gegen die Pläne. Sollte das Eisenerz tatsächlich wie geplant abgebaut werden, ‚hat unsere Rentier-Haltung keine Chance mehr‘, sagt Niklas Spik, der Sprecher der Samen im betroffenen Jaahkaagasska-Gebiet. ‚Dann können die Rentiere nicht mehr frei herumziehen.‘
Rund 80.000 Samen wohnen in Lappland, das sich von Norwegen über Schweden und Finnland bis nach Russland erstreckt. Konflikte mit der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts sind nicht ungewöhnlich, doch nur selten werden sie so erbittert ausgetragen wie in diesem Fall.“
Mit der Premierministerin Margaret Thatcher gelang es auf brutale Weise, den Neoliberalismus in England durchzusetzen. Noch heute sind viele Dörfer und Kleinstädte dort ausgestorben, die Häuser mit Brettern ver nagelt, die privatisierten Eisenbahnverbindungen eine einzige Katastrophe usw. . 1984 nahmen die englischen Bergarbeiter den Kampf gegen den „Thatcherismus-Reaganismus“ auf. Es war der längste und blutigste Streik in der englischen Geschichte, die Arbeiter aus einigen anderen Branchen, u.a. die Hafenarbeiter, schlossen sich ihm an. Der Präsident der „National Union of Mineworkers“ (NUM) und spätere (1996) Gründer der Socialist Labour Party, Arthur Scargill, der die Streikbewegung in der alten Bedeutung des Wortes anführte, wurde berühmt als einzig ernster Gegenspieler zu Margaret Thatcher und de m National Coal Board (NCB) – der staatlichen Bergbauaufsicht, die etliche Minen schließen wollten.
Der ehemalige Jungkommunist Scargill war bereits als Führer der „ Yorkshire Miners Union“ Organisator des Bergarbeiterstreiks von 1973 gewesen , der zum Sturz der konservativen Regierung von Edward Heath ge führt hatt e. Seine Gegner im Bergarbeiterstreik 1984/85 organisierten mit Staatsgeldern Streikbrecher, gründeten eine Gegengewerkschaft und bezahlten Kriminelle, die Überfälle auf Streikposten und ihre Familien verübten. Zudem entwickelten die aufgebotenen Polizeikräfte eine bis dahin nicht gekannte Wut . Aber auch die Streikenden waren nicht zimperlich. Zuletzt spaltete sich die Bergarbeiter-Gewerkschaft . Scargill blieb jedoch bis 2002 Vorsitzender der aufgrund des fast völligen Verschwindens des Bergbaus aus Großbritannien machtlos gewordenen NUM und war danach ihr Ehrenvorsitzender.
All das kam wie gerufen für den Krimiautor David Peace, der daraus 2004 einen über 500 Seiten dicken Roman machte: „GB 84“. Er ist in einem suggestiven Stakkatostil geschrieben und schon fast als Film-Drehbuch verfaßt. Der war jedoch bereits 2001 in die Kinos gekommen: „The Battle of Orgreave“ (Orgreave war ein Zechenort, wo es die härtesten Kämpfe gegeben hatte), der Film von Jeremy Deller stellte sie nach. Der Roman von Peace nach dem Reanactment-Film ist zweigeteilt: Auf jedes Kapitel folgt eine Erzählung eines Bergarbeiters über seinen Kampfeinsatz, seine Verletzungen, seine Ängste, seine Alkohol- und Eheprobleme…In den Hauptk apiteln geht es dagegen um die Aktivitäten der Gewerkschaftskader mit Scargill an der Spitze und auf der anderen Seite um die Aktivitäten der Strategen von Thatcher, wobei deren mit unbegrenztem Budget ausgestattete r Führer im Buch durchgehend „der Jude“ genannt wird. Anscheinend hat das niemand in England und dann auch nicht in Deutschland dem Autor angekreidet.
