Im Thurgauer Hinterland steht sie, unauffällig in einem Industrieviertel neben weiteren grossen Industriebauten. Weder von aussen, noch beim Eintreten in den Wartebereich merkt man, dass hier einer der grössten PET-Deckel-Produzenten der Welt Zuhause ist.
Die Firma Corvaglia produziert seit rund 30 Jahren Verschlüsse für Plastikflaschen; knapp 800 Milliarden Deckel hat das Unternehmen aus Eschlikon, gemeinsam mit Partnerbetrieben, mit insgesamt rund 300 Mitarbeitenden gefertigt, das sind pro Jahr rund 26 Milliarden Verschlüsse. Jede fünfte Flasche weltweit trägt einen Deckel aus Eschlikon.
Seit einem halben Jahr ist die Corvaglia mit einem Standort in den USA vertreten, ausserdem betreibt sie ein Werk in Mexiko.
Der Unternehmensrundgang führt uns aus der Empfangshalle in die Produktion. Statt grossen Maschinen, die einen riesigen Radau machen, stehen in der ersten Halle nur wenige Geräte. Hier werden die Spritzgussformen für Verschlüsse hergestellt, das grosse Erfolgsgeheimnis der Corvaglia.
Rund 20 Prozent aller dieser Spritzgussformen für Plastikdeckel weltweit werden in Eschlikon gefertigt. Diese Formen werden an alle möglichen Getränkehersteller auf der Welt geliefert. «Wir sind eines von ganz wenigen Unternehmen auf der Welt, welches nicht nur Verschlüsse entwickelt, sondern diese dann auch selbst produziert», sagt Michael Krüger, CEO der Corvaglia Group, stolz.
Solche Gussformen exportiert Corvaglia in die ganze Welt.
In der nächsten Halle angekommen, sieht man grosse Maschinen. Entgegen der Erwartungen ist es aber eher leise, auch ein beissender Produktionsgeruch steigt einem nicht in die Nase. Grosse Maschinen stanzen, pressen und rotieren. An jeder Ecke stehen Kartonkisten, die teilweise bis oben voll sind mit PET-Deckeln.
Der Decke entlang verläuft eine Art Förderband, welches die produzierten Deckel aus den Maschinen in die richtigen Kisten abfüllt. Vollautomatisch läuft die Produktion hier, nur wenig muss noch von Menschenhand gemacht werden. «Würden wir mit deutlich mehr Handarbeit arbeiten, wäre die Produktion von Plastikdeckeln finanziell nicht tragbar», sagt Michael Krüger. Tiefe Margen und hohe Lagerkosten (ein Plastikdeckel braucht für seinen Wert sehr viel Platz) erfordern tiefe Produktionskosten.
Neben den Produktionshallen liegt ein kleiner Raum, gefüllt mit Laborinstrumenten. In dem kleinen Büro findet Forschung und Entwicklung Platz. Ausserdem werden hier die Plastikdeckel auf Herz und Nieren geprüft.
Wegen der hohen Produktionskosten ist technologischer Fortschritt zur Senkung der Kosten für die Corvaglia unabdinglich. «Die Anforderungen an Verschlüsse sind enorm, grosse Anbieter wie Cola oder Pepsi haben hohe Anforderungen. Gleichzeitig muss der Verschluss in riesengrossen Mengen produziert werden, während sich Gegebenheiten wie Formen, Materialien oder Farben kontinuierlich verändern.»
Die eigentliche Innovation ist aber eine andere: Das Thurgauer Unternehmen entwickelt die weltweit leichtesten Verschlüsse auf dem Markt. «Es geht darum, einen Verschluss zu produzieren, der die Anforderungen erfüllt, dies aber bei minimalen Material- und Energieaufwand.»
Diese Innovation wurde vor einem halben Jahr auch gewürdigt: Die Corvaglia Group erhielt den Prix SVC Ostschweiz, einen Award für Innovation und Unternehmertum.
Aus Eschlikon und den Werken in den USA und in Mexiko werden die ganz grossen Player beliefert, Coca-Cola, Pepsi oder Danone sind wichtige Kunden der Corvaglia.
In einem grünen Zeitalter – die Wahlen haben es gezeigt – sind Produkte aus Plastik unerwünscht. Dabei sei die Plastikflasche die ökologischste Alternative zu Glas oder Alu, stellt Michael Krüger fest.
«Wenn man das Wasser aus dem Hahnen nicht trinken kann, ist die PET-Flasche die nachhaltigste Verpackung für Getränke.» Dies erklärt er wie folgt: Eine Einweg-PET-Flasche ist in der Produktion und Entsorgung deutlich energie- und materialeffizienter als die Produktion einer Einweg-Glasflasche oder Einweg-Aluminiumdose – vorausgesetzt, sie wird korrekt entsorgt.
Geht es um Mehrweg-Nutzung, ist die PET-Flasche - gemäss Krüger - ebenfalls energieeffizienter als Glas und Alu.
Schnell kommt deshalb die Frage auf, warum Plastik momentan das Feindbild unserer ökologischen Gesellschaft ist. Schuld daran, dass Plastik in Verruf geraten ist, sei der Konsument. «Nicht alle gehen sorgfältig genug mit der Entsorgung der Plastikflasche um», sagt Michael Krüger.
Ein weiteres Problem sei, dass gewisse Plastiktypen im Meer obenauf schwimmen und Lebewesen dadurch im Vergleich zu Glas mehr bedroht sind. «Hier müssen bessere Lösungen gefunden werden.» Gegen die Klimaerwärmung aber – davon ist Krüger überzeugt – ist Plastik die Lösung und nicht das Problem.
Das sieht die EU etwas anders: Bis zum 3. Juli 2024 haben alle Getränkehersteller Zeit, um ihre Flaschendeckel so aufzurüsten, dass der Deckel nicht mehr von der Flasche abtrennbar ist. Das besagt das neue EU-Gesetz, das die Verschmutzung durch Plastik eindämmen will und unter anderem auch Strohhalme verbietet.
Die Corvaglia hat bereits mehrere Deckel-Lösungen pfannenfertig, die dem neuen Gesetz entsprechen. «Nun liegt es an den grossen Kunden, sich für eine Option zu entscheiden.»
Dies fällt ihnen aber schwer, was es den Deckelherstellern wiederum auch nicht leicht macht. «Es braucht Zeit, 1500 Abfüllanlagen in Europa umzustellen. Je länger die Unsicherheit bei den Kunden herrscht, desto knapper wird es, pünktlich auf die neue Richtlinie bereit zu sein.»
Zurück in der Empfangshalle stellt sich eine Frage: Gäbe es für die Zukunft keine nachhaltigere Lösung als PET-Flaschen und Hartplastikdeckel? Denkbar wären beispielsweise Getränkedeckel aus recyceltem Material. «Momentan besteht allerdings noch das Problem, dass auch nach der Reinigung beim Deckel noch geschmackliche Überreste haften bleiben.»
Dass Getränkeverschlüsse irgendwann aus anderem Material wie aus Plastik sein werden, daran zweifelt Krüger. «Es besteht höchstens das Risiko, dass aus politischen Gründen die PET-Flasche verboten wird, dann würde auch der Plastikverschluss verschwinden.» Damit würde auch das Geschäft der Corvaglia wegrationalisiert.
So weit wollen die Plastikmogule aber noch nicht denken. Sie forschen weiter daran, Plastikdeckel ökologischer und moderner zu machen, um damit weiterhin eines der innovativsten Unternehmen der Deckelbranche zu bleiben.