Der Guardian schrieb in seiner Rezension 2004: „We learn, or we remember, how the strike was provoked: how the 1983 election majority gave the Tory government carte blanche to change the country in any way it decided, and what it decided was to break the unions by breaking the miners. We learn, again, how the law of the land was shanghaied and subverted and rewritten to make traditional protest and community support all but impossible. How much manipulation of and within the media went on: how events at Orgreave, for instance, were deliberately staged and cynically edited, to leave the public with an image of strikers as either sunburned shirkers or violent louts. We learn of the secret shipments of coal, the secret shipments of scabs. We learn of the deliberate demonisation of Arthur ‚Adolf‘ Scargill, and the way in which both Labour Party and TUC were able to wash their hands of a faltering strike by repeating the mantra that there had been no official ballot. We learn of, or remember, the militarisation of the police: the way in which they taunted pickets, the martial force with which roads were patrolled; the secret squads sent out at night to provoke fights and sow distrust among the comrades.!“
Schneller als der Roman und das Reanactment war der auf Klassenkämpfe quasi spezialisierte Filmregisseur Ken Loach. Der Sender „Channel 4“ strahlte bereits 1985 seine Dokumentation „Auf welcher Seite stehst du?“ aus, die Lieder und Gedichte aus dem Bergarbeiterstreik enthielt. Kurze Zeit nach der Niederlage der Bergarbeiter, ebenfalls 1985 noch , zeigte „Channel 4“ den Film „Ende der Schlacht…Nicht das Ende des Kampfes“ von Ken Loach. 1977 hatte er bereits einen TV-Film über Bergarbeiter gedreht: „Der Preis der Kohle“. 2004, i m selben Jahr, da der Krimiautor David Peace seinen reißerischen Roman „GB 84“ veröffentlichte, erschien ein Buch von Anthony Hayward: „Auf welcher Seite stehst du? Ken Loach und seine Filme“. Darin behauptet der Autor, das der Medien-Tykoon Robert Maxwell, der auch in dem Romankrimi vorkommt, Druck auf die Senderleitung ausübte, damit sie zurückhaltender bei der Ausstrahlung der klassenkämpferischen und vor allem gewerkschaftskritischen Filme von Ken Loach, die er vor dem Bergarbeiterstreik für die BBC gedreht hatte, werde.
Nach dem Ende des Streiks und dem Verschwinden des Bergbaus kamen noch einige mehr oder weniger witzige Bergarbeiterkomödien in England in die Kinos; ich habe sie zwar gesehen, aber ihre Titel und große Teile der Handlungen vergessen. Es waren jedenfalls Abgesänge auf die Arbeiterklasse, in einem schlagen sich die ehemaligen Kumpel als männliche Stripteasetänzer auf Damenabende durch. In einem anderen Film verliebt sich eine neoliberale Manager in , d ie einen Zechenrest auf ihre Profitabilität hin untersuchen soll, in einen Bergarbeiter . Weil beide in der Bergmanns- Brass-Band der Zeche mitspielen, ist es eigentlich ein Musik- und Liebesfilm – und war dementsprechend erfolgreich. Auf Wikipedia heißt es: „ Der Film zeigt die Lage in den durch Stellenabbau bedrohten britischen Bergbaustädten“. In einer dritten, ebenfalls etwas verkitschten Spielfilmkomödie „Pride“ geht es um eine Gruppe homosexueller Aktivisten , die 1984 für die streikenden Bergarbeiter Geld sammelten. Dazu wieder Wikipedia: „ Nach anfänglichen Absagen aufgrund von Vorurteilen seitens der Gewerkschaft sucht die Gruppe auf eigene Faust einen Ort, den sie unterstützen können. Das kleine walisische Bergarbeiterdorf Onllwyn lässt sich auf ein Treffen ein. Die ungewöhnliche Konstellation s orgt für Irritationen auf beiden Seiten. Dank des Engagements einiger Frauen der Bergarbeiter sowie einer furiosen Tanzeinlage des exzentrischen Jonathan scheint das Eis gebrochen. Eine Gegnerin dieses Bündnisses informiert jedoch die Presse, welche die Streikenden ins Lächerliche zieht. Eine Abordnung des Ortes kommt dennoch zum Gegenbesuch nach London, wo die Organisation ein Benefizkonzert mit der Band Bronski Beat organisiert hat. Nach Ende des Streiks kommen die Bergarbeiter 1985 mit mehreren Bussen zum Gay Pride , wo sie die Spitze des Zuges bilden.“ Was sich wie ein irrer Filmemacher-Einfall anhört, hat sich tatsächlich so oder so ähnlich ereignet.
Die Heinrich Böll Stiftung gab 2015 einen „Kohleatlas. Daten und Fakten über einen globalen Brennstoff“ heraus, mit dem Untertitel „Wie wir das Klima verheizen“. Spätestens seit 1989/90, als in Rumänien und in der Ukraine z.B. die privilegierten, viel fleischessenden Bergarbeiter von der Regierung aufgeboten, als Schlägertruppen mit Eisenrohren bewaffnet gegen „ regimekritische Demonstranten “ vorgingen, und danach massenhaft in Ost und West die Industriekonglomerate abgewickelt, stillgelegt, zerschlagen und umgewidmet wurden, setzten sich die sogenannten Intellektuellen und Künstler – ebenfalls massenhaft – von der Arbeiterklasse ab, und widmeten sich fortan dem sich erwärmenden Klima, der fleischlosen Ernährung, dem Hightech-R adfahren, dem Plastikmüll im Meer, dem No-Border-Protest, der politischen Korrektn e ss u.dergl.. All dem, was seit der Zeit auch in der taz täglich thematisiert wird.
I m „Kohleatlas“ findet sich eine Graphik über die Entwicklung der Steinkohleförderung in Großbritannien, danach gibt es seit 2015 nur noch zwei Bergwerke, die in Betrieb sind – beide befinden sich heute im Besitz der Belegschaft. Während die Kohleförderung in Großbritannien, die schon mit den Römern begann, bereits 1913 ihren Höhepunkt überschritt (weswegen der Kriegsminister Churchill damals die englische Flotte von Kohle auf Öl umstellen ließ), wurde die Braunkohleförderung in Deutschland immer mehr ausgebaut – heute ist das Land laut „Kohleatlas“ der „weltgrößte Produzent“.
2 015 erinnerte das Deutschlandradio Kultur noch einmal an den englischen Bergarbeiterstreik: „Er endete heute vor 30 Jahren mit einer Niederlage der Miner – und hat tiefe Wunden hinterlassen.“ U.a. wahrscheinlich auch die, das viele der damals Zusammengeschlagenen heute Rechtsradikale sind, so wie sich aus der erfolgreichen Leipziger CDU-Parole nwende von 1989 in „Wir sind ein Volk“ jede Menge Neonazis entwickelten .
2016 erschien die Biographie eines englischen Schäfers aus dem „Lake District“ in der nordwestlichen Grafschaft Cumbria. Das Gebiet ist ein „Nationalpark des Vereinigten Königreichs“ und die Bauern dort bewirtschaften nach wie vor Gemeinschaftsweiden (Allmende: Commons dort genannt), ebenso züchten sie nach wie vor eine Schafrasse, die von den Wikingern dort hingelangte . „ Die Gesellschaft hier ist von alters her höchst unenglisch. Bei uns herrscht immer noch, grob gesagt, eine nördliche Form von Egalitarismus.“
Weil die Höfe dort klein sind, müssen selbst die Hoferben sich immer wieder „ draußen“ Arbeit suchen , wobei sie sich vorübergehend auch als Bergarbeiter verdingen – „ oft jahrzehntelang“ . Der Autor, James Rebanks, ist allerdings eine Ausnahme: Er gehört zu den wenigen, die später auf der Abendschule die Hochschulreife nachholten und zu den noch wenigeren, die dann in Oxford studierten. „ Für kurze Zeit war ich in den Pubs unserer Kleinstadt ein kleiner ‚Held der Arbeiterklasse‘,“ schreibt er. Daraus entwickelte sich für ihn dann ein Forschungs- und Beratungs job als „Experte“ beim UNESCO-Weltkulturerbezentrum in Paris , „der mich zu historischen Landschaften in der ganzen Welt geführt hat, auch zu solchen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie unsere. Ich habe mit hunderten von Bauern gesprochen, habe auf ihren Feldern gestanden und war in ihren Häusern zu Gast…“ In Bergwerken war der leidenschaftliche Bergschaf-Züchter Rebanks allerdings nicht, sein Buch ist dennoch lesenswert, nicht nur für Schafinteressierte wie mich. „ Wir sind kein sentimentaler Menschenschlag, aber wir teilen unser Leben mit diesen Schafen. Sie liegen uns am Herzen.“
Wenn viele Schäfer im „Lake District“ zunächst im Bergbau arbeiteten oder anderswo in England sogar massenhaft von ihrer Landwirtschaft in den Bergbau vertrieben wurden, dann gibt es auch das Gegenteil. Die Bischofferöder Pastorin Christine Haas erzählte mir, dass einer der vom Hungerstreik und von der Niederlage krank gewordenen Kalibergarbeiter wenig später ein Stück Land wiederbekam und sich daraufhin eine Kuh kaufte. „Als die ein Kalb bekam, ging es ihm wieder besser.“
Nannin Balestrini, Mitbegründer erst der literarischen „Neoavanguardia“ und dann der linken Organisation „Potere Operaio“ beschreibt in seinem Buch „Carbonia. Wir sind alle Kommunisten“ (2015) ausführlich die Kämpfe der Bergarbeiter auf Sardinien – und wie man sie gewinnt. Die Arbeit in den Minen von Carbonia war ermüdend und sehr gefährlich wegen der Grubengase, die sich entzünden konnten. Die Bergarbeiter hielten deswegen die Ratten unter Tage, „es gab da unten Millionen“, für nützlich, denn „wenn es Grubengas gab, dann rannten sie davon.“ Der Ich-Erzähler, der nicht der Autor ist, arbeitete in 1750 Meter und dann in 2000 Meter Tiefe, „es waren 4000 Arbeiter dort und 24.000 Arbeiter im gesamten Bergbau in der Gegend. Der Höhepunkt war 1952 und 1953, weil sie danach in Carbonia alles zugesperrt haben, für Kohle hat sich niemand mehr interessiert, weil dann kam das Öl. Das Problem dabei war es, die ganzen Arbeiter wieder loszuwerden, das war das Problem, das sie hatten…Wir waren alle Kommunisten, die ganze Masse der Bergarbeiter.“
Um diese „kompakte Masse zu zerschlagen,“ versuchten die Padroni und die Regierung es zunächst mit einer antikommunistischen Partei, aber deren„Parteilokal war mit ein bisschen Dynamit sofort wieder verschwunden.“ Dann versuchten sie es mit Röntgenuntersuchungen, das hatte zuvor noch nie gegeben. Sie wollten die kommunistischen Bergarbeiter los werden, indem sie sie für krank erklärten – und dann durch Sizilianer aus der Schwefelmine oder durch Leute vom Land oder Bauern ersetzten, die nicht streiken würden. Die Sizilianer hatten Angst, arbeitslos zu werden, weil die Schwefelminen in der Krise waren. Dann – mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl – rieten sie den Bergarbeitern: Geht doch nach Deutschland oder Belgien, dort werdet ihr viel mehr Geld verdienen. Was jedoch nicht stimmte: Einige, die gegangen waren, wußten es besser und berichteten nach Hause, auch das viele Sardinier in den belgischen Minen von Marcinelle starben, „in anderen Minen starben ebenfalls viele Sardinier.“ Als nächstes versuchten sie „unsere Zahl zu reduzieren“, indem sie Einzelnen nach der Schicht Briefe gaben: Sie sollten nicht mehr unter Tage arbeiten, sondern oben. „Vielleicht hat sich dann dieser Typ noch eine gewisse Zeit gefreut, weil er draussen arbeiten konnte…aber bald danach kam ein zweiter Brief,“ mit dem Inhalt, dass der Arbeitsvertrag gekündigt war. Und dann kam noch ein dritter, dass die Wohnung geräumt werden musste, da das Haus der Bergbaugesellschaft gehörte.
„Zuerst brachten wir die Leute, die geräumt wurden, ins Zentrum von Carbonia auf den ‚Roten Platz‘. Dort kam es zum Zusammenstoß, „wir organisierten uns in Gruppen mit allen Arten von Waffen, mit Bomben, Gewehren, Messern und Sprengstoff.“ Sie mußten sich zurückziehen, die ganze Stadt war gegen sie. Im Werk verprügelten die Arbeiter besonders aggressive Aufseher. Es gab betrügerische Firmen in der Stadt, die den Arbeitern Kredit gaben, „nach einer Weile explodierten die Zinsraten und wenn du nicht bezahlt hast, dann war alles vorbei. Und so flog eines Nachts das Gebäude, in dem die zwei Kreditfirmen ihre Büros hatten, in die Luft.“ Niemand „half uns bei unserem Kampf, die Leute die den Kampf gewonnen haben, das waren die Bergarbeiter, die Frauen und ihre Kinder, alle Leute aus Carbonia…Sie haben gegen die Polizei gewonnen, gegen die Carabinieri, gegen die Polizeibusse, gegen die gepanzerten Wagen…Der Kampf in Carbonia war erfolgreich, weil die Leute vereint waren…Wir waren eine kompakte Arbeiterklasse.“
Sodann machten sie aus Seruci eine Modellmine, die komplett mechanisiert war, so dass sie die Mine fortan mit 1500 statt mit 4000 Arbeitern betrieben, die weiterbeschäftigten „arbeiteten mehr als vorher und so produzierte die Mine mehr und die Profite verdoppelten sich. Der Fortschritt sollte nicht dazu dienen, den Profit der Padroni zu steiern, sondern dazu, dass ein Mann keine Scheißarbeit mehr machen muß und dass es weniger zu tun gibt…“
Mit dem mechanischen Schaufler z.B. brauchten sie nur noch zwei statt vier Leute, die mit der Hand schaufeln. „Also hätten sie die Hälfte entlassen, deswegen haben wir den Einsatz von mechanischen Schauflern sofort abgelehnt“ – und es kam zum Streik: unter und über Tage. Eine Unmenge von Polizisten und Carabinieris tauchte daraufhin bei der Mine auf. Als sie mit Panzerwagen das Werksgelände stürmen wollten, haben die Arbeiter sie in die Luft gesprengt…“und so haben wir schließlich gewonnen, weil du nur gewinnen kannst, wenn du kämpfst, und so haben wir sicher gestellt, dass niemand gekündigt werden konnte.“
Später kam es noch zu einem „Mietkampf“, der damit anfing, dass ein Hauseigentümer die Heizkosten erhöhte. Die Betroffenen reduzierten ihrerseits die Miete, stellten Streikposten auf, bauten Barrikaden, blockierten die Straßen und verrammelten die Häuser. Die Einsatzkräfte versuchten immer wieder zu stürmen, aber „in der Zwischenzeit hatte sich der Kampf um die Reduzierung der Mieten im ganzen Viertel verbreitet…Es ist eine Sache: Wir oder Sie und es geht darum, wer gewinnt oder wer verliert, es ist wie in allen Kriegen, die Seite, die gewinnt, ist die Seite, die am härtesten kämpft und bis zum Ende geht, die alles einsetzt, was sie hat. Wir haben zwar schon viele Kämpfe verloren und werden weitere verlieren, aber wir haben auch schon einige gewonnen und wir werden immer weiter kämpfen, kontinuierlich, weil wir es sind, die am Ende gewinnen müssen.“
In dem armen Land müssen die Menschen ins Ausland gehen, um Arbeit zu finden, in den Dörfern leben fast nur noch Kinder und ein paar alte Leute, wenn man der moldawischen Schriftstellerin Liliana Corobca glauben darf. In ihrem Roman „Der erste Horizont meines Leben“ (2013) schreibt sie, dass ihre Mutter in Italien arbeitete und ihr Vater in Sibirien in einem Uranbergwerk, während sie als Zwölfjährige zu Hause auf ihre zwei jüngeren Geschwister aufpassen mußte. Ihre Eltern kamen nur einmal im Jahr nach Hause, sie schreibt: „Ich fürchte, diesmal wird Vater ohne einen Zahn im Mund zurückkehren, wie Petricas Vater. So kommen die wieder, die im Norden von Russland arbeiten. Nicht alle, nur die Geldgierigen. Sie fördern wertvolles Gestein, das voller Strahlen ist, wovon ihnen die Zähne ausfallen. Denn wenn es nicht gefährlich wäre, würden sie dort keine Moldawier annehmen und auch noch gut bezahlen. Letztes Mal war Vater scheinbar etwas gealtert und es fehlten ihm unten nur zwei Zähne. Er war nicht sonderlich schön, aber ich habe nichts gesagt, mein Bruder Marcel jedoch hat ihn gebeten, sich die Zähne richten zu lassen, denn so erschrecke er ihn und sei hässlich. Vater ist daraufhin traurig geworden und hat ihm versprochen, er werde sich bis zum nächsten Mal die Zähne machen lassen. Ich hatte ein solches Mitleid mit ihm. Für uns ist er dort, allein und weit weg, und er arbeitet schwer.“
Die Kasseler AG Friedensforschung schreibt über den „Krieg um Rohstoffe im Kongo“: „Der Reichtum des Kongo ist sein Fluch. Diamanten, Kupfer, Kobalt, Gold, seltene Erden, Edelhölzer – riesige Mengen leicht abbaubarer, gut absetzbarer Roh- stoffe haben schon vor hundert Jahren die Begehrlichkeiten der damaligen belgischen Kolonialherren geweckt. Fast 40 Jahre lang konnte der Diktator Mobutu Sese Seko die Verteilung der Schätze unter seinen Anhängern und internationalen Konzernen kontrollieren. Seit seinem Sturz 1997 hat sich eine Vielzahl von Interessenten auf den Kongo gestürzt. Der Bürgerkrieg ist ein Verteilungskrieg, bei dem es längst nicht mehr um Ideologie, um politische Ziele geht.
Am wichtigsten und am weitesten entwickelt ist der Abbau von Kupfer im Südosten, in der Nähe der zweitgrößten Stadt Lubumbashi, und die Förderung von Diamanten im Zentrum bei der Stadt Mbuji-Mayi. Beide Vorkommen waren bisher formal in den Händen der Regierung von Laurent Kabila. Aber er hat seine Kriegsschulden bei den Verbündeten in Angola, Namibia und Simbabwe durch die Vergabe lukrativer Schürfrechte beglichen.
Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit Simbabwe. Joint Ventures zwischen den Militärs der beiden Länder, die auf Kosten kongolesischer Staatskonzerne entstanden, dienen offiziell der Finanzierung des Krieges. Tatsächlich aber profitiert die Elite beider Ländern über ein undurchsichtiges Netz von Beteiligungen und Scheinfirmen.
Viele Diamanten aus Angola und Sierra Leone gelten international als „Blutdiamanten“, deren Verkauf verboten ist. Gegen den Kongo wurden solche Sanktionen bisher jedoch nicht verhängt – Kabila und seine Anhänger bereichern sich ganz legal am Handel mit den Edelsteinen. Auch die Kupfervorkommen werden völlig legal von international bekannten Konzernen abgebaut, ohne Rücksicht auf die Gelder, die damit in den Bürgerkrieg fließen. Als Begründung geben die Unternehmen an, dass sie für eine international anerkannte Regierung arbeiten – und das trifft in der Tat zu.
Im östlichen Drittel des Kongo, das die Rebellen kontrollieren, werden die Rohstoffe ebenso hemmungslos geplündert. Davon profitieren nicht etwa die Einheimischen, sondern die Offiziere der Rebellen und der Armeen von Uganda und Ruanda, die sie unterstützen. Auch die immer wieder aufflammenden Streitereien zwischen verschiedenen Rebellenfraktionen haben vor allem mit der Kontrolle des Reichtums zu tun. In Kisangani, der drittgrößten Stadt des Kongo, geht es vorrangig um den Handel mit Diamanten, die im Nordosten meist von kleinen Schürfern gefördert werden. Die Stadt Goma, Hauptstadt der von Ruanda ausgehaltenen Rebellenfraktion, lebt ihrerseits vom Handel mit Coltan, einem seltenen Erz, das für die Herstellung von Halbleitern wichtig ist.“
Ergänzend berichtet die Autorin Katja Seefeldt von der „AG Friedensforschung“: „Qualen moralischer Natur sollten hierzulande die Käufer von Mobiltelefonen plagen. Denn in ihrem Handy stecken Komponententeile, die aus dem – übrigens nach obigem griechischen Sagenkönig benannten – Metall Tantal gefertigt wurden. Dieses wiederum könnte aus der Demokratischen Republik Kongo stammen und sein Verkauf könnte dazu gedient haben, den dort seit 1998 andauernden Bürgerkrieg zu finanzieren.
Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es riesige Tantal-Vorkommen, rund 80% davon, so wird geschätzt, befinden sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo… In dieser Zeit sind mindestens sechs fremde Staaten in den Kongo einmarschiert und beuten das Land aus, das an Bodenschätzen (neben Tantal auch Gold, Öl, Diamanten) reich ist wie kein anderes.
Tantal gibt es auch in Australien, Brasilien, Kanada und Nigeria, warum also das begehrte Metall ausgerechnet im Kongo kaufen? Nach ersten Prognosen hat sich – vor allem wegen des zunehmenden Verbrauchs der Elektronikindustrie – allein im vergangenen Jahr die Nachfrage nach Tantal um 20 Prozent erhöht. Die Branche spricht von einer Angebotslücke und für den amerikanischen Markt hat das US Defense Stockpile Center mit Zukäufen reagiert. Ein wichtiges Indiz für einen Versorgungsmangel und die Rolle, die das Metall in der Verteidigungsindustrie einnimmt. Während Tantal in den vergangenen Jahren noch für 40 bis 50 US-Dollar pro Pfund zu haben war, lag sein Preis im Dezember 2000 bereits bei 443,90 US-Dollar.
Um die Versorgung des Weltmarkts auf steigendem Niveau gewährleisten zu können, müssen die Förderung in bestehenden Minen weiter ausgebaut und neue Vorkommen erschlossen werden – das kostet viel Geld und vor allem Zeit. Moralischen Bedenken will sich die Industrie nicht unterwerfen. Das vom New Scientist befragte Tantalum-Niobium International Study Center, der Handelsverband der Branche, hält Forderungen einer ethischen Handelspolitik für unwirksam. Verantwortlich sei jedes Unternehmen, das Tantal zur Verarbeitung kaufe. Mit einem Rückgang der Nachfrage ist jedenfalls nicht zu rechnen. Die Branche spricht bei Tantal bereits von einem „Schlüsselmetall des neuen Jahrtausends“ und rechnet mit rosigen Zeiten. Einen Konjunktureinbruch hat die kongolesische Opposition also nicht zu befürchten…“
Medico international teilt mit: „Der anhaltende Krieg im Kongo speist sich hauptsächlich aus dem Kampf um den Zugang und die Kontrolle zu den fünf Schlüsselmineralien Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold und die Sicherung von Handelsrouten. Aus den zahlreichen Minen Nord- und Süd-Kivus schöpfen Laurent Nkunda, die FDLR, die Mai-Mai-Milizen und die kongolesische Regierung ihre Mittel für Sold, Waffen und persönliche Bereicherung und sie liefern den Grund für die Besetzung ganzer Landstriche in den östlichen Provinzen durch die afrikanischen Nachbarstaaten wodurch der Bürgerkrieg immer wieder aufs Neue angefacht wird.
Die systematische Ausbeutung von Kongos natürlichen Ressourcen durch lokale Warlords und ausländische Armeen erfolgt aufgrund rationaler ökonomischer Interessen und ist Teil einer globalen Schattenwirtschaft. Der permanente Kriegszustand und der staatliche Zerfall der DRK hat somit für alle Kriegsteilnehmer eine ‚Win-Win-Situation‘ kreiert. Der einzige Verlierer in diesem großen Rennen ist und bleibt das kongolesische Volk, das von den Reichtümern des Landes mehr Schaden als Nutzen hat. Dies wird sich auch nicht ändern, solange es zu keiner effektiven Herausbildung demokratischer Strukturen, besseren Kontrollen von Rohstoff- und Waffenhandel und der Implementierung von fairen Handelsstrukturen kommt. Insbesondere auf dem Gebiet der Rohstoffökonomie muss die internationale Gemeinschaft, deren Endverbraucher an der kriminellen Abschöpfung der Rohstoffe indirekt beteiligt sind, mit Geduld und Sachverstand auf eine Kehrtwende hinarbeiten.“
Die Welt berichtet: „ Der Ostkongo ist so reich an Bodenschätzen wie keine andere Gegend der Welt. Rund einhundert registrierte Minen gibt es in allein in der Provinz Walikale und ungezählte mit illegalem Abbau. In den meisten davon werden Kassiterit, ein Erz mit einem hohen Zinngehalt, Kupfer, Gold und Coltan abgebaut. Aus dem Mineral Coltan wird das Metall Tantal gewonnen – der Stoff, der, vermischt mit Uran und Kassiterit, Handys, Flachbildschirme und Computer speist.
Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind katastrophal, darauf weisen seit Jahren Organisationen wie „Enough Project“ und „Global Witness“ hin. Sie berichten von Kinderarbeit, Sklaverei, ungesicherten Stollen, von Umweltzerstörung, Verseuchung der Flüsse. Und von Gewalt, die in den Minen herrscht. Immer wieder gibt es Tote: entweder durch Unfälle oder durch Erschießungen.
Von Goma über Ruanda und Uganda gelangen die Mineralien nach Mombasa, von wo aus sie an Rohstoffgroßhändler wie das schweizerische Unternehmen Glencore verschifft werden. Glencore erledigt gern die ganze Wertschöpfungskette allein, vom Abbau über den Transport bis zum Handel.
Der Gigant besitzt 75 Prozent der Anteile an einer der größten Minengesellschaften des Kongo: der Katanga Mining Limited. Auch das Unternehmen H.C. Starck, bis zum Jahr 2006 eine Bayer-Tochter, stand lange im Ruch, mit Mineralien aus dem Ostkongo zu handeln, beharrt aber heute darauf, von dort nicht mehr zu kaufen.
Seit der Markt für Mobiltelefone der am schnellsten wachsende ist – rund fünf Milliarden mobile Geräte wurden bislang weltweit verkauft – ist die Nachfrage nach Coltan und Kassiterit immens.
Im unübersichtlichen Kongo mit seinen durch den endlosen Krieg geschwächten gesellschaftlichen und politischen Strukturen, bestimmen Gier, Korruption und Gewalt den Handel. Schon der Abbau gleicht mehr einem Raubbau, über den der Staat keine Kontrolle hat.
Die meisten Minen werden von militärischen Gruppen kontrolliert. Ihnen geht es nicht um die Rohstoffe, sondern nur um den Erlös aus dem Handel, mit dem sie ihre Waffen finanzieren.
Rund 150 Millionen Dollar sollen laut einer Untersuchung der Vereinten Nationen jedes Jahr den verschiedenen bewaffneten Fraktionen zufließen, die in Walikale und in anderen Kongo-Provinzen den Abbau der „Blutmineralien“ kontrollieren. Genug Geld, um den Krieg im Ostkongo immer wieder zu verlängern.
Alle paar Wochen gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen, denen viele Zivilisten zum Opfer fallen. Gerade wieder hat sich die Hutu-Miliz „Demokratische Streitkräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR), eine Truppe, die in Ruanda den Völkermord verübte und danach in den Kongo floh, mit anderen bewaffneten Gruppen in Walikale Kämpfe um die Kontrolle über die Minen geliefert.
Der „Welt“-Reporter sprach mit Madame Clemence, ihr gehört eines der erfolgreichsten Comptoirs in Goma: jährlich verkauft sie 1164 Tonnen Kassiterit:
„Leider sei das Geschäft schlechter geworden, seit die Mineralien aus dem Kongo in Verruf geraten seien und die Preise fielen. „Die Leute leben von den Minen. Sie können nirgendwo sonst ihr Geld verdienen.“ Madame Clemence lacht ein wenig gequält. „Die Minen gehören denen, die die Waffen haben. Und denen, die das Geld haben, gehört der Erlös. Das war immer so und das wird immer so bleiben.“
„Die Zeit“ schrieb 2014 über die Folgen eines in den USA erlassenen Gesetzes – die Rohstoffgewinnung betreffend: „Die Regierung Obamas beschloss den Dodd-Frank-Act 2010. Nun entfaltet er Wirkung. Rund 6.000 Unternehmen müssen in diesen Tagen erstmals offenlegen, ob sie Rohstoffe aus dem Bürgerkriegsland Kongo beziehen.
Die Elektronikkonzerne ahnen es nur, obwohl sie zwei Jahre Zeit hatten, es herauszufinden. So steht es in ihren Berichten. Sony etwa argumentiert, seine Zulieferer hätten nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass nicht doch Rohstoffe aus dem Kongo verwendet wurden. Ähnlich formulieren es der Unterhaltungskonzern Walt Disney oder der Elektronikhersteller LG Display.
Auch Google muss zugeben, dass man „Annahme hat, zu glauben, dass eine gewisse Menge“ der Mineralien aus den betroffenen zentralafrikanischen Ländern stamme. Man habe aber keine Beispiele finden können, bei denen „indirekt oder direkt“ der Konflikt in den jeweiligen Ländern unterstützt werde. 36 Prozent aller Schmelzen im Kongo, von denen man Produkte beziehe, habe Google zertifizieren lassen. Über die anderen Schmelzen wisse man aber noch nicht genug.
Selbst Apple und Intel – beide gelten als Vorreiter in der Branche – können nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass sie Konfliktmineralien in ihren Produkten verwenden. Apple hat bereits 2010 begonnen, seine Schmelzen in der Region zu zertifizieren. 80 Prozent seien mittlerweile mit Sicherheit konfliktfrei. Doch wie andere Unternehmen kann Apple nicht ausschließen, dass doch noch Konfliktmineralien in seinen Produkten verbaut sind.
Jährlich müssen die betroffenen Unternehmen fortan darüber informieren, ob sie solche Konfliktmineralien verwenden. Nach Schätzungen der SEC kostet diese Regel die Unternehmen rund vier Milliarden Dollar im ersten Jahr und bis zu 600 Millionen Dollar in den Folgejahren. Ein gewaltiger Aufwand.
Andererseits seien viele Berichte in weiten Teilen enttäuschend. „Viele Firmen haben nur geringe und minimale Informationen veröffentlicht.“ Die Zahl der Unternehmen, die sich wirklich Mühe machten, ihre Zulieferkette zu durchleuchten – darunter der Chiphersteller Intel oder der Elektronikkonzern Philips – sei noch immer gering.
Die taz berichtete 2016: Am 28. Januar trat in Kinshasa die Regierung der Demokratischen Republik Kongo zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammen. Der einzige Tagesordnungspunkt: die Wirtschaftskrise. Kongo lebt vor allem vom Export von Bergbauprodukten, deren Kurse in den Keller gefallen sind. Woanders sieht es nicht besser aus. In den letzten rund zehn Jahren hatte Afrika begonnen, sich ein neues, positives Image zuzulegen: der kommende Boomkontinent, der endlich den Weg zu hohen Wachstumsraten gefunden hat… Nähren sollte diesen Boom der Rohstoffhunger Asiens, allen voran Chinas. China brauchte alles, und zwar immer mehr. Afrikanische Staatschefs strömten zu Gipfeltreffen in Peking und Delhi. Die Flüge über den Indischen Ozean waren voll. Chinesische Firmen warfen mit Beton und Dollars um sich. Man lernte in Afrika Chinesisch und kam sich fortschrittlich vor. Man musste sich nicht mehr nach den Weißen richten – ein befreiendes Gefühl. Aber auch Chinas Rohstoffbedarf ist nicht mehr grenzenlos. Die chinesischen Einkäufe schrumpfen, die Rohstoffpreise sinken auf allen Märkten der Welt… Unversehens verkehrt sich die Blüte in eine neue Abhängigkeit. Um Investitionspläne zu retten, fangen jetzt Regierungen an, sich auf den Kapitalmärkten zu verschulden. Die Geschichte lehrt, dass das böse endet, vor allem wenn die eigene Währung sich im freien Fall befindet, was bei wachsenden Handelsdefiziten unvermeidlich ist.“
Der bei der Weltrettung engagierte Soziologe Harald Welzer führte auf dem 18. „Philosophicum“ in Lech aus, dass die Ökobewegung – inklusive Parteien, Lehrstühle, NGOs, Umweltbundesamt- und -ministerien – seit der berühmten Studie „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) eine enorme „Karriere“ gemacht habe. Gleichzeitig werde jedoch jedes Jahr „ein neues Weltrekordjahr im Material- und Energieverbrauch“ angezeigt. Anscheinend habe das auf Wachstum setzende kapitalistische System seine Wachstumskritiker gründlich integriert.
